Die pastorale Mentalität ändern: unterwegs zum Fundament

28. November 2014 in Aktuelles


Franziskus: ‚Ecclesia – Mater et Magistra’? ,Mater’ ja, ‚Magistra’ – nicht mehr. Der Kern wahrer ‚Reform’ und die samaritanische Kirche. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Es ist schon fast zu einem Allgemeinplatz geworden, auf dem sich viele tummeln: Papst Franziskus ist der „Reform-Papst“, und wie dies bei seinem Vorgänger Benedikt XVI. in den ersten beiden Jahren seines Pontifikats der Fall war, geht gern die Rede von einer „Revolution“ um. Nur dass – und das betrifft vor allem die Mainstream-Medien – „Revolution“ gern mit einer mehr oder minder gewaltsamen radikalen Änderung identifiziert wird, die auch vor der unveränderlichen Lehre der Kirche nicht halt macht.

Benedikt XVI. hatte im Jahr 2005 den Jugendlichen auf dem Marienfeld in Köln noch zugerufen: „Die wirkliche Revolution besteht allein in der radikalen Hinwendung zu Gott, der das Maß des Gerechten und zugleich die ewige Liebe ist. Und was könnte uns denn retten wenn nicht die Liebe?“. Der Papst sprach von einer „Kernspaltung im Innersten des Seins“ – dem Sieg der Liebe über den Hass, dem Sieg der Liebe über den Tod: „Nur von dieser innersten Explosion des Guten her, die das Böse überwindet, kann dann die Kette der Verwandlungen ausgehen, die allmählich die Welt umformt. Alle anderen Veränderungen bleiben oberflächlich und retten nicht“.

Jetzt hingegen wird – gern von den bisherigen „Kirchenkritikern“, selbst ernannten „Kirchenreformatoren“ und Neo-Ultramontanisten – der Eindruck erweckt, als müsse sich diese „Kernspaltung“ von Außen verwirklichen, im Zugehen auf die Welt, im Annehmen des Weltlichen, in der Nachfolge all dessen, was für die Welt „selbstverständlich“ ist. Aber ist das wirklich so?

Am Donnerstag, den 27. November, empfing Papst Franziskus die Teilnehmer am Internationalen Kongress der Pastoral für die Großen Städte in Audienz und hielt dort eine der für ihn charakteristischen „nicht formalen“ Ansprachen. Dabei ging er von seiner Erfahrung in der Millionenstadt Buenos Aires und der dortigen Kirchenregion aus, die 13 Millionen Menschen umfasst. Der Papst forderte eine wahre „kirchliche Verwandlung“. Alles müsse unter dem Schlüssel der Mission verstanden werden: „Eine Veränderung der Denkart: vom Empfangen hin zum Aufbruch, vom Warten, dass die Menschen kommen, hin zum Suchen nach ihnen. Für mich ist das der Schlüssel“.

Die pastorale Denkart muss sich für Franziskus also radikal ändern. Gerade in den Städten bedürfe es anderer „Straßenkarten“, anderer Paradigmen, „die uns helfen, unsere Gedanken und unsere Haltungen neu zu positionieren. Wir dürfen nicht desorientiert bleiben, denn eine derartige Verwirrung führt uns dazu, vom Weg abzukommen, vor allem wir selbst, vor allem aber verwirrt sie das Volk Gottes und diejenigen, die von Herzen das Leben, die Wahrheit und den Sinn suchen“.

Franziskus stellte fest: „Wir kommen aus einer jahrhundertealten pastoralen Praxis, in der die Kirche der einzige Bezugspunkt der Kultur war. Es ist wahr, das ist unser Erbe. Als echte ‚magistra’ hat sie die Verantwortung verspürt, nicht nur kulturelle Formen, sondern auch Werte abzuzeichnen und aufzuerlegen und die persönliche sowie kollektive Vorstellungswelt tiefer abzustecken, das heißt: die Geschichten, die Angelpunkte, auf die sich die Menschen stützten, um die letzten Bedeutungen und die Antworten auf ihre lebenswichtigen Fragen zu finden“.

Diese Epoche der „Ecclesia Magistra“ aber ist für den Papst Vergangenheit: „Wir sind nicht mehr in der Christenheit, nicht mehr“. Heute seien die Christen weder die einzigen noch die ersten noch die am meisten Gehörten, die Kultur hervorbrächten. Aus diesem Grund erkannte Franziskus die Notwendigkeit einer Änderung der pastoralen Denkart, was allerdings nicht einer „relativistischen Pastoral“ gleichkommen dürfe: „Nein, das nicht – dass man dann, um in der ‚kulturellen Küche’ präsent zu sein, den Horizont des Evangeliums verliert, den Menschen sich selbst überlässt und er sich aus der Hand Gottes ‚emanzipiert’: nein, das nicht. Das ist der relativistische Weg, der bequemste Weg. Derartiges dürfte sich nicht ‚Pastoral’ nennen! Wer so handelt, hat kein wahres Interesse für den Menschen, sondern überlässt ihn der Gewalt zweier gleich schwerer Gefahren: sie verbergen ihm Jesus und die Wahrheit über den Menschen. Und Jesus und die Wahrheit über den Menschen verbergen – das sind zwei schwere Gefahren! Es ist dies der Weg, der den Menschen zur Einsamkeit des Todes führt“, der Weg der spirituellen Weltlichkeit (vgl. Evangelii gaudium 93-97).

Was will also der Papst in dieser Zeit, in der „wir nicht mehr in der Christenheit“ sind? Den Mut zu einer wagemutigen evangelisierenden Pastoral ohne Ängste, denn: „Der Mann, die Frau, die Familien und die verschiedenen Gruppen, die in den Städten wohnen, erwarten von uns – und dessen bedürfen sie für ihr Leben – die Frohe Botschaft, die Jesus und sein Evangelium ist. So oft höre ich, wie gesagt wird, man schäme sich, sich als Christ zu exponieren. Wir müssen daran arbeiten, bei der Verkündigung Jesu Christi keine Scham oder Zurückhaltung zu haben. Wir müssen nach dem ‚Wie’ suchen. Das ist eine Schlüssel-Arbeit“.

Franziskus fordert dazu auf, den Glauben zu säen, Schritt für Schritt den Glauben zu erwecken, durch das Zeugnis des christlichen Lebens. Der Papst will eine „samaritanische Kirche“, in der die Qualität der Pastoral im Zeugnis der Kirche und eines jeden einzelnen Christen besteht: „Als Papst Benedikt gesagt hat, dass die Kirche nicht durch Proselytismus, sondern durch Anziehung wächst, sprach er davon. Das Zeugnis, das anzieht, lässt die Leute neugierig werden“. Diese Neugier, die immer mehr in den wahren Glauben hineindrängt: sie ist einer der Kernpunkte des „Reform-Programms“ von Papst Franziskus für die Kirche.


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