Thüringen: Mögliche rot-rot-grüne Regierung stößt auf geteiltes Echo

9. November 2014 in Deutschland


EKD-Beauftragter: Keinen Schlussstrich unter das DDR-Unrecht ziehen – CDU-Landtagsabgeordneter Gruhner: Mit einer Partei, „die die brutale Diktatur in Ostdeutschland nicht als Unrecht bezeichnet“, dürfe es keine Form der Zusammenarbeit geben.


Erfurt (kath.net/idea) Auf gemischte Reaktionen in Kirche und Politik stößt die Entscheidung der thüringischen SPD, eine rot-rot-grüne Koalition unter Führung von Bodo Ramelow (Linkspartei) zu bilden. Neben viel Kritik aus Reihen der SED-Opfer gibt es auch Verständnis. So erklärte der Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Thüringen, Christian Dietrich (Erfurt), auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, bei den momentanen Koalitionsverhandlungen würden neue Möglichkeiten der Aufarbeitung diskutiert: „Wer Regierungsverantwortung übernehmen will, kann sich nicht mehr verstecken.“ Zumindest seien zentrale Forderungen, die er als Landesbeauftragter gestellt habe, in die Abstimmungspapiere der möglichen rot-rot-grünen Koalition aufgenommen worden. Dazu gehöre, dass aus dem ehemaligen Stasi-Gefängnis in Suhl eine Gedenkstätte werde und dass in Jena ein Lehrstuhl für DDR-Geschichte eingerichtet werden soll. Was daraus werde, müsse sich allerdings zeigen, so Dietrich. Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann (Magdeburg), erklärte auf Anfrage von idea, sie werde die aktuelle Koalitionsbildung „aus Respekt vor dem Wahlergebnis und den Abgeordneten“ nicht kommentieren.

EKD-Beauftragter: Die Linke ist eine extrem unausgeglichene Partei

Für den Beauftragten des Rates der EKD für Seelsorge und Beratung von Opfern der SED-Kirchenpolitik, Curt Stauss (Lutherstadt Wittenberg), ist die Linke eine extrem unausgeglichene Partei. In ihr fänden sich stramme Kommunisten ebenso wie evangelische Christen. Als einen solchen habe er Bodo Ramelow kennengelernt, sagte Stauss gegenüber idea. Der Theologe sieht die Gefahr, dass die Debatte um die DDR-Vergangenheit instrumentalisiert wird und es Kritikern einer rot-rot-grünen Landesregierung gar nicht um die Linke geht, sondern um den eigenen Machterhalt. Zugleich warnte er davor, einen Schlussstrich unter das DDR-Unrecht zu ziehen. Es fehle nach wie vor an einer gesamtgesellschaftlichen Anerkennung der Tatsache, „dass in der DDR Menschen zu Opfern gemacht wurden“.

Ein bis zwei Prozent der kirchlichen Mitarbeiter waren Stasi-Spitzel

Auch in der Kirche habe es Spitzel gegeben, die für die Staatssicherheit tätig waren. Stauss geht davon aus, dass es sich um ein bis zwei Prozent der haupt- und ehrenamtlichen kirchlichen Mitarbeiter in der DDR gehandelt hat. So sei beispielsweise in den neunziger Jahren bekanntgeworden, dass der Altbischof der Evangelischen-Lutherischen Landeskirche in Thüringen, Ingo Braecklein (1906-2001), 30 Jahre lang Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi gewesen sei.

SED-Opferverbände: Ein Affront

Scharfe Kritik an einer möglichen rot-rot-grünen Landesregierung kam hingegen von Opferverbänden und aus der CDU. Für die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft und die Vereinigung der Opfer des Stalinismus (beide Berlin) wäre sie „ein Affront gegen die Opfer des SED-Regimes“. Nach Worten des Vorsitzenden beider Organisationen, Rainer Wagner (Neustadt/Weinstraße), kommt ein Ministerpräsident aus der Linkspartei in dem 40 Jahre von der SED diktatorisch unterdrückten Thüringen einer Rehabilitierung der SED gleich und macht sie salonfähig. Die Linke sei keine normale Partei: „Sie ist die mehrfach umbenannte SED. Sie ist jene Partei, welche die Menschen in der DDR bespitzelt, geknechtet und eingesperrt hat.“ Ein Großteil ihrer Mitglieder habe schon der SED angehört und „das verbrecherische Regime“ gestützt. Die Linke habe ihre Vergangenheit bis heute „nicht ordentlich“ aufgearbeitet: „Sie duldet noch immer stramme Kommunisten, glühende Antidemokraten und überzeugte DDR-Verklärer in ihren Reihen.“

CDU: SED-Fortsetzungspartei sollte keinen Regierungschef stellen

Auch die Junge Union wandte sich gegen eine rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen. „Die SED-Fortsetzungspartei ‚Die Linke‘ darf in Deutschland keinen Regierungschef stellen. 25 Jahre nach dem Mauerfall dürfen im Osten unseres Landes nicht wieder die Verwalter des ‚DDR‘-Erbes an die Macht kommen“, fordern der Bundesvorsitzende der CDU/CSU-Jugendorganisation, Paul Ziemiak, und der thüringische Landesvorsitzende, der Landtagsabgeordnete Stefan Gruhner. Mit einer Partei, „die die brutale Diktatur in Ostdeutschland nicht als Unrecht bezeichnet“, dürfe es keine Form der Zusammenarbeit geben.


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