Sterbehilfe-Debatte: Mediziner warnt vor 'Altersabtreibung'

1. Oktober 2014 in Aktuelles


Präsident der Europäischen Akademie der Wissenschaften, Unger: "Ärzte sind nicht Knechte des Todes und damit die Handlanger der Gesellschaft beim Töten"


Salzburg (kath.net/KAP) Vor der Etablierung einer Praxis der "Altersabtreibung" am Lebensende hat der Präsident der Europäischen Akademie der Wissenschaften, der Mediziner Felix Unger, gewarnt. Zunehmend wachse der gesellschaftliche Druck auf die Medizin, "an den Eckpunkten des Lebens Grauzonen zu entwickeln, um manipulieren zu können", kritisierte Unger in einem Gastkommentar zur aktuellen Debatte um Sterbehilfe in den Salzburger Nachrichten (Montag-Ausgabe). In Analogie zur Abtreibung am Lebensbeginn könnte sich so eine wirtschaftlich motivierte Praxis der "Abtreibung am Lebensende" entwickeln, schrieb der frühere langjährige Vorstand der Salzburger Uniklinik für Herzchirurgie. "Spinnt man den Faden weiter, so muss man sich fürchten, im Alter als für die Gesellschaft unbrauchbar abserviert zu werden."

Die Palliativmedizin habe im Rahmen der Medizin in den vergangenen Jahren einen besonderen Stellenwert bekommen, so Unger. Noch vor 50 Jahren sei das Sterben "komplett aus dem medizinischen Alltag" verdrängt gewesen. Die umfassende und kostenintensive Betreuung und Begleitung Sterbender habe aber auch die Fragen nach der Bezahlbarkeit der Behandlung auf den Plan gerufen. "Gerade durch den Kostendruck entsteht ja eine große Verlockung der Sterbehilfe", weiß der Mediziner. Am Ende des Prozesses stünde die Gefahr, unheilbar Kranke aus Kostengründen oder anderen wirtschaftlichen Überlegungen heraus einfach "abzutreiben" und Mediziner zu "Knechten des Todes und damit zu Handlangern der Gesellschaft beim Töten" zu machen.

In diesem Zusammenhang müsse auch die Aussagekraft von Patientenverfügungen diskutiert werden. "Wenn man gesund ist, hat man keine Vorstellung, in welcher Situation man sich befinden wird." Der ärztliche Alltag zeige aber, so Unger, dass "alle Menschen an ihrem bisschen Leben hängen und jede Möglichkeit wie einen Strohhalm aufgreifen". Ohne Zweifel bestehe aber berechtigte Kritik, wenn am Ende massive kostspielige Therapien eingeleitet oder noch sinnlose Untersuchungen durchgeführt werden.

Schlussendlich sei die Entscheidung über nötige Behandlungsschritte immer an die Person des Arztes gebunden, dessen Prinzipien in Form des hippokratischen Eides "ewig bekannt" und mit der Forderung, Schmerzen zu lindern, Leben zu verlängern und Krankheiten zu heilen, verbunden sind. Aufgabe des Mediziners sei es, Menschen "immer in Würde zu treffen. Das heißt so viel, dass man ihn von Schmerzen befreit, ihm ein Ambiente bietet, das seiner Würde entspricht, den Angehörigen Möglichkeit zum Abschiednehmen gibt". Spezieller ethischer Kommissionen zur Entwicklung ethischer Grundsätze in diesem Bereich bedürfe es, so der Mediziner, deshalb nicht.

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