'Die Habsucht, die ein Götzendienst ist'

27. September 2014 in Spirituelles


Jesus geht es um die richtige Haltung zum Besitz; und die ist von Reichen wie von Armen gefordert, wobei die Versuchung der Reichen zum Festhalten offensichtlich die größere ist. Von Bischof Heinz Josef Algermissen (Bonifatiusbote)


Fulda (kath.net/Bonifatiusbote) Je mehr einer hat, desto stärker wird die Versuchung des Festhaltens. Nicht von ungefähr weist Jesus immer wieder auf die Gefahren des Reichtums, der Habsucht und des Geizes hin: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“ (Mt 19, 24). „Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er sich nicht von seinem ganzen Besitz lossagt“ (Lk 14, 33). „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen“, sagt Jesus dem jungen Mann. Dieser aber „ging traurig weg, denn er hatte ein großes Vermögen“ (Mt 19, 21f). Der Apostel Paulus spricht sogar von der „Habsucht, die ein Götzendienst ist“ (Kol 3, 5).

Jesus hat aber keinesfalls nur die Armen wahrgenommen, er war ebenso bei Reichen zu Gast. Ihm geht es um die richtige Haltung zum Besitz; und die ist von Reichen wie von Armen gefordert, wobei die Versuchung der Reichen zum Festhalten offensichtlich die größere ist.

Die Armut des Evangeliums wird zu einer geistlichen Grundhaltung. Sie hat jene im Blick, die bis in die innerste Schicht ihres Herzens für Gott empfänglich sind. „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5, 3), das ist das Vorzeichen vor der Klammer aller Seligpreisungen im Matthäus-Evangelium. Menschen sind gemeint, die an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen sind. In der ersten Seligpreisung spiegelt sich die Erfahrung Jesu und der Urgemeinde wider, dass die Armen sich offener dem Evangelium zuwenden als die Reichen, die mit sich selbst und ihrem Besitz ausgefüllt sind.

Das Bedürfnis nach Habe ist grundsätzlich noch nicht Sünde, sonst gäbe es keine vernünftige Wirtschaft und keinen funktionierenden Markt. Aber den Grundbedürfnissen stecken offensichtlich Tendenzen zur Übertreibung inne, die aus der gesunden Suche nach Besitz eine Sucht machen, weil die Habe zum Götzen wird. Genau deshalb hat Habsucht etwas Fesselndes. Der Geiz und das Nicht-teilen-können machen krank vor lauter Sorge und Angst, etwas zu verlieren oder zu wenig zu haben.

Wenn wir in die Schule des hl. Franziskus, dessen Fest wir am kommenden Samstag feiern, gehen, wird uns eine Aufklärung geschenkt: Es geschieht auf dem Marktplatz von Assisi. Nachdem sich Franziskus aller seiner Kleider entledigt hat, kommt er nackt zurück, legt Kleider und Geld vor dem Bischof und vor seinem Vater in Gegenwart aller anderen nieder und sagt: „Hört, ihr alle, und versteht es wohl: Bis jetzt nannte ich Pietro Bernardone meinen Vater; aber da ich nun den Vorsatz habe, dem Herrn zu dienen, gebe ich ihm das Geld zurück, um das er sich aufgeregt hat, nebst allen Kleidern, die ich aus seinem Eigentum besitze. Und von nun an will ich sagen: Vater unser, der du bist im Himmel, und nicht mehr: Vater Pietro Bernardone“.

Franziskus ist fähig zu einer Ablösung, die uns allen Angst machte.

Und später lässt er sich im Angesicht seines Todes auf den Steinfußboden der Kirche S. Maria di Portiuncula legen. Radikales Zeichen einer menschlichen Befindlichkeit und Wahrheit, die wir zumeist nicht wahrhaben wollen oder verdrängen: Dass wir alle nackt zur Welt kommen und uns nackt von ihr verabschieden müssen, grundsätzlich arm und angewiesen auf Gottes Gnade.

Foto Bischof Algermissen (c) Bistum Fulda


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