Wehrhafte Friedensstifter gesucht

16. September 2014 in Kommentar


Zur Debatte über militärisches Eingreifen in Krisenländern. Von Steffen Kern (idea)


Stuttgart (kath.net/idea) Krieg und Frieden sind wieder ein Thema, das ganz oben auf der Tagesordnung steht: in den Schlagzeilen der Gazetten, auf der politischen Agenda und in kirchlichen Stellungnahmen. Diese Welt hat so viele wunde Punkte. Die Brandherde rücken näher. Europa, auch Deutschland, ist nicht außen vor, wenn in der Ukraine gekämpft wird und wenn der Terror überhandnimmt wie in Israel, in Syrien und im Irak. Abscheuliche Verbrechen und grausamste Barbarei treiben ihr Unwesen in einem unerträglichen Maß. Die neuen Medien machen die Welt zu Augenzeugen von Enthauptungen, Schändungen und Freveltaten. Wegsehen geht nicht und gilt nicht. Wir haben Verantwortung.

Was können wir Christen tun?

Aber was können wir als Christen tun? Wir beten um Frieden. Wir beten für Politiker und Verantwortliche, die den Frieden suchen mit allen Mitteln der Diplomatie und der Verhandlungen.

Wir beten aber auch für die Soldaten, die mit einem Mandat des Rechts gegen Terroristen und Aggressoren vorgehen und ihr Leben dabei aufs Spiel setzen. Beten, den Frieden zu suchen und Menschen im äußersten Fall auch militärisch zu schützen und Terroristen zu wehren – all das schließt sich gerade nicht aus, es gehört vielmehr zusammen. Alles gehört zu unserer christlichen Verantwortung für diese Welt, in der so vieles im Argen liegt.

Die Bundeswehr abschaffen? Weltfremd!

Es ist darum eine buchstäblich weltfremde Wunschvorstellung, wenn in den letzten Wochen angeregt wurde, die Bundeswehr abzuschaffen. Denn Frieden und Gerechtigkeit küssen sich noch nicht. Das Friedensreich Gottes ist noch nicht vollendet. Das wird Gott selber tun, wie er es verheißen hat. Aber wir dürfen die Verheißungen der Eschatologie (Vollendung des Reiches Gottes) nicht zum Prinzip unserer politischen Ethik machen – oder einfacher gesagt: Was Gott versprochen hat zu tun, können wir nicht an seiner Stelle tun. Wir leben in einer gefallenen Welt. Wir haben Verantwortung in einer Wirklichkeit, die die Signatur der Sünde trägt. Und das hat Konsequenzen.

Wer wird jetzt nicht schuldig?

Eben weil Frieden und Gerechtigkeit sich noch nicht küssen, brauchen sie Schutz. Menschenrechte, Frieden und Wohlstand brauchen Schutz vor Kriminalität und vor Krieg. Darum braucht es die Justiz, die Polizei und das Militär. Ein wirtschaftlich so starker Rechtsstaat wie Deutschland hat eine besondere Verantwortung, wenn die Welt wie jetzt im Irak aus den Fugen gerät. Ja, wer zu Waffengewalt greift, wird möglicherweise schuldig. Aber wer nicht eingreift, wenn Terror und Unrecht überhandnehmen, wird auch schuldig. Ja, es gibt nur einen gerechten Frieden und keinen gerechten Krieg. Aber gerade weil Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit maßlos werden, braucht es Menschen, die Verantwortung wahrnehmen. Ja, wir investieren zu wenig in gewaltfreie Konfliktlösungen.

Aber im Blick auf einen Tyrannen wie Hitler hat Dietrich Bonhoeffer von der Pflicht gesprochen, „dem Rad in die Speichen zu fallen“ und dem Unrecht zu wehren. So lange wir in dieser Welt jenseits von Eden leben, brauchen wir solche wehrhaften Friedensstifter.

Der Autor, Pfarrer Steffen Kern (Stuttgart), ist Vorsitzender des Evangelischen Gemeinschaftsverbandes Württemberg, „die Apis“.


© 2014 www.kath.net