Auftrag der Kirche, den Menschen absichtslos zu helfen

6. September 2014 in Kommentar


Gastkommentar von Michael Prüller, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, zur Diskussion rund um einen geplanten multireligiösen ‚Raum der Stille’ am Wiener Hauptbahnhof


Wien (kath.net)
kath.net-Kommentator Johannes Graf hatte sich vergangene Woche in einem Kommentar kritisch zu einem geplanten multireligiöser ‚Raum der Stille’ am Wiener Hauptbahnhof geäußert. kath.net veröffentlicht dazu eine Replik von Michael Prüller (Foto), Pressesprecher der Erzdiözese Wien:

Ich möchte den Gastkommentar von Johannes Graf zur demnächst eröffneten Kapelle am Wiener Hauptbahnhof in einigen Punkten korrigieren bzw. ergänzen. Es ist schade, dass er offenbar nur die knappe kathpress-Meldung zu diesem Thema herangezogen hat, nicht aber die bisher erschienenen Informationen, etwa den ausführlichen Artikel im „Sonntag“ vom 5. Jänner (auf der Homepage der Erzdiözese). Daraus geht klar hervor, dass es sich um eine katholische Kapelle handelt. Die Rede ist von einer „Bahnhofs-Kirche“ mit dem Charakter eines „Raumes der Stille“ – ein in der Stadtmission heute üblicher Terminus für Kapellen, die betont schlicht und vor allem spirituell möglichst „barrierefrei“ gestaltet sind.

Dennoch handelt es sich eindeutig um einen katholischen Sakralraum, verbunden mit der Einladung zur interreligiösen Gastfreundschaft. Für Zwecke in diesem Zusammenhang ist der Altar entfernbar – aber allein schon, dass normalerweise dort ein Altar steht, hätte den Autor darauf bringen können, dass es sich um eine „richtige“ Kapelle handelt. Auf der genannten Webseite der Erzdiözese (und damals im „Sonntag“) wird auch ein Modell der Kapelle gezeigt, in dem der Altar und das am Frontende angebrachte Kreuz zu sehen sind. Ich möchte auch unseren Baudirektor Harald Gnilsen zitieren, der im „Sonntag“ gesagt hat: „Wir haben einen schlichten ovalen Raum, der sehr kontemplativ ist. Es gibt eine leichte Zugänglichkeit. Wenn ich drinnen bin, bin ich nicht in einer Auslage. Hier kann man Kerzen anzünden, vor dem Allerheiligsten beten und auch zusammenkommen, um eine heilige Messe zu feiern."

Was mich aber eigentlich am Kommentar enttäuscht, ist, dass Mission als etwas erscheint, was ausschließlich vermittels vollausgerüsteter Kirchen oder Kapellen funktioniert. Die Realität lehrt uns täglich etwas anderes: Mission braucht vielfältige Ansätze. Es gibt Menschen, die unmittelbar vom katholischen Kern berührt werden, die als atheistische Touristen eine Kirche besuchen und sie als Gläubige wieder verlassen. Der Dichter Paul Claudel war so jemand. Und über das, was in Medgugorie passiert, muss ich in diesem Kreis auch nicht extra schreiben. Aber viele Außenstehende finden erst durch einen langen Weg der behutsamen Annäherung – meist ein Weg von zwei Schritte vor und einer zurück – zur erlösenden Wahrheit des Glaubens. Oft sehen wir auch, dass Menschen, deren Glaube in der Hektik des Alltags verschüttet wurde, ihn in der Stille wiederzuentdecken beginnen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Raum, der diese Stille bietet, deutlich als katholisches Hoheitsgebiet markiert ist. Die Betrachtung im Gebet der Hl. Mutter Teresa funktioniert auch bei weggeschobenem Altar: „Die Frucht der Stille ist das Gebet./Die Frucht des Gebetes ist der Glaube…“

Weil es so viele Wege zu Gott gibt, gibt es auch ganz unterschiedliche missionarische Konzepte – und kein einziges passt für alle Fälle. Gerade in hektischen Bahnhöfen – die Kapelle am Hauptbahnhof befindet sich noch dazu zwischen U-Bahn und Einkaufszentrum – haben missionarische Initiativen immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ein Raum der Stille gern genutzt wird und einen hervorragenden Raum für einen missionarischen Kontakt bietet. Mehr als eine Kapelle, die so wahrgenommen wird, als ob sie von Katholiken für Katholiken betrieben würde, und daher hohe Eintrittsbarrieren hat.

Darüber hinaus ist es auch Auftrag der Kirche, den Menschen absichtslos zu helfen (laut Benedikt XVI. beginnt so die eigentliche Mission) – zum Beispiel Menschen, die der inneren Sammlung bedürfen oder unter der Hektik leiden. Menschen aller Religionen und Bekenntnisse.

Ich möchte gerne drei Einladungen aussprechen. Die erste: Wenn man schon meint, urteilen zu müssen, dies nicht auf den ersten Eindruck hin zu tun. Gerade Christen schulden einander den Generalverdacht, dass der andere gute Gründe für sein Tun hat. Die zweite: Nehmen Sie die Vielfältigkeit von Mission in den Blick und erkennen Sie auch diesem Raum der Stille einen Platz im missionarischen Eifer der Kirche in Wien zu. Und die Dritte: Kommen Sie doch zur Einweihung der Bahnhofskapelle mit einer Heiligen Messe mit Stadtvikar Dariusz Schutzki. Der Zeitpunkt wird rechtzeitig auf der Homepage der Erzdiözese veröffentlicht.

Eine ernsthafte Diskussion über die besten Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen der missionarischen Kirche im 21. Jahrhundert führen wir immer gerne.

Foto Pressesprecher Prüller (c) Erzdiözese Wien



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