Vatikan: Anklageschrift gegen islamistischen Terror im Irak

12. August 2014 in Aktuelles


Radio Vatican nannte die Vatikanerklärung vom Dienstag „ungewöhnlich deutlich formuliert“. Die „religiösen Verantwortlichen, besonders die muslimischen“, werden zu einer „klaren und mutigen Stellungnahme“ zu den Vorgängen im Irak aufgefordert.


Vatikan (kath.net/RV) Mit äußerster Entschiedenheit wies der von Kardinal Jean-Louis Tauran geleitete Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog die Praktiken des „Islamischen Staates“ zurück. In der Erklärung vom Dienstag werden die „religiösen Verantwortlichen, besonders die muslimischen“, zu einer „klaren und mutigen Stellungnahme“ zu den Vorgängen im Irak aufgefordert. Das berichtete „Radio Vatican“. Das durch die die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (ISIS oder IS) sogenannte „Kalifat“ ist Ende Juni 2014 ausgerufen worden.

Die Erklärung listet zahlreiche und „unsägliche kriminelle Handlungen“ durch die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ auf:

- die Massaker an Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit

- die „grauenhafte Praxis der Enthauptung, der Kreuzigung und des Aufhängens von Leichen an öffentlichen Plätzen“

- die erzwungene Wahl für Christen und Jesiden, zu konvertieren, eine bestimmte Steuer zu zahlen oder zu flüchten

- die Vertreibung „zehntausender Menschen“, darunter Kinder, Alte, Schwangere und Kranke

- die Entführung christlicher und jesidischer Frauen und Mädchen „als Kriegsbeute“

- die Auferlegung der „barbarischen Praxis“ der Genitalverstümmelung an Frauen

- die Zerstörung christlicher und muslimischer Kultorte

- die Besetzung und Entweihung von Kirchen und Klöstern

- die Zerstörung christlicher und anderer religiöser Symbole

- die „niederträchtige Gewalt mit dem Ziel, die Menschen zu terrorisieren und sie zu zwingen, sich auszuliefern oder zu flüchten“.

Die Mitteilung aus dem Vatikan sei „ungewöhnlich deutlich formuliert“, stellte Radio Vatican fest. „Kein Grund“, erst recht kein religiöser, könne „eine solche Barbarei rechtfertigen“. Christen und Muslime hätten über Jahrhunderte nebeneinander gelebt, durchaus „mit Höhen und Tiefen“, doch sie hätten eine Zivilisation geschaffen, „auf die sie stolz sind“. Auf dieser Grundlage habe sich in den vergangenen Jahren auch der christlich-muslimische Dialog entwickelt.

Angesichts der dramatischen Lage der Christen, Jesiden und anderen Religionsgemeinschaften im Irak brauche es nun eine einstimmige Verurteilung der Vorgänge im „Kalifat“. Religionsvertreter, „besonders muslimische“, Exponenten des interreligiösen Dialogs und „alle Menschen guten Willens“ müssten „einmütig und ohne Zweideutigkeiten“ die Verbrechen der islamistischen Terrorgruppe im Irak verurteilen und ihre Berufung auf religiöse Motive zurückweisen. Denn die Glaubwürdigkeit der Religionen, ihrer Anhänger und ihrer Oberhäupter stehe auf dem Spiel. Der Vatikan wies auch darauf hin, dass die Mehrheit der islamischen Institutionen in Religion und Politik die Wiedererrichtung des Kalifats durch die Dschihadisten der Organisation „Islamischer Staat" ablehne.

Auch müssten die Religionsvertreter ihren Einfluss bei den Regierungen geltend machen, damit die Verbrechen aufhören, die Täter bestraft werden und ein Rechtsstaat in dem Krisengebiet entstehe, damit die Vertriebenen zurückkehren können.

Außerdem beinhaltete die Erklärung einen neuerlichen Appell gegen den Waffenhandel. „Die religiösen Führer werden nicht verabsäumen zu unterstreichen, dass die Unterstützung, Finanzierung und Bewaffnung des Terrorismus moralisch verwerflich sind.“ Die Erklärung endet mit dem Appell von Papst Franziskus von Ende Juli: „Der Gott des Friedens erwecke in allen ein echtes Verlangen nach Dialog und Versöhnung. Gewalt besiegt man nie mit Gewalt. Gewalt besiegt man mit dem Frieden!“

kath.net dokumentiert die Erklärung des Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog vom 12.8.2014 in voller Länge in einer Arbeitsübersetzung in die englische Sprache

The whole world has witnessed with incredulity what is now called the "Restoration of the Caliphate," which had been abolished on October 29,1923 by Kamal Ataturk, founder of modern Turkey. Opposition to this "restoration" by the majority of religious institutions and Muslim politicians has not prevented the "Islamic State" jihadists from committing and continuing to commit unspeakable criminal acts.

This Pontifical Council, together with all those engaged in interreligious dialogue, followers of all religions, and all men and women of good will, can only unambiguously denounce and condemn these practices which bring shame on humanity:

-the massacre of people on the sole basis of their religious affiliation;

-the despicable practice of beheading, crucifying and hanging bodies in public places;

-the choice imposed on Christians and Yezidis between conversion to Islam, payment of a tax (jizya) or forced exile;

-the forced expulsion of tens of thousands of people, including children, elderly, pregnant women and the sick;

-the abduction of girls and women belonging to the Yezidi and Christian communities as spoils of war (sabaya);

-the imposition of the barbaric practice of infibulation;

-the destruction of places of worship and Christian and Muslim burial places;

-the forced occupation or desecration of churches and monasteries;

-the removal of crucifixes and other Christian religious symbols as well as those of other

religious communities;

-the destruction of a priceless Christian religious and cultural heritage;

-indiscriminate violence aimed at terrorizing people to force them to surrender or flee.

No cause, and certainly no religion, can justify such barbarity. This constitutes an extremely serious offense to humanity and to God who is the Creator, as Pope Francis has often reminded us. We cannot forget, however, that Christians and Muslims have lived together - it is true with ups and downs - over the centuries, building a culture of peaceful coexistence and civilization of which they are proud. Moreover, it is on this basis that, in recent years, dialogue between Christians and Muslims has continued and intensified.

The dramatic plight of Christians, Yezidis and other religious communities and ethnic minorities in Iraq requires a clear and courageous stance on the part of religious leaders, especially Muslims, as well as those engaged in interreligious dialogue and all people of good will. All must be unanimous in condemning unequivocally these crimes and in denouncing the use of religion to justify them. If not, what credibility will religions, their followers and their leaders have? What credibility can the interreligious dialogue that we have patiently pursued over recent years have?

Religious leaders are also called to exercise their influence with the authorities to end these crimes, to punish those who commit them and to reestablish the rule of law throughout the land, ensuring the return home of those who have been displaced. While recalling the need for an ethical management of human societies, these same religious leaders must not fail to stress that the support, funding and arming of terrorism is morally reprehensible.

That said, the Pontifical Council for Interreligious Dialogue is grateful to all those who have already raised their voices to denounce terrorism, especially that which uses religion to justify it.

Let us therefore unite our voices with that of Pope Francis: "May the God of peace stir up in each one of us a genuine desire for dialogue and reconciliation. Violence is never defeated by violence. Violence is defeated by peace."

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