Der Papst in Gomorrha

24. Juli 2014 in Aktuelles


Franziskus besucht am Wochenende die Mafia-Hochburg Caserta - Von Thomas Jansen (KNA)


Rom (kath.net/KNA) Gott hatte kein Erbarmen mit Gomorrha. Er vernichtete die sündige und ruchlose Stadt, nachdem er nicht einmal zehn Gerechte dort vorgefunden hatte. So berichtet es die Bibel. Am Samstag besucht nun der Papst Gomorrha, das italienische: Franziskus reist in die kampanische Provinzstadt Caserta nördlich von Neapel.

Den Namen «Gomorrha» verdankt die Region zwischen Caserta und Neapel vor allem dem Bestsellerautor Roberto Saviano, der 2006 sein millionenfach verkauftes Buch über die Camorra, die Mafia von Neapel, so betitelte. Der Landstrich gilt als Hochburg des organisierten Verbrechens. «Terra dei fuochi», «Land der Feuer» wird die Region teils auch genannt. Die Camorra verbrennt hier im großen Stil illegal Abfälle. Viele Bewohner erkranken durch die giftigen Dämpfe an Krebs, etliche sind bereits daran gestorben.

Alle Legenden vom frommen Mafia-Paten hatte Franziskus jüngst in einer anderen italienischen Hochburg des organisierten Verbrechens, in Kalabrien, zertrümmert: «Jene, die dieser Straße des Bösen folgen, wie die Mafiosi, sind nicht in Gemeinschaft mit Gott, sie sind exkommuniziert», sagte er im Juni. Unklar blieb allerdings, wie diese Aussage genau zu verstehen ist. Denn das katholische Kirchenrecht kennt keine Exkommunikation ganzer Gruppen. Möglich wäre demnach nur eine Exkommunikation von Einzelpersonen aufgrund bestimmter schwerwiegender Delikte wie etwa Mord. Vieles spricht dafür, dass der Papst ein deutliches Signal setzen, nicht aber das Kirchenrecht ändern wollte.

Soviel steht jedenfalls fest: Die Botschaft fand auch in der Unterwelt Gehör: In einer Haftanstalt in der mittelitalienischen Region Molise weigerten sich rund 200 Mafiosi, am katholischen Sonntagsgottesdienst teilzunehmen. Ihre Begründung: Was bringt uns die Messe noch, wenn wir ohnehin exkommuniziert sind.

Andernorts zeigte sich die ehrenwerte Gesellschaft weniger beeindruckt und demonstrierte ihre Macht. Im süditalienischen Oppido Mamertina hielt eine Marienprozession Anfang Juli für eine Ehrenbezeugung vor dem Haus eines inhaftierten Mafiabosses an. Der örtliche Pfarrer soll der Cousin des Mafioso sein. Der Bürgermeister bestritt die Darstellung, der Journalist, der den Vorgang aufdeckte, lebt heute unter Polizeischutz. Die Italienische Bischofskonferenz äußerte sich empört. Andere kirchliche Prozessionen in Süditalien wurden abgesagt, weil die Mafia ihre Finger im Spiel hatte. Der Erzbischof von Reggio Calabria, Giuseppe Fiorini Morosini, schlug dem Papst sogar vor, vorübergehend auf Tauf- und Firmpaten zu verzichten, um den Mafiosi den Zugriff auf Jugendliche zu erschweren.

Auch die Priester in Caserta dürfte die jüngste Aussage von Franziskus vor Herausforderungen stellen. Nach Ansicht des Generalsekretärs der Italienischen Bischofskonferenz, Nunzio Galantino, muss sich jeder Geistliche nun fragen, ob er einem als Mafioso bekannten Gemeindemitglied noch die Sakramente spenden könne.


Franziskus reist gleich zweimal nach Caserta, und das binnen drei Tagen, am Samstag und am Montag. Das ist höchst ungewöhnlich. Ursprünglich wollte der Papst am Samstag nur einen befreundeten evangelikalen Pfarrer in Caserta besuchen. Der Bischof der Stadt, Giovanni D'Alise, machte ihn nach eigenen Angaben dann jedoch darauf aufmerksam, dass die Kirche in Caserta am 26. Juli ihr Patronatsfest begehe. Und so trifft er am Samstag zunächst hinter verschlossenen Türen mit den Priestern des Bistums zusammen und feiert anschließend einen Gottesdienst unter freiem Himmel, zu dem 200.000 Menschen erwartet werden.

Vom Zeitplan her hätte der Papst wohl auch den evangelikalen Pfarrer Giovanni Traettino noch am Samstag besuchen können. Doch dann wäre der «rein private» Charakter, den diese bislang beispiellose Begegnung nach vatikanischen Angaben haben soll, weniger deutlich geworden. Als bibelfestem Evangelikalem steht Traettino das Schicksal Gomorrhas vermutlich deutlicher vor Augen als manchem Katholiken.

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