Hier muss eine Erschütterung durch Europa gehen!

25. Juli 2014 in Deutschland


Kardinal Marx bei Gedächtnisfeier für Kardinal Döpfner bestürzt über Christenverfolgung im Irak: Führende Muslime in der ganze Welt sollen sich davon distanzieren


München (kath.net/pm) Kardinal Reinhard Marx hat sich bestürzt über das Ausmaß der Christenverfolgung im Irak gezeigt. „Hier muss eine Erschütterung durch Europa gehen, durch unser Land, dass wir nicht nur Mitleid haben, sondern auch Solidarität“, sagte der Erzbischof von München und Freising bei einem Gedächtnisgottesdienst anlässlich des Todestages von Kardinal Julius Döpfner am Donnerstag im Münchner Liebfrauendom. Kardinal Marx appellierte an die politisch Verantwortlichen, sich für die verfolgten Christen einzusetzen. Zugleich wandte sich der Erzbischof, der sich auch besorgt über die Sprengung schiitischer Moscheen im Irak durch radikale Islamisten äußerte, an „die führenden Muslime in der ganzen Welt, dass sie sich davon distanzieren, dass sie deutlich machen, dass das nicht ihre muslimische Tradition ist, andere Menschen zu verfolgen und zu töten, Gotteshäuser – ob Moscheen oder Kirchen – niederzubrennen“.

Bei dem Gedächtnisgottesdienst lenkte Marx den Blick auch auf die kriegerischen Auseinandersetzungen im Heiligen Land verbunden mit einem „Aufruf für Frieden und Versöhnung“. Der Kardinal erinnerte an die Worte von Papst Franziskus beim Treffen mit Israels Staatschef Schimon Peres und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: „Frieden erfordert mehr Mut als der Krieg.“ Zugleich warnte Kardinal Marx vor einem zunehmenden Antisemitismus, wie er sich auch in Deutschland bei Demonstrationen gegen Israel zeige. Marx forderte dazu auf, hier Verantwortung zu übernehmen und sich entschieden gegen diese Entwicklung zu stellen: „Der Antisemitismus ist eine furchtbare Entgleisung, ganz gleich, unter welchem Vorwand er sich zeigt, gerade in unserem Land. Antisemitismus ist zutiefst unchristlich.“

Verantwortung im Großen wie im Kleinen zu übernehmen, lehre insbesondere das Beispiel von Kardinal Julius Döpfner, erklärte Marx. Döpfner habe die Chance genutzt, „seine Zeitstunde anzunehmen, zu ergreifen und zu gestalten“. Es entspreche dem christlichen Menschenbild, „dass wir erkennen, was wir zu tun haben, nicht, dass Gott unsere Probleme löst“. Die Botschaften, die Christus den Menschen in Bildern und Gleichnissen vor Augen stellte, seien „Prinzipien, die je neu angewandt werden müssen“, führte Marx aus. Jesus nehme „uns keine Entscheidungen ab, sondern mutet sie uns zu“. Es gelte, die Freiheit in Verantwortung zu nutzen. „Die Bibel und die Evangelien sind kein Rezeptbuch, sondern ein Orientierungsbuch“, so der Kardinal.

Kardinal Julius Döpfner, in Hausen bei Bad Kissingen geboren, prägte das kirchliche Leben in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die siebziger Jahre hinein. Er war Bischof von Würzburg, Bischof von Berlin und ab 1961 Erzbischof von München und Freising. Von 1965 bis zu seinem Tod am 24. Juli 1976 saß er der Deutschen Bischofskonferenz vor, er war einer der vier Moderatoren des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und Präsident der Würzburger Synode (1971-1975). Sein Wirken war motiviert von der Vision einer Kirche, die sich selbst ständig prüft, reformiert und erneuert („ecclesia semper reformanda“). In der Aufbruchstimmung vor und nach dem Zweiten Vatikanum war Döpfner auf den Ausgleich zwischen den divergierenden Richtungen innerhalb der katholischen Kirche bedacht.


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