Reagiert Israel angemessen?

16. Juli 2014 in Kommentar


Pro & Kontra: Derzeit vergeht kein Tag, ohne dass in Israel Raketen der islamischen Terrorgruppe Hamas einschlagen. Als Gegenreaktion beschießt Israel gezielt Einrichtungen in Gaza, in denen es Waffenlager vermutet.


Wetzlar (kath.net/idea) Derzeit vergeht kein Tag, ohne dass in Israel Raketen der islamischen Terrorgruppe Hamas einschlagen. Als Gegenreaktion beschießt Israel gezielt Einrichtungen in Gaza, in denen es Waffenlager vermutet. Dabei sind schon über 190 Menschen – darunter auch viele Zivilisten – getötet worden. Eine Bodenoffensive ist möglich. Reagiert Israel angemessen?

PRO
Wer beurteilen will, ob Israel angemessen handelt, muss sich Gedanken darüber machen, an welchem Maßstab das Handeln des jüdischen Staates gemessen werden soll. Die Aufgabe des Staates Israel ist, seine Bürger zu schützen. Ist dieser Auftrag Maßstab, fällt die Antwort gemischt aus.

Nach wie vor fallen Raketen auf Israel. Laut den Abkommen von Oslo hätte Israel die Außengrenzen zu kontrollieren, einschließlich der der Palästinensischen Autonomie.

Trotzdem besitzen Islamisten im Gazastreifen mittlerweile mehr als 10.000 Raketen. Auch ist Israel nicht gelungen, seine Nachbarn umzustimmen. Die Vernichtung Israels ist nach wie vor erklärter Wille einer Mehrheit der Palästinenser. Insofern hat Israel nicht angemessen gehandelt, vielleicht sogar versagt. Andererseits hat Israel erstaunliche Ergebnisse beim Schutz seiner Zivilbevölkerung vorzuweisen. Zigtausende Raketen konnten überraschend wenig Schaden anrichten. Möglicherweise ist ein Ende des Raketenzeitalters absehbar.

Ich nehme an, dass Willen, Zielsetzung, Fähigkeiten oder Mittel islamistischer Organisationen nicht als Maßstab für das Handeln Israels infrage kommen. Sonst müsste es sich nämlich die Vernichtung der Palästinenser auf die Fahnen schreiben und so viele palästinensische Zivilisten wie möglich umbringen.

Wenn ein Gewaltverbrecher seinem Opfer gegenüber steht, sind akademische Überlegungen zu Angemessenheit oder Proportionalität unmoralisch. Dann ist es Aufgabe eines jeden rechtsstaatlichen Sicherheitsapparats, diesen mit allen Mitteln an der Ausführung seiner Absichten zu hindern. Wer völkermörderische Zielsetzungen offen erklärt, muss mit überwältigender Gewalt rechtzeitig an deren Verwirklichung gehindert werden.

Der Autor, Johannes Gerloff (Jerusalem), ist Nahost-Korrespondent des Christlichen
Medienverbundes KEP.

KONTRA
Seitdem die israelischen Militärschläge gegen die Hamas im Gazastreifen begonnen haben, ist es zu großer Zerstörung und heftigem Leid gekommen. Über 190 – meist unschuldige – Palästinenser sind gestorben. Es ist keine Frage: Die Hamas hat mit dem Raketenbeschuss auf Israel begonnen. Israel reagiert und greift ausgewählte Ziele an. Doch wir hoffen sehr, dass Israel den Raketenbeschuss bald einstellt. Selbst wenn das geschieht, werden wir als arabische Christen die Auswirkungen dieser Eskalation weiterhin zu spüren bekommen. Es wird mehr Opfer, mehr Hass und größere Hoffnungslosigkeit geben – auf beiden Seiten. Denn die hässlichen Gewalttaten haben die Spannung im Heiligen Land verstärkt.

Auf der einen Seite steht die jüdische Mehrheit, von der wohl die meisten die Vergeltungsschläge unterstützen; die andere Seite bildet die israelisch-arabische Minderheit, die die Angriffe ablehnt. Die Entwicklungen beunruhigen uns israelische Araber. Wir haben Angst vor einem zunehmenden Rassismus, mehr Vorurteilen und einer größeren Diskriminierung. Und natürlich sind wir in großer Sorge um unsere Freunde und Angehörigen in der Westbank und im Gazastreifen.

Wie können wir Christen auf diese Gewalt und den Hass reagieren?

Erstens müssen wir für die führenden Politiker auf beiden Seiten beten. Sie müssen den Weg des Friedens beschreiten und nicht den des Krieges.

Zweitens ist es wichtig, für diejenigen zu beten, die Angehörige verloren haben.

Drittens müssen wir um Weisheit für die christlichen Leiter bitten, dass es ihnen gelingt, Instrumente des Friedens und der Versöhnung in dieser schwierigen Situation zu sein.

Und zu guter Letzt müssen wir uns trauen, mutig dafür vor Gott einzutreten, dass eine gerechte politische Lösung gefunden wird. Nur so kann es zu einem echten Frieden kommen.

Der Autor, Pastor Azar Ajaj, ist Direktor des Evangelisch-Theologischen Seminars in Nazareth.


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