Wofür unser Herz brennt

2. Juli 2014 in Spirituelles


Zu der großen Zahl an Medienmeldungen über Not, Leid und Krieg. Von Ulrich Giesekus


Freudenstadt (kath.net/idea) Bürgerkriege in Syrien und der Ukraine, WM-Milliarden auf Kosten der Ärmsten, Sexualisierung schon bei Kindern, Zwangsprostitution in Deutschland, Fracking und Gift im Boden, Boko Haram und entführte Schülerinnen, Christenverfolgung im Sudan, entführte Israelis, Flüchtlingselend dort und Fremdenfeindlichkeit hier … so viel schreit zum Himmel! Und vermutlich gibt es jetzt schon Leser, die sich daran stören, dass dieser oder jener Punkt in meiner Beispielliste fehlt oder vorkommt. Aber: Nicht jeden bewegt jedes Thema. Und während der eine sich über Bildungspläne aufregt, wird es dem anderem übel, wenn Kinder im Namen Gottes geprügelt werden.

Wenn uns die Not kaltlässt …

Gut, dass es Medien gibt, die uns informieren. Das Problem: Wir können die vielen Informationen aus aller Welt nicht alle emotional verdauen. Der Fachbegriff „Compassion Fatigue“ (auf Deutsch etwa „Mitgefühlserschlaffung“) bezeichnet eigentlich etwas Grauenvolles – nämlich dass wir von schrecklichen Dingen erfahren und unberührt bleiben. Dass die Not uns kaltlässt. Gleichzeitig ist dieses „dicke Fell“ ein Schutzmechanismus. Wenn wir nicht nur informiert, sondern bombardiert werden mit Schreckensbildern und Untergangsszenarien aus der ganzen Welt, dann müssen wir „zumachen“. Wir können uns bei manchen Themen emotional engagieren, aber nicht überall.

Wem alles gleich gültig ist, der wird am Ende gleichgültig. Gut möglich, dass Gott uns im Einzelnen eine ganz spezielle „Last“ auflegt – aber auch gut möglich, dass es einfach wir selbst sind, die sich aufgrund persönlicher Meinungen und (Vor-)Urteile aufregen oder falsch besänftigen. Von solchen Vorgängen berichtet auch die Bibel: Propheten, die eigene Wohlstandsträume als göttliche Vision verkaufen oder ständig von der „Last“ schwafeln, die ihnen Gott auferlegt habe, erfahren durch Jeremia, dass sie selbst für Gott eine Last sind (Jeremia 23).

Haben wir keine anderen Sorgen?

Meine „Last“ ist also nicht immer gleich die „Last Gottes“. Bleiben wir bescheiden und erheben unsere Lieblingsthemen nicht zu den entscheidenden Glaubensfragen! Auch mich nerven die evangelikalen Diskussionen oft, weil einige vieldiskutierte Themen mir nicht wirklich relevant scheinen: „Haben wir Christen wirklich keine anderen Sorgen?“

Ich persönlich wünsche mir, dass wir leidenschaftlich Stellung beziehen gegen globales Unrecht und Ungerechtigkeit, für Schwache und Arme, nicht ganz so zufrieden mit uns selbst sind und nicht so oft mit dem Finger auf „die anderen“ zeigen.

Und dass wir dann als Nachfolger Christi engagiert dafür beten und arbeiten, wofür unser Herz brennt.

Der Autor, Ulrich Giesekus (Foto), ist Professor für Psychologie und Beratung an der Internationalen Hochschule Liebenzell sowie Klinischer Psychologe in freier Praxis.

Foto Giesekus (c) Ulrich Giesekus


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