Theologen: Glaubenspraxis der Mehrheit nicht ausschlaggebend

24. Juni 2014 in Weltkirche


Die Kirche begrüße die menschlichen und moralischen Werte der Demokratie, sei jedoch selbst nicht demokratisch verfasst, heißt es in einem neuen Dokument der Internationalen Theologenkommission.


Vatikanstadt (kath.net/KNA) Die Glaubenspraxis einer Mehrheit der Katholiken kann nach Auffassung von theologischen Beratern des Vatikan nicht ausschlaggebend für die kirchliche Lehre sein. Die Kirche begrüße die menschlichen und moralischen Werte der Demokratie, sei jedoch selbst nicht demokratisch verfasst, heißt es in einem neuen Dokument der Internationalen Theologenkommission.

Eine vatikanische Umfrage über Familie, Ehe und Sexualität hatte im deutschsprachigen Raum wie auch in anderen Weltregionen eine große Kluft zwischen Glaubenspraxis und kirchlicher Lehre offenbart. Seither wird debattiert, welche Auswirkungen dies für die Familiensynode hat, die im Herbst im Vatikan tagt. Der internationalen Theologenkommission, einem Beratungsgremium der Glaubenskongregation, gehören rund 30 vom Papst berufene Theologen aus aller Welt an. Geleitet wird sie vom Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Müller.

Die einfachen Gläubigen müssten zwar umfassend in die Entscheidungsfindung des kirchlichen Lehramtes eingebunden werden, schreiben die Theologen. Die Entscheidung selbst müsse jedoch dem kirchlichen Lehramt vorbehalten bleiben. Allerdings spricht das auf der Internetseite der Kommission veröffentlichte Dokument auch davon, dass eine Kluft zwischen Glaubenspraxis und kirchlicher Lehre in bestimmten Fällen ein Indiz dafür sein könne, dass eine Entscheidung des kirchlichen Lehramtes ohne ausreichende Berücksichtigung des Glaubenssinnes einfacher Katholiken gefällt worden sei. Mögliche Konsequenzen aus einem solchen Befund werden nicht genannt.

Im Mittelpunkt des Schreibens mit dem Titel «'Sensus Fidei' im Leben der Kirche» steht die Lehre vom sogenannten Glaubenssinn (Sensus Fidei). Dieser wird als eine «Art geistlicher Instinkt» definiert, der die Gläubigen befähige, spontan zu erkennen, «ob eine bestimmte Lehre oder Praxis in Einklang mit dem Evangelium und dem apostolischen Glauben steht». Er dürfe jedoch nicht mit der Mehrheitsmeinung gleichgesetzt werden.

Der Begriff «Glaubenssinn» (Sensus Fidei) wird erstmals vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) gebraucht und definiert, hat der Sache nach aber eine längere theologische Tradition. Papst Franziskus hob mehrfach hervor, dass das kirchliche Lehramt den Glaubenssinn der einfachen Katholiken beachten müsse.

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