Mythos und Wirklichkeit der Zweitehe in der Orthodoxie

4. Juni 2014 in Weltkirche


Die orthodoxen Kirchen unterscheiden zwischen der ersten und der zweiten Ehe. Nur die erste Ehe ist ein Sakrament


Rom (kath.net/jg)
In der Diskussion um die Zulassung von zivilrechtlich geschiedenen und wieder verheirateten Personen zur Kommunion wird häufig auf die orthodoxen Kirchen verwiesen. Diese würden einer verbreiteten Ansicht zufolge eine zweite und sogar dritte Ehe ermöglichen und die wieder verheirateten Personen zur Kommunion zulassen.

Der Vatikanexperte Sandro Magister hat einen Artikel von Nicola Bux zu diesem Thema veröffentlicht (siehe Link am Ende des Artikels). Bux ist Professor für Liturgie und Sakramentaltheologie an der theologischen Fakultät der Universität Bari und Berater der Gottesdienstkongregation.

Die Orthodoxie habe zwischen der ersten und zweiten Ehe immer einen Unterschied gemacht. Dieser beziehe sich nicht nur auf den Ritus sondern auch auf das Wesen der Ehe, schreibt Bux.

Die orthodoxen Kirchen akzeptieren eine zweite Heirat von Personen, deren erste Ehe von der Kirche aufgelöst wurde. Sie leiten dies von der Binde- und Lösegewalt ab, die Jesus der Kirche versprochen hat (vgl. Mt 16,19). Eine Auflösung der Ehe ist unter bestimmten Bedingungen möglich, etwa wenn ein Ehepartner ständig Ehebruch begeht oder die Ehe nur auf dem Papier besteht.

Eine zweite Heirat ist unter dieser Voraussetzung möglich, aber nur für den unschuldigen Ehepartner, nicht für den, dessen Verhalten der Grund für die Auflösung war. Sollte auch die zweite Ehe aufgelöst werden, kann man unter den gleichen Voraussetzungen ein drittes Mal heiraten. Die orthodoxen Kirchen raten davon jedoch ab.

Für eine zweite und dritte Eheschließung sehen die orthodoxen Kirchen einen besonderen Ritus vor, der als „Bußritus“ bezeichnet wird. Dieser Ritus verzichtet auf die Krönung der Ehepartner, in welcher die orthodoxen Kirchen das wesentliche Element der Trauung sehen. Die zweite und dritte Ehe ist daher kein wirkliches Sakrament, sondern entspricht einer Sakramentalie im lateinischen Ritus.

Die nichtsakramentale Natur einer zweiten Heirat kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass keine Kommunion gespendet wird. Den Ehepartnern wird ein Kelch mit nicht konsekriertem Wein gereicht, der ein Symbol für das gemeinsame Leben ist. Dies sei ein Versuch, die Zweitehe zu „entsakramentalisieren“, schreibt Bux. Es scheine, die orthodoxen Kirchen wollten auf diesem Weg aus der Verlegenheit entkommen, in die sie die Zweit- und Drittehen gebracht hätten. Diese würden das Prinzip der Unauflöslichkeit des Bundes durchbrechen und damit genau das Gegenteil des Sakraments der Einheit – der Eucharistie – repräsentieren, erläutert der Theologe.

Ein weiteres Missverständnis spiele in der Diskussion um den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene eine wichtige Rolle, fährt Bux fort. In Teilen der katholischen Kirche habe sich die Ansicht breit gemacht, eine heilige Messe ohne Empfang der Kommunion sei nicht gültig. Bux bezeichnet dies wörtlich als „Häresie“, die dafür verantwortlich sei, dass der Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene für viele eine große Bedeutung habe.

Mit der orthodoxen Praxis habe das aber reichlich wenig zu tun, fährt Bux fort. Katechumenen und Pönitenten – zu denen auch in zweiter Ehe Verheiratete gehören – nehmen an der Feier der heiligen Messe teil, empfangen aber die Kommunion nicht.

Die Eucharistiefeier sei kein rituelles Mahl, sondern das gemeinsame Gebet der Kirche in dem der Herr mit uns bete und sich mit uns vereine, zitiert Bux Kardinal Joseph Ratzinger. Angesichts des verbreiteten Irrtums hinsichtlich des Kommunionempfanges sei es notwendig, den Wert der Eucharistiefeier in Erinnerung zu rufen, auch wenn man die Kommunion nicht empfangen könne. Verschiedene pastorale Probleme, zum Beispiel jene der geschiedenen und wieder verheirateten Personen würden automatisch viel von ihrer drückenden Last verlieren, schreibt Ratzinger.

Viele Autoren der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hätten die Theorie vertreten, die Eucharistie sei aus dem gemeinsamen Mahl Jesu mit den Sündern entstanden. Diese Theorie stehe hinter der Auffassung, die Eucharistie sei ein rituelles Mahl. Sie habe aber mit der Praxis der frühen Kirche nichts zu tun, schreibt Kardinal Ratzinger. Er erinnert an die Warnungen des Apostels Paulus. Jeder solle sich prüfen, bevor er die Kommunion empfängt, damit er sich nicht das Gericht zuzieht, wenn er isst und trinkt. Die Eucharistie sei schon damals nicht als Mahl mit den Sündern verstanden worden, sondern als Mahl mit den mit Gott Versöhnten. Das gelte auch für die byzantinische Liturgie, schreibt Bux.


Link zum Artikel (englisch): http://chiesa.espresso.repubblica.it/articolo/1350806?eng=y“


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