Der Beratungsschein ist »Passierschein ins Elend«

31. Mai 2014 in Deutschland


Engagierte Podiumsdiskussion auf Regensburger Katholikentag über den Verein »Donum Vitae«, der Beratungsscheine ausstellt – Immer wieder bedachten Anhänger von Donum Vitae die Lebensschützer-Positionen mit Buh-Rufen. Ein Gastbeitrag von Stefan Rochow


Regensburg (kath.net) »Es gibt keine Veranstaltung des Katholikentags, auf dem ein größerer Erwartungsdruck liegt.« So leitete die Programmchefin des »Rundfunks Berlin-Brandenburg« (rbb), Claudia Nothelle, die Podiumsdiskussion »Schwangerenberatung und Schwangerschaftskonfliktberatung - Zum Schutz des ungeborenen Lebens als gemeinsame Aufgabe« (Foto) am Freitag auf dem Katholikentag in Regensburg ein. Schnell wurde aber klar, dass mehr als ein Gedankenaustausch nicht erwartet werden konnte. Weit auseinander liegen die Vorstellungen der Katholischen Kirche und des Vereins »Donum Vitae« im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Beratungsscheins zum Töten des ungeborenen Lebens im Mutterleib.

»Donum Vitae« wurde 1999 von Katholiken gegründet, nachdem die Kirche in Deutschland nach mehreren Ermahnungen des damaligen Papstes Johannes Paul II. aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung ausgestiegen war. Johannes Paul II. kritisierte damals, dass »der unbedingte Einsatz für jedes ungeborene Leben, dem sich die Kirche von Anfang an verpflichtet weiß«, mit der Ausstellung eines Beratungsscheins nach §219 StGB, mit dem in Deutschland eine Abtreibung straffrei bleibt, unvereinbar ist. Der Verein beharrte aber weiterhin darauf, die umstrittenen Beratungsscheine ausstellen zu wollen. Die Beraterinnen und Berater von Donum Vitae stehen seitdem, entgegen eigener Behauptungen, außerhalb der Katholischen Kirche.

Veranstaltung mit Donum Vitae erstmals auf dem Katholikentag

Bischöfe und Laien ringen seit der Gründung des Vereins um die Haltung zum innerhalb der Kirche sehr umstrittenen Verein. Der Regensburger Bischof Rudolf Vorderholzer hatte sich deshalb im Vorfeld immer wieder gegen eine Teilnahme von Donum Vitae auf dem Regensburger Katholikentag ausgesprochen. Das Zentralkomitee deutscher Katholiken (ZdK) wollte hingegen (also wie bisher unbeanstandet auf den vorhergehenden Katholikentagen) Donum Vitae ein Forum bieten. Nach heftigem Ringen duldete der Ortsbischof den Verein, setzte aber gleichzeitig durch, dass eine Podiumsdiskussion mit kontroverser Besetzung stattfindet.

Gemäß dem Motto des Katholikentages »Mit Christus Brücken bauen«, setzten sich alle Beteiligten einer harten Bewährungsprobe aus. Immer wieder waren es Anhänger von Donum Vitae, die Positionen der anwesenden Lebensschützer mit Buh-Rufen bedachten.

Beratungsschein ist ein »Passierschein ins Elend«

»Abtreibung ist keine Banalität«, machte die stellvertretende Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Sophia Kuby in ihrem Statement deutlich. Das Pflichtberatungskonzept, das mit der Reform des Paragrafen 218 vor 20 Jahren eingeführt wurde, sei daher gescheitert. »In diesem gesetzlichen System könne nicht für das Leben beraten werden«, sagte Kuby weiter. Abtreibung kann nie eine Lösung sein, sondern müsse als Scheitern verstanden werden.

Dem widersprach der Moraltheologe Prof. P. Dr. Josef Schuster sofort. Für die These, dass das Beratungskonzept gescheitert sei, gebe es keinen Beleg, so der Jesuit. Abtreibung sei ein »Menschheitsproblem« und habe es schon immer gegeben. Strafgesetze verringern, so die Ansicht von Schuster, keine Abtreibung und erreichen nichts. Der Hochschullehrer an der Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt/Main sprach sich aus diesem Grund für die Ausstellung eines Beratungsscheins aus. Die Ausstellung bedeute nämlich nicht unbedingt Abtreibung.

Für den Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker ist der Beratungsschein eine »Lizenz zum Töten«. Als »Passierschein ins Elend«, der mit großen körperlichen und psychischen Folgen für die Frauen verbunden ist, sei der Bundestag nun an der Reihe, den vom Bundesverfassungsgericht verlangten Prüfungsauftrag umzusetzen.

Die Lebensrechtsaktivistin Alexandra Linder betonte in ihrem Statement die Gemeinsamkeit mit Donum Vitae, nämlich im Wollen, das ungeborene Leben zu schützen. Die Ausstellung eines Beratungsscheins bedeute aber eine Kapitulation und könne nicht akzeptiert werden. Aus ihrer eigenen Praxis als Beraterin wisse sie, dass Frauen in den meisten Fällen ihre Kinder behalten möchten und oft »von außen herangetragene Gründe« dazu führen, dass sie eine Abtreibung in Betracht ziehen. Daher ginge es in der Beratung darum, für die betroffenen Frauen in allen Lebenslagen erreichbar zu sein.

»Je besser wir das geborene Leben schützen, umso besser schützen wir auch das ungeborene Leben«, sagte die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Sie wies darauf hin, dass 80 Prozent der Mitarbeiter der Beratungsstellen nach Ausstieg aus der staatlichen Schwangerschaftsberatung durch die Katholische Kirche zu Donum Vitae gewechselt hätten. »Sie haben das gemacht, was sie bisher immer gemacht hatten«.

Die anschließende Diskussion, in der auch Zuhörer Fragen stellen konnten, machte deutlich, dass eine Annäherung der Positionen mehr als unwahrscheinlich ist. Ein Brückenschlag zu Donum Vitae, wie von einigen Katholikentagsbesuchern erhofft, ist mehr als schwierig, da dieser auf einen faulen Kompromiss hinauslaufen würde.

Foto des Podiums



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