Österreichs Muslime: 'Boko Haram ist unislamisch'

14. Mai 2014 in Aktuelles


IGGiÖ-Sprecherin Baghajati: "Abscheuliche Menschenrechtsverletzungen bewirken Aufschrei in der islamischen Welt" - Nigerias Regierung weist Boko-Haram-Forderungen zurück


Wien-Abuja (kath.net/KAP) Als "abscheuliche Menschenrechtsverletzung" hat die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) die Entführung nigerianischer Schülerinnen durch die islamistische Gruppe Boko Haram verurteilt. Bei den Vorfällen handle sich um eine "Pervertierung von Grundwerten und -rechten des Islams", betonte die IGGiÖ-Medienreferentin Carla Amina Baghajati am Dienstag in einer Aussendung. Es sei bei der Bekämpfung der "Terrorsekte" von zentraler Bedeutung, ihre Verbrechen als unislamisch zu verurteilen.

Vor vier Wochen wurden über 200 Schülerinnen aus einem Internat in der mehrheitlich christlichen Stadt Chibok im Bundesstaat Borno entführt. Einige konnten selbst fliehen, der Großteil der Mädchen befinden sich jedoch immer noch in den Händen der Terroristen. Verhandlungen mit Boko Haram-Chef Abubakar Shekau über die Freilassung hat Präsident Goodluck Jonathan am Montag ausgeschlossen. Auch Vertreter der katholischen Kirche Nigerias hatten die Forderung Boko Harams nach Verhandlungen als "nicht akzeptabel" bezeichnet.

Angeheizt wurde die jüngste Diskussion um den Umgang mit Boko Haram durch eine Videobotschaft, mit der Shekau am Montag die Freilassung aller inhaftierten Mitglieder der Islamisten gefordert hatte. Im Gegenzug könnten die Mädchen zu ihren Familien zurückkehren; ansonsten müssten sie zum Islam übertreten.

Das Video, das angeblich 130 der aus einem Internat entführten Mädchen zeigt, sorgte landesweit für Empörung. Es zeigt verschleierte Mädchen, die aus dem Koran lesen. Durch die Eltern bestätigt wurde die Identität der gezeigten Mädchen bislang nicht.

Drohungen "nicht hinnehmbar"

Die von Boko Haram geforderte Verhandlung sei "nicht möglich, denn die Bedingungen dafür stimmen nicht", sagte der Generalsekretär des Katholischen Sekretariates Nigeria in Abuja, Raphael Okechukwu Madu, gegenüber der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Es sei nicht hinnehmbar, mit einem Zwangsübertritt der Mädchen zum Islam zu drohen. "In Nigeria herrscht Religionsfreiheit", so der Generalsekretär.

Es ist das erste Mal, dass die Terrorgruppe ausdrücklich mit der nigerianischen Regierung in Verhandlung treten will. Ende vergangener Woche hatte es in Abuja bereits Gerüchte über mögliche Kontakte gegeben. Ein Regierungssprecher hatte dies jedoch dementiert.

Aufschrei in der islamischen Welt

Wie IGGiÖ-Medienreferentin Baghajati betonte, hätten die Vorfälle in Nigeria längst einen klaren "Aufschrei durch muslimisch geprägte Länder" und durch die Islamische Weltkonferenz ausgelöst, doch sei dieser medial nicht wahrgenommen worden. Medienberichten zufolge hatte die Kairoer Al-Azhar-Universität vergangene Woche erklärt, die Entführung der Mädchen habe "nichts mit den toleranten und edlen Lehren des Islams zu tun".

Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) mit ihren knapp 60 Mitgliedstaaten hatte das Kidnapping zudem als "grobe Missinterpretation des Islams" bezeichnet. Auch der saudiarabische Großmufti Sheikh Abdulaziz al-Sheikh kritisierte Boko Haram als Gruppe, "die aufgebaut wurde um den Ruf des Islams zu beschmieren".

Krisengipfel am Samstag

Als Reaktion haben mittlerweile die USA, Großbritannien und Frankreich Polizei- und Militärexperten nach Nigeria geschickt, um bei der Suche nach den Mädchen zu helfen, Israel und China boten ebenfalls Hilfe an. Frankreichs Präsident Francois Hollande schlug einen Krisengipfel am kommenden Samstag in Paris vor, bei dem mit Nigeria und den Nachbarstaaten die Bekämpfung von Boko Haram diskutiert werden soll.

Die radikalislamische Gruppe verübt seit 2009 Anschläge auf Behörden, Polizei und Armee, aber auch auf Kirchen und Schulen. Allein in diesem Jahr wurden fast 2.000 Menschen bei Angriffen der Gruppe getötet. Ziel der Gruppierung ist die Errichtung eines islamischen Staates Nigeria.

Boko Haram veröffentlicht Videoaufnahmen von den entführten Schulmädchen (engl., Rome Reports)


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