Orthodoxer Patriarch Bartholomaios besuchte Deutsche Bischofskonferenz

14. Mai 2014 in Weltkirche


An die evangelischen Kirchen appellierte der Geistliche, den 500. Jahrestag der Reformation nicht nur zu feiern, sondern auch zur Selbstkritik zu nutzen. Die Christen müssten sich fragen, warum die Kirchen getrennt seien.


Bonn (kath.net/KNA/dbk) Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel (74) hat sich für eine Aufnahme der Türkei in die EU ausgesprochen. Die Aufnahme könnte eine gegenseitige Bereicherung sein, sagte das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christen weltweit am Dienstag in Bonn. Europa sei zwar christlich geprägt. Diese Werte seien jedoch so universell und zeitlos, dass auch die Türkei sie mittragen könnte. Bartholomaios I. besuchte am Dienstag die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) in Bonn. Dort traf er unter anderem mit dem Vorsitzenden der Ökumenekommission der Bischöfe, dem Magdeburger Bischof Gerhard Feige, und DBK-Sekretär Hans Langendörfer zusammen.

Von seinem baldigen Treffen mit Papst Franziskus im Heiligen Land erwartet das orthodoxe Oberhaupt eine Vertiefung der schwesterlichen Beziehungen zwischen beiden Kirchen. Er glaube an den Wert von persönlichen Begegnungen, betonte der Patriarch. Wie ihre Vorgänger vor 50 Jahren, Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras I., wollen beide Kirchenoberhäupter in Jerusalem eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen. «Wir beide möchten die Beziehung zwischen unseren Kirchen ausbauen und das Werk unserer Vorgänger fortsetzen», sagte Bartholomaios weiter.

An die evangelischen Kirchen appellierte der Geistliche, den 500. Jahrestag der Reformation nicht nur zu feiern, sondern auch zur Selbstkritik zu nutzen. Die Christen müssten sich fragen, warum die Kirchen getrennt seien. In einem Gottesdienst erinnerte Bartholomaios an die christlichen Wurzeln Europas und mahnte, weiterhin die europäische Einheit zu suchen. «Europa hat zwei Möglichkeiten», so der Patriarch, «es kann christlich sein oder aufhören zu existieren.» Inmitten einer Welt, die «aus kriegerischen Auseinandersetzungen und mörderischen Plänen nicht zum Frieden» finde, seien die Präsenz und das Zeugnis der Christen besonders bedeutsam. Bischof Feige würdigte seinerseits den «Dialog der Liebe und der Wahrheit», der zwischen katholischer und orthodoxer Kirche bestehe.

Bereits am Dienstagmorgen hatte Bartholomaios I. den Sitz der orthodoxen Kirche in Deutschland, die Bonner Metropolitankirche Hagia Trias besucht. Dabei würdigte er die seit mehr als 50 Jahren bestehende griechisch-orthodoxe Metropolie in der Bundesrepublik als «ein Modell und ein Beispiel zur Nachahmung». Deutschland bezeichnete er als «gastfreundliches und zivilisiertes Land», zu dessen Wiederaufbau die ersten orthodoxen Migranten nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen hätten. Heute könne die Metropolie stolz darauf sein, dass sie, nicht zuletzt durch die «großzügige Hilfe» der katholischen und evangelischen Kirche, etwa 60 eigene Kirchengebäude in der Bundesrepublik besitze.

Bartholomaios I. hält sich seit Samstag in Deutschland auf. Der politische Höhepunkt der Reise steht am Mittwoch in Berlin an, wenn der Patriarch mit Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammentrifft.

Zur griechisch-orthodoxen Metropolie in der Bundesrepublik zählen rund 500.000 Christen. Die zunächst für 2013 geplante Visite des Ehrenoberhaupts war wegen Terminproblemen im Zusammenhang mit den Bundestagswahlen verschoben worden. Bereits vor 21 Jahren hatte er als erster Ökumenischer Patriarch Deutschland besucht.
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kath.net dokumentiert die Ansprache Seiner Allheiligkeit, des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios, anlässlich seines Besuches in der Deutschen Bischofskonferenz am 13. Mai 2014 in Bonn:

Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn! (Eph 6,10)

Eure Exzellenz, sehr geehrter Herr Bischof Gerhard Feige von Magdeburg, der Sie heute den Vorsitzenden der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz vertreten, hochwürdigster Metropolit Augoustinos von Deutschland, hochwürdigste Mitbrüder, geliebte und erlesene Tischgenossen an diesem Liebesmahl!

Nach altem und weltweit verbreiteten Brauch ist das gemeinsame Mahl Ausdruck und Nachweis der Vertrautheit, es gibt Gelegenheit Meinungen und Ansichten auszutauschen, es lässt gemeinsame Ziele aufscheinen, insbesondere den Wunsch nach Dialog und Gespräch zur Ehre Gottes nach den Worten der Heiligen Schrift: „Ob ihr also esst oder trinkt oder etwas anderes tut: Tut alles zur Verherrlichung Gottes!“ (1Kor 1,31) Wichtiger also als Essen und Trinken ist die Verherrlichung des Namens Gottes. „Nicht ist das Reich Gottes Speise, noch Trank, sondern Gerechtigkeit und Enthaltsamkeit zu unserer Heiligung. Darum werden auch nicht die Reichen eingehen in das Reich, sondern die, die ihre Schätze legen in die Hände der Armen.“ (Doxastikon der Laudes am 5. Fastensonntag)

Wir freuen uns deshalb über diese Gelegenheit, mit Ihnen diese Gemeinschaft zu haben, auch durch dieses Liebesmahl, für das wir Ihnen von Herzen danken. Es gibt uns die Gelegenheit, Ansichten und Erfahrungen mit Ihnen auszutauschen über jene Fragen, welche die christliche Welt heute beschäftigen, über ihre Probleme und Sorgen, was ihr Zeugnis in der Welt zum Heil der Welt betrifft.

Heutzutage benötigt die Gesellschaft in der ganzen Welt wie nie zuvor den Dialog, die Toleranz und die Versöhnung. Insbesondere dieser Geist der Aussöhnung und der Vergebung ist erforderlich zwischen den Vertretern der christlichen Kirchen und Bekenntnisse, aber auch der diversen Weltreligionen.

Mit besonderer Bestürzung verfolgen wir im Ökumenischen Patriarchat aber auch ganz persönlich, dass die weltweite christliche Gemeinschaft an vielen Orten der Welt einen erneuten Anstieg der Verfolgungen und des Martyriums erlebt. Viele Christen, gleich welcher Konfession oder Nationalität, werden heute Opfer vielfältiger Verfolgungen, ja, sie werden sogar zum Tode verurteilt und hingerichtet, nur, weil sie es gewagt haben, ihren christlichen Glauben und ihre christliche Identität zu bekennen und zu bewahren. Viele christliche Kirchenbauten wurden ganz zerstört oder verwüstet oder geschändet. Täglich erreichen uns derartige Nachrichten von der Schändung heiliger Stätten, von Orten also, „wo das Göttliche wohnt“ und verherrlicht wird. Zuweilen respektieren die Verfolger nicht einmal altchristliche Denkmäler, die unschätzbare Bestandteile des Kulturerbes der Menschheit sind, wie das Kloster der hl. Thekla in Maalula/Syrien und andere. Syrien und Ägypten stellen, wie der gesamte Nahe Osten, charakteristische Beispiele von Ländern dar, deren Christen leider täglich die Plage der Verfolgungen verspürten und verspüren.

Unsere christliche Kirche fürchtet sich nicht vor Verfolgungen. Wie Sie wissen, waren es im Laufe der Jahrhunderte, seit ihrer Gründung bis heute, von den Märtyrern der ersten Jahrhunderte seit dem heiligen Erstmärtyrer und Archidiakon Stephanus, dessen Tod wie ein Frevel „gegen den heiligen Ort und das Gesetz“ (vgl. Apg 6,13) war, bis zu den christlichen Glaubenszeugen in der damaligen Sowjetunion noch vor einigen Jahrzehnten und in Syrien heute, von Korea bis nach Rom, Millionen Christusgläubige, die dem Urheber und Vollender unseres Glaubens (Hebr 12,2), dem Herrn Jesus, im Martyrium gefolgt sind und den Tod einem „flüchtigen Genuss von der Sünde“ (Hebr 11,25) vorgezogen haben. Für viele war „die Schmach des Messias“ und das Martyrium für ihn das größte Geschenk Gottes in ihrem Leben.

Man könnte sagen, dass das Jubiläum der 1700 Jahre seit der Proklamation der Religionsfreiheit durch den großen christlichen Visionär und Reformer, den heiligen apostelgleichen Kaiser Konstantin den Großen, das wir gesamtchristlich im vergangenen Jahr gefeiert haben, den Höhepunkt des nicht zu rechtfertigenden und unkontrollierten Gewaltausbruchs gegen die Christen und der massiven Infragestellung des Rechtes aller Menschen auf Religionsfreiheit markierte, ja der Freiheit des Gewissens und des Glaubens, welche innere Bedürfnisse des Menschen darstellen und welche die Herrscher der Welt mit Gewalt „unterdrücken“ (Mk 10,42).

Im Angesicht dieser Situation können wir Christen, selbst wenn wir wissen, dass das Christenleben eng verbunden ist mit dem Kreuz und dem Martyrium, nicht indifferent bleiben. Es ist uns bekannt, dass auch die christlichen Gemeinden der ehrwürdigen römisch-katholischen Kirchen, etwa in Irak und Syrien, viele Opfer in diesen Verfolgungen zu beklagen hatten, die wir, menschlich gesprochen, betrauern und derer wir im Gebet gedenken. Deshalb ist es notwendig, dass wir unsere Kräfte bündeln, um, soweit dies möglich ist, ein weiteres Ansteigen der Gewalt und der Verfolgungen zu verhindern, welche bereits die traurige und tragische Folge hatte, dass ein Großteil der Christen aus jenen Gebieten geflohen ist, in denen der christliche Glaube erstmals verkündet wurde und in welche die Apostel ausgeströmt sind, um die Frohe Botschaft des Evangeliums an die Enden der Welt zu tragen.

Da wir, alle Amtsträger der Kirche, insbesondere auch Seine Heiligkeit der Papst des Alten Roms, Franziskus, und unsere geringe Person, „uns nicht auf Fürsten verlassen, auf Menschen, bei denen es doch keine Hilfe gibt“ (Ps 145,3), werden wir uns in den unmittelbar folgenden Tagen in Jerusalem treffen, im Licht, in der Freude und dem Frieden der Auferstehung und werden zu unserem Herrn, dem Friedensfürsten, „für den Frieden der ganzen Welt, für die Standhaftigkeit der heiligen Kirchen Gottes und für die Einheit aller“ beten. Wir sind davon überzeugt, dass wir bei diesem unserem Gebet die Christen der ganzen Welt an unserer Seite haben werden, damit unser Gebet „in einem Mund und einem Herzen“ das Erbarmen, die Gnade und das Wohlwollen Gottes auf die ganze Welt herabrufe.

Wir wissen, dass alle hier Anwesenden das Ökumenische Patriarchat schätzen, respektieren und ehren, das in seiner fast 2000-jährigen Geschichte häufig verfolgt wurde. Häufig, ja zumeist aus politischen Gründen, obwohl es im Grunde eine religiöse und geistliche Einrichtung ist. Deswegen möchten wir persönlich, aber auch alle unsere hier Dienst tuenden Brüder und Mitarbeiter Ihnen, hochwürdigster Herr Bischof, und durch Sie dem Vorsitzenden und allen Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz, für Ihre Hochachtung und Ihr Interesse für unser Patriarchat danken.
So wünschen wir, indem wir dieses Glas der Frucht des Weinstocks erheben, der Herr möge den Einsatz aller für die Einheit aller und die Versöhnung der Getrennten segnen.

Christus ist auferstanden! Dieses Gebet, dieser harmonische Lobpreis sei Quelle der Inspiration, des Trostes und der Kraft für uns alle in unserem Wirken! Amen.

Foto Patriarch Bartholomaios I. (c) www.patriarchate.org


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