Kapellari: Viele Missverständnisse über Papst Franziskus

29. April 2014 in Österreich


Steirischer Bischof in "Kleine Zeitung"-Interview: Franziskus will "keine pflegeleichte Wellness-Kirche"


Graz (kath.net/KAP) Es glauben zwar viele, der Papst stelle alles infrage, doch ist dies "ein Missverständnis", hat der Grazer Bischof Egon Kapellari (Foto) in einem Interview für die "Kleine Zeitung" (Sonntagsausgabe) betont. Und die Missverständnisse beträfen auch die Aufforderung zur kirchlichen Schwerpunktsetzung auf die Ränder der Gesellschaft.

Denn auch wenn man die Türen aufmache "und an den Rand hinausgeht, wie es Papst Franziskus fordert, darf man nicht die eigene Identität verlieren", sondern "muss wissen, wer man selber ist", stellte der Bischof klar.

Franziskus wolle "keine pflegeleichte Wellness-Kirche", so Kapellari: "Der Papst möchte Leuten, die es nicht leicht haben, entschiedene Christen zu sein, dabei helfen, es zu werden. Er tut das aber nicht, indem er die Probleme schönredet. Sondern er fordert uns auf, es Jesus im Johannesevangelium gleichzutun. Jesus hat die Ehebrecherin nicht verurteilt. Er hat die Pharisäer weggeschickt, der Frau aber gesagt: 'Gehe und sündige nicht mehr'."

Papst Franziskus habe jedenfalls "einen Schub fröhlicher gelebter Bergpredigt in die Kirche gebracht". Aber für ihn gelte das Wort des französischen Schriftstellers André Gide: "Verstehen Sie mich nicht zu rasch!", warnte der steirische Diözesanbischof. Der Papst werde nämlich "noch so manche Hoffnung enttäuschen, allerdings im positiven Sinn. Viele werden noch draufkommen, dass sie einer Selbsttäuschung erlegen sind über das, was Christsein im besten Sinn sein kann".

Befragt zur Ablehnung des Papstes gegenüber jeder Form von äußerem Prunk sagte Kapellari, der Papst wolle keinen Luxus auf Kosten der Barmherzigkeit und Güte, und seine Symbolik sei authentisch. "Trotzdem fühle ich mich deshalb nicht verpflichtet, mein vergoldetes Kreuz abzulegen", denn dieses sei ein Abschiedsgeschenk des Domkapitel von Gurk an ihn gewesen.

Der Grazer Bischof hob hervor, dass Schönheit nicht "im Dienst der Ethik" aus der Kirche vertrieben werden dürfe: "Das Schöne wird die Welt retten, hat Dostojewski gesagt. In der besten alten Theologie, die nie alt wird, heißt es: Das Wahre, das Gute und das Schöne gehören zusammen. Schönheit ohne Güte ist Pharisäertum. Im Gottesdienst ist Schönheit sehr wichtig." Allerdings mache er sich dennoch keine Sorgen um das Schöne in der Kirche, sondern eher um den Kitsch, denn "die Schönheit kann man sowieso nicht vertreiben".

Im Blick auf den Glaubensschwund in Europa sagte Bischof Kapellari, es gehe wesentlich um die Vermittlung der Osterbotschaft, "dass nicht der Mensch in Wolfsgestalt immer stärker sein wird, sondern das Lamm Gottes". Er habe es stets als seine Aufgabe verstanden, "möglichst vielen Leuten diese kühne Perspektive nahezubringen, die oft kleinkariert verstellt wird".

Zwar werde die Zahl der ernsthaften Christen in Europa kleiner; "das ist trotzdem kein Grund zu glauben, dass die Christenheit am Abdanken ist. Sie muss lernen, sich als Gefüge konzentrischer Kreise um einen Glutkern zu verstehen, um den sich viel Breite entwickeln kann. Dieser Herausforderung werden wir uns stellen".

Abschließend befragt wurde der 78-jährige Diözesanbischof zu seiner Nachfolge. Wörtlich antwortete er: "Ich habe meinen Nachfolger nicht zu präjudizieren. Aber ich hoffe in aller Einfachheit auf einen Mann, der angesichts der Komplexität der Gesamtsituation von Gesellschaft und Kirche die Kraft, Mitte und Tiefe hat, die steirische Diözese, die nicht zerstritten ist, zu führen."

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