Papst Johannes Paul II. und Pater Werenfried van Straaten

16. April 2014 in Chronik


Gefährten auf dem Weg durch das 20. Jahrhundert - Auf den Tag genau zwölf Jahre nach ihrer letzten Begegnung wird Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen. Von Eva-Maria Kolmann


Vatikan (kath.net/KIN) Es war der 27. April 2002, als die beiden Freunde Abschied voneinander nahmen. Jahrzehntelang waren Karol Wojtyla und Pater Werenfried van Straaten, der Gründer von „Kirche in Not“, Weggefährten gewesen. Auf den Tag genau zwölf Jahre nach dieser letzten Begegnung wird Papst Johannes Paul II. in Rom heiliggesprochen.

Es war eine Geste voller Symbolkraft, als Papst Johannes Paul II. seinem Freund Pater Werenfried die Osterkerze aus seiner Privatkapelle schenkte. Zum letzten Mal hatten sie gemeinsam die heilige Messe gefeiert. Niemand hat diese letzte irdische Begegnung so schön beschrieben wie der 2007 verstorbene italienische Journalist Orazio Petrosillo, der diese Momente miterleben durfte: „Sie waren zu Tränen gerührt. Wie oft hatten sie aneinander gedacht, füreinander gebetet? Jetzt sahen sie sich wieder, der Heilige Vater und sein Freund Pater Werenfried. Beide gezeichnet von Alter und Krankheit, und dennoch voll Leben und Charisma. Nach der Messe umarmten sie sich in der Privatbibliothek. Wenige Worte, lange Blicke, Tränen der Rührung.“

Sie kannten sich schon lange, bevor Karol Wojtyla 1964 Erzbischof von Krakau wurde. Der spätere Papst kam lange Jahre als Beauftragter der polnischen Bischofskonferenz zu Pater Werenfried, um über Hilfsprojekte für die Kirche in seiner kommunistisch regierten Heimat zu sprechen. Ihren ersten gemeinsamen Kampf führten der junge Erzbischof und Pater Werenfried im Jahr 1967, als die Kommunisten in der Nähe von Krakau eine Arbeitersiedlung des Eisenhüttenkombinates für 200 000 Einwohner errichteten, die als „Stadt ohne Gott“ geplant war. Um den Atheismus zu fördern, wurde hier absichtlich keine Kirche eingeplant. Allen Widerständen zum Trotz wurde dennoch Sonntag für Sonntag mit Tausenden Gläubigen die heilige Messe rings um ein unter freiem Himmel aufgestelltes Kreuz gefeiert. Trotz aller Schikanen seitens der Kommunisten wurde schließlich mit der Hilfe von „Kirche in Not“ ein Gotteshaus für 5000 Gläubige gebaut. 1977 konnte die Kirche von Erzbischof Wojtyla eingeweiht werden. Dieser gemeinsame Sieg gegen die Regierung war auch für die Kirche in den ebenfalls kommunistisch regierten Nachbarländern ein großes Zeichen der Ermutigung.

Beide glaubten fest daran, dass der Eiserne Vorhang eines Tages fallen und Gott in die atheistisch regierten Länder zurückkehren würde. Beide geißelten den Kommunismus im Osten ebenso wie die „Kultur des Todes“ im Westen. Beide waren kompromisslos und furchtlos darin, die Wahrheit beim Namen zu nennen und die zahlreichen Angriffe gegen Gott und den Menschen in letzter Konsequenz als Werk des Bösen zu erkennen. „Politische Korrektheit“ und die Meinung des Mainstreams waren nicht ihr Maßstab. Auch in ihrem Streben nach Versöhnung waren sie prophetische Verbündete. So beauftragte Papst Johannes Paul II. Pater Werenfried damit, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Versöhnung mit der russisch-orthodoxen Kirche zu suchen. Daraufhin reiste Pater Werenfried noch im fortgeschrittenen Alter zweimal nach Russland und begegnete Patriarch Aleksij II. und zahlreichen orthodoxen Bischöfen, denen er sein Gebet und seine tätige Hilfe versprach. Denn die orthodoxe Kirche musste in Russland nach über 70 Jahren der Verfolgung ebenso bei null anfangen wie die katholische Kirche. Der Papst ließ sich nach beiden Russlandreisen von Pater Werenfried ausgiebig Bericht erstatten und legte höchsten Wert darauf, über alle Entwicklungen persönlich informiert zu werden.

Papst Johannes Paul II. war es, der das Wort prägte: „Wir brauchen zwei Lungen: die westliche und die östliche, mit denen die Christenheit atmet.“ Inzwischen sind Bilder orthodoxer Würdenträger, die im Vatikan ein- und ausgehen, und katholischer Würdenträger, die ihre orthodoxen Mitbrüder im Bischofsamt besuchen, nahezu normal geworden. Im Laufe der Zeit sind viele Freundschaften entstanden. Die jüngere Vergangenheit zeigt nahezu ein Feuerwerk der ökumenischen Begegnungen, von dem noch vor zwanzig Jahren fast niemand zu träumen gewagt hätte. Zu den wenigen Menschen, die es dennoch gewagt haben, gehören Papst Johannes Paul II. und Pater Werenfried. Auch heute noch ist „Kirche in Not“ diesem Auftrag treu, den auch die Nachfolger dieses großen heiligen Papstes mehrfach bestätigt haben. Erst kürzlich forderte Kurt Kardinal Koch, der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, „Kirche in Not“ dazu auf, den Weg des Dialogs fortzusetzen.

Eine besondere Rolle in ihrem Wirken spielte die große Verehrung der Muttergottes, die Papst Johannes Paul II. und Pater Werenfried teilten und die auch Katholiken und Orthodoxe in besonderer Weise verbindet. So wollte es die Vorsehung, dass das Gnadenbild der Muttergottes von Kasan, der in Russland am stärksten verehrten Ikone, zu Sowjetzeiten gewissermaßen „katholisches Asyl“ fand. Nachdem sie Mitte der 1960er Jahre in das Marienheiligtum von Fatima gelangt war, wurde sie Papst Johannes Paul II. im Jahr 1993 als Geschenk überreicht. Der Papst bewahrte sie in seinen Privatgemächern auf und verehrte sie zutiefst. Als er sie im Jahr 2004 der russisch-orthodoxen Kirche zurückgab, sagte er während der Andacht zur Verabschiedung der Kasanskaja: „Wie oft habe ich seit diesem Tag die Muttergottes von Kasan angerufen und sie gebeten, sie möge das russische Volk, von dem sie so sehr verehrt wird, beschützen und leiten und bald den Zeitpunkt herbeiführen, an dem alle Jünger ihres Sohnes sich als Brüder anerkennen und die verletzte Einheit vollkommen wiederherstellen.“

Sowohl Johannes Paul II. als auch Pater Werenfried waren zutiefst mit dem Marienheiligtum in Fatima verbunden, wo die Ikone der Muttergottes von Kasan 30 Jahre lang Asyl gefunden hatte. Sie sahen in den Botschaften, die die Muttergottes 1917 an drei Hirtenkinder gerichtet hatte, eine wichtige Warnung vor den Gefahren des Kommunismus und des Atheismus, denen es zu begegnen galt. Papst Johannes Paul II. schrieb die Tatsache, dass er das Attentat vom 13. Mai 1981 überlebte, der Hilfe Unserer Lieben Frau von Fatima zu. Er ließ die Kugel, die ihn fast getötet hätte, in die Krone der Madonna einarbeiten. Pater Werenfried wurde eingeladen, mit Papst Johannes Paul II. die heilige Messe zu feiern, als dieser am 13. Mai 2000 in Fatima die beiden Hirtenkinder Francisco und Jacinta seligsprach. Die abendliche Lichterprozession, bei der er unmittelbar hinter dem Gnadenbild im Rollstuhl durch die Menge von einer Million Pilger geschoben wurde, gehörte für Pater Werenfried zu den Höhepunkten seines Lebens.

Die beiden Weggefährten sind nun im Himmel vereint. Einer von ihnen wird am 27. April auf den Tag genau zwölf Jahre nach ihrer letzten Begegnung heiliggesprochen. Gemeinsam haben sie viele historische Momente des 20. Jahrhunderts erlebt. Seite an Seite haben sie gekämpft, immer waren sie prophetisch, oft wurden sie verkannt. Ihr Vermächtnis ist gigantisch. „Kirche in Not“ ist diesem Erbe bis heute verpflichtet. Orazio Petrosillo berichtete von ihrem Abschied: „Johannes Paul II. legte seinem alten Freund die Hand auf die Schulter. Es war seine Geste als Nachfolger Petri, um ein Werk der Vorsehung wie „Kirche in Not“ mit dem ureigenen Charisma des Papstes gleichsam zu bestätigen.“

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Foto Pater Werenfried van Straaten und Papst Johannes Paul II. (c) Lido Santoni


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