Safranski hält Heidegger für einen Antisemiten

9. April 2014 in Chronik


Schriftsteller Rüdiger Safranski sagt über den Philosophen Heidegger, er sei ein «Denker, von dem wir noch stärker, als das bisher möglich war, nun bemerken müssen, dass in sein philosophisches Denken Antisemitismus eingeflossen ist».


Osnabrück (kath.net/KNA) Der Schriftsteller Rüdiger Safranski (Foto) sieht den Philosophen Martin Heidegger (1889-1976) als Antisemiten. In einem Interview mit der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Mittwoch) sagte der Autor, Heidegger sei ein «Denker, von dem wir noch stärker, als das bisher möglich war, nun bemerken müssen, dass in sein philosophisches Denken Antisemitismus eingeflossen ist».

Safranski hat mit dem Buch «Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit» jüngst ein Standardwerk über den Philosophen vorgelegt. Die als «Schwarze Hefte» bezeichneten Denktagebücher des international stark rezipierten Philosophen, die seit ihrem Erscheinen für eine neue Debatte um Heidegger gesorgt haben, enthielten keinerlei Hinweis auf die dramatischen Unterdrückungs- und Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten.

«Von brennenden Synagogen, von der Deportation der Juden oder von Konzentrationslagern, von der Zerstörung der Demokratie oder anderem Gräßlichen ist gar nicht die Rede. Privat wird ihn das beschäftigt haben, aber all diese Themen hält er nicht für einen würdigen Gegenstand philosophischen Nachdenkens», sagte Safranski. Dies zeige bei aller raumgreifenden metaphysischen Spekulation «eine unglaubliche Verengung und einen Mangel an Empathie».

Nach Safranskis Worten war Heidegger in dem Glauben, mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 sei eine seit dem antiken Philosophen Platon andauernde «Entfremdungsgeschichte» an ihr Ende gekommen. «Das ist existenziell hoch spannend, aus dem Abstand gesehen allerdings auch ein Skandal», sagte Safranski. Heidegger habe den wahren Charakter des Nationalsozialismus nicht erkannt. Trotz seiner «katastrophalen Irrtümer» bleibe Heidegger als Philosoph aber spannend. Seine Technikkritik habe einen Nerv der Zeit getroffen. Safranski: «Wir sind gefangen in einer bestimmten Technizität. Das diskutieren wir heute etwa mit dem Blick auf das Internet. Den damit verbundenen Verlust an Souveränität und Freiheit hat Heidegger in seiner Analyse der Technik thematisiert.»

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Foto Safranski © Wikipedia/ Udoweier
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