Das Alptraumschiff

2. April 2014 in Aktuelles


Kinostart am 3.4. - Der Film „Noah“ des US-Regisseurs Darren Aronofsky erzählt die Sintflut-Geschichte und die Rettung auf einer Arche. Lohnt sich ein Besuch des Films? Von Karsten Huhn (idea)


Wetzlar (kath.net/idea) Der Film „Noah“ des US-Regisseurs Darren Aronofsky erzählt die Sintflut-Geschichte und die Rettung auf einer Arche. Christliche Kritiker werfen dem Film vor, sich bei der Darstellung dieser biblischen Geschichte zu viele Freiheiten genommen zu haben. Ein Besuch des Films lohnt sich trotzdem, meint idea-Redakteur Karsten Huhn, der ihn vor seinem offiziellen Start am 3. April sah.

Dieser Film wird vermutlich von den deutschen Filmkritikern zerrissen. Zu bombastisch, pathetisch und grausig ist das umgerechnet 91 Millionen Euro teure Werk geraten. Dazu kommt: In diesem Film geschieht ständig Übernatürliches. Bäume wachsen aus dem Nichts, ein Wasserrinnsal breitet sich auf der ganzen Welt aus, aus der Erde schießen Springfluten empor, zudem wird gebetet, gesegnet und geheilt.

Erzählt wird nicht die heitere „Arche Noah“-Fassung aus der Kinderbibel, wo Elefant und Lurch, Nashorn und Wiesel zuversichtlich in Zweierreihen antreten, um das rettende Boot zu erreichen.

Im Mittelpunkt steht vielmehr die brutale Erwachsenenversion: Die Erde ist ein Metzelfeld, sie wird regiert von Krieg, Massaker und Vergeltung. Der Boden ist verdorrt, verkohlt, vergiftet. Kain erschlägt Abel; es gilt das Recht des Stärkeren. Die Menschheit fühlt sich frei von Gott. „Der Schöpfer kümmert sich nicht um diese Welt. Wir sind allein“, sagt einer der Kriegsherrn. Der Film präsentiert einen Gott, der straft und tötet, weil er genug hat von der Bosheit der Menschen.

Noah wird gezeigt als wüster Typ, der von einer Flutkatastrophe träumt, die die Reinen von den Unreinen trennt, die Welt von der Sünde reinwäscht und die Menschheit vertilgt. Und die Arche ist kein beschaulicher Luxusdampfer, sondern ein dunkler, hässlicher Kasten, der ächzt und knarzt – während man von draußen die vergeblichen Hilferufe im Gurgeln des Wassers untergehen hört.

Schauspielerisch bietet der Film alles, was nötig ist, um ein Kinohit zu werden. Noah wird gespielt von Russell Crowe, der 2001 für seine „Gladiator“-Rolle mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Die Rolle des nahezu unsterblichen Großvaters Methusalem übernahm der ebenfalls Oscar-prämierte Anthony Hopkins, der als Serienmörder und Kannibale in „Das Schweigen der Lämmer“ sein Unwesen trieb. Dazu kommen die Schauspieler Jennifer Connelly (die einen Oscar für ihre Rolle in „A Beautiful Mind“ erhielt), Ray Winstone und Emma Watson, die als Kinderstar durch die „Harry Potter“-Verfilmungen berühmt wurde.

Was Kritiker bemängeln

In mehreren arabischen Ländern – darunter Pakistan, Indonesien, Bahrain, Katar – wurde der Film verboten, weil er gegen die Lehren des Korans verstoße, der die Abbildung heiliger Personen in der Kunst untersagt. Die al-Azhar-Universität in Kairo, die unter sunnitischen Muslimen als höchste religiöse Autorität anerkannt wird, erließ gegen den Film eine Fatwa (Rechtsgutachten), wonach der Streifen nicht mit den Grundsätzen des islamischen Rechts vereinbar ist.

Kritik an „Noah“ kommt aber auch aus christlichen Reihen in den USA. Die Vorwürfe:

1. Der Film überbetont das Thema Umweltverschmutzung. Er macht Noah zu einem Apostel der Nachhaltigkeit – und geht damit weit über die biblische Vorlage hinaus.

2. Anders als die Bibel es beschreibt, wird Noah nicht nur als gottesfürchtiger Mann gezeigt, sondern als lebensmüder Psychopath, der die Menschheit selbst auslöschen will, indem er seine Enkelkinder ermordet. Erst im letzten Moment schreckt er davor zurück (möglicherweise eine Anspielung auf die Beinahe-Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham).

3. Die Arche ist kein friedlicher Hort, sondern gleicht eher einem Irren-Schiff mit Blutvergießen, an dessen Bord sich zudem ein blinder Passagier geschmuggelt hat.

4. Beim Bau der Arche und ihrer Verteidigung gegen Angriffe bekommt Noah Hilfe von kolossalen, bizarren Steinwesen, die als gefallene Engel vorgestellt werden. Diese Fantasy-Gestalten entnahm Regisseur Aronofsky der rätselhaften Beschreibung von – je nach Bibelübersetzung – „Giganten“, „Riesen“ „Tyrannen“ aus 1. Mose 6,4. Der Grund, sie so wie im Film dargestellt zu zeigen, dürften vor allem die mit ihnen verbundenen Schlachtszenen und Spezialeffekte gewesen sein.

Was für den Film spricht

Über diese Einwände kann man jedoch angesichts der Argumente, die für „Noah“ sprechen, hinwegsehen:

1. „Noah“ ist eine bildgewaltige Bibelstunde. Mit wuchtigen Aufnahmen erzählt er die Schöpfungsgeschichte, Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies.

2. Auch wenn der Film von künstlerischen Freiheiten Gebrauch macht, folgt er im Wesentlichen der in der Bibel beschriebenen Handlung (1. Mose 6–9). So wird Noah zutreffend als angefochtener Glaubensheld gezeigt, der sich nach der Rettung der Arche mit Wein bewusstlos säuft (nachzulesen in 1. Mose 9).

3. Der Film nimmt die Sünde und das Gericht Gottes ernst. Er folgt der biblischen Einsicht: „Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer“ (Psalm 14,1, Römer 3,12).

Einer der überzeugendsten Momente im Film: Noah verlässt seine Arche, um für seine Söhne Frauen zu suchen. In einem riesigen Lager sieht er die Verkommenheit der Menschen. Er verfolgt einen Übeltäter – und als dieser sich umblickt, erblickt Noah sich selbst. Zurückgekehrt auf die Arche erzählt Noah seiner Frau: „Das Böse wohnt nicht nur in ihnen. Es steckt in uns allen.“ Alles in allem bietet Noah großartigen Diskussionsstoff und regt dazu an, über die Urgeschichte – die ersten Kapitel der Bibel –, sowie über Gericht und Gnade, Schuld und Vergebung nachzudenken.

Noah, 2014, Regie: Darren Aronofsky, Darsteller: Russell Crowe, Jennifer Connelly, Ray Winstone, Emma Watson, Anthony Hopkins, 138 Minuten, ab 3. April, FSK: ab 12 Jahre

Deutschsprachiger Trailer zum Film Noah


´Noah´ preview with Raymond Arroyo (EWTN)



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