Orthodoxe Krim-Diözese bleibt vorerst ukrainisch

21. März 2014 in Weltkirche


Russisch-orthodoxe Kirche distanziert sich indirekt von der Annexion der ukrainischen Halbinsel durch den russischen Staat


Moskau-Kiew-Vatikanstadt (kath.net/KAP) Die russisch-orthodoxe Kirche entzieht der ukrainischen Kirche vorerst nicht die Diözese der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Der Sprecher der Moskauer Patriarchates, Wladimir Legoyda, sagte am Donnerstag laut Angaben der Nachrichtenagentur Interfax nach einer Sitzung des Heiligen Synods obersten Leitungsgremiums der Kirche, über die Frage der Zugehörigkeit der Diözese sei nicht beraten worden. Damit distanziert sich die einflussreiche Kirche indirekt von der Annexion der ukrainischen Halbinsel durch den russischen Staat.

An der Sitzung des Heiligen Synods, des obersten Leitungsgremiums der russisch-orthodoxen Kirche, nahm auch der interimistische Kiewer Metropolit Onufry teil. Offizielles Oberhaupt der Moskau unterstehenden orthodoxen Kirche in der Ukraine bleibe aber der krankheitshalber emeritierte Kiewer Metropolit Wolodymir, betonte Legoyda.

Der Moskauer Patriarch Kyrill I. hat sich bislang nicht zu der Aufnahme der Krim in die Russische Föderation geäußert. Im Gegensatz zu Spitzenvertretern der Muslime und Juden blieb er am Dienstag der Rede von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin zur Lage der Nation fern.

Die größte der orthodoxen Kirchen in der Ukraine untersteht Moskau. Sie verfügt aber über eine weitreichende Autonomie. Sie hatte den Moskauer Patriarchen eindringlich aufgerufen, sich für die territoriale Integrität der Ukraine stark zu machen.

In Kiew wies die Kirche des Moskauer Patriarchats am Donnerstag auch Berichte über eine auf der Krim bevorstehende feindliche Übernahme eines orthodoxen Gotteshauses der "Konkurrenzkirche" (Kiewer Patriarchat) zurück. Diese Information treffe nicht zu, heißt es in einer Erklärung auf der Internetseite der Kirche. Der Metropolit der Krim, Lazar, habe im Gegenteil vor jeder Diskriminierung aus religiösen und ethnischen Gründen gewarnt.

Der Erzbischof des orthodoxen Kiewer Patriarchates auf der Krim, Kliment, hatte am Dienstagabend im ukrainischen Fernsehen gesagt, ein Priester des orthodoxen Moskauer Patriarchates habe gemeinsam mit bewaffneten Aktivisten die Übernahme eines Gotteshauses der Minderheitenkirche in Perewalne angekündigt. Der Schritt sollte Kliment zufolge nach Abzug der ukrainischen Soldaten von dem Militärstützpunkt in dem Dorf erfolgen.

Der auf der Krim tätige römisch-katholische Weihbischof Jacek Pyl hatte am Dienstagabend der polnischen Nachrichtenagentur KAI gesagt, bislang sei die Lage ruhig. "Niemand hat uns gedroht", sagte er. Die katholische Kirche beobachte die Entwicklung weiter genau und werde entsprechend reagieren.

In Radio Vatikan (Donnerstag) sagte der Ostkirchenexperten Thomas Bremer von der Universität Münster, die Handlungsmöglichkeiten des Vatikans im Konflikt seien relativ beschränkt. Denn der Vatikan werde von orthodoxer Seite oder von russisch-politischer Seite nicht als neutral betrachtet.

Es gebe eine Minderheit von etwa zehn Prozent Katholiken in der Ukraine, die meisten davon sind griechisch-katholisch. Es sei zwar eine kleine Minderheit, aber der Vatikan könne in Zusammenarbeit mit den Katholiken in der Ukraine darauf hinwirken, dass es zu einer "guten Konfliktlösung" und zu "besseren ökumenischen Beziehungen" komme.

Putin-Rede wird nicht kommentiert

Interessant sei die große Zurückhaltung des Moskauer Patriarchats. Auch auf den beiden offiziellen Webseiten des Patriarchats, die sonst immer alle politischen Dinge kommentierten, sei kein Wort über die Rede von Putin zu lesen gewesen. "Ich interpretiere das so, dass man eben zurückhaltend ist, weil man weiß, dass die Angehörigen der eigenen Kirche in der Ukraine keine einhellige Meinung in dieser Frage haben", so Bremer.

Es gebe zwar seit vielen Jahren eine harsche und deutliche Kritik der russisch-orthodoxen Kirche am Westen. Das beziehe sich zum einen auf gewisse politische Vorgänge, wenn man an die Ereignisse im früheren Jugoslawien denke. Es beziehe sich aber auch auf Haltungen in den westlichen Kirchen und Gesellschaften. "Die Idee, dass es einen grundsätzlichen Gegensatz gibt zwischen russischen und westlichen Werten, auch die Vorstellung, es gebe das Recht der russischen Welt, dass sie sich vereinigen dürfe, wie es der Präsident gestern sagte - diese Ideen werden im Prinzip von der russischen Kirche seit vielen Jahren auch vertreten", sagte Bremer.

Zur Interimsregierung in Kiew gebe es bei den Kirchen in der Ukraine "keine einheitliche Position", so der Experte weiter. Diese Regierung, die in einem revolutionären Akt an die Macht kam, könne man nicht gerade als "Regierung der Nationalen Einheit" bezeichnen, wie sie es selbst tue: "Es ist tatsächlich so, dass nicht alle Kräfte, etwa die der früheren Regierung, darin vertreten sind. Und man muss ja doch sehen, dass es einen nicht geringen Anteil der ukrainischen Bevölkerung gibt, der skeptisch gegenüber der jetzigen Regierung ist und der der alten, vielleicht nicht Janukowitsch persönlich, aber doch dieser politischen Richtung, die Stange gehalten hat. Es wäre eigentlich vernünftig und sinnvoll, dass die Übergangsregierung versucht, diese Leute mit einzubinden. Das geschieht vielleicht nicht in ausreichendem Maße."

Verfassungsgemäß sei die Kiewer Interimsregierung zudem auch nicht, ergänzte Bremer. Deshalb brauche es schnellstens Wahlen, um eine neue Regierung der Ukraine auch demokratisch zu legitimieren: "Man muss ja sagen, dass die Vertreibung von Janukowitsch nach dem Buchstaben des Gesetzes, der damals gültigen Verfassung, nicht legitim war. Es waren revolutionäre Ereignisse. Und wenn eine solche Regierung im Amt ist, wäre es nötig, dass man das möglichst bald demokratisch legitimiert."

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