Die Templer: die Geschichte am Anfang der Legende

18. März 2014 in Chronik


18. März 1314: Vor 700 Jahren wurde der Großmeister der Templer, Jacques de Molay, hingerichtet. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Es gibt Ereignisse, nach denen nichts mehr so ist, wie es vorher war. Diese Erfahrung gilt für den persönlichen wie familiären Bereich und bestimmt in gleicher Weise die Geschichte der Menschheit. Alles ist anders – und oft ist es so, daß es nur einer Kleinigkeit bedurfte, durch die ein lange stabilisiertes System aus seinem Gleichgewicht geworfen wurde. Großereignisse wie Naturkatastrophen, Kriege oder das Gebaren von verschiedenen Machthabern bringen es dann mit sich, daß die als Grundlage der Weltordnung angesehenen Werte ein für alle mal zerstört werden.

So geschah es zu Beginn des 14. Jahrhunderts, als es durch das Betreiben des französischen Königs Philipp IV. „des Schönen“ mit der erzwungenen Unterstützung eines schwachen Papstes zur Zerschlagung des Templerordens kam. Die Geschehnisse um diesen programmierten, mit eiskaltem Kalkül durchgeführten verbrecherischen Akt gehören zu den tragischsten schwarzen Flecken der Geschichte der Kirche und der abendländischen Kultur, ein wahrer Schatten, der sich auf das Papsttum und die Christenheit legte und es bis heute begleitet.

Die „Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem“ („Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosalemitanis“) wurde zwischen 1118 und 1121 gegründet und bildete einen bislang historisch einmaligen Zusammenschluß von zwei Lebensidealen: adeliges Rittertum und Mönchstum trafen aufeinander und bildeten den Anfang einer einzigartigen „Erfolgsgeschichte“. Die Ordensritter gelobten vor dem Patriarchen von Jerusalem Armut, Keuschheit und Gehorsam und verpflichteten sich weiter, den Pilgern im Heiligen Land ihren Schutz zu gewährleisten. Nachdem der König von Jerusalem Balduin II. den Templern 1119 seinen ehemaligen Palast überlassen hatte, der über dem alten salomonischen Tempel errichtet worden war, nahm die ursprünglich „Paupere Militie Christi“ („Arme Ritter Christi“) genannte Ordensgemeinschaft ihren nunmehr allbekannten neuen Namen an.

Der Templerorden gelangte rasch zu großem Reichtum und wurde zu einem erheblichen wirtschaftlichen Faktor in Europa und der von Europa aus beherrschten Welt. Er war an allen militärischen Aktionen im Heiligen Land beteiligt. 1139 bestätigte ihn Papst Innozenz II. mit der Bulle „Omne datum optimum“ erneut und unterstellte den Orden direkt der Jurisdiktion des Bischofs von Rom. Damit war der Orden dem Zugriff und der Befugnis der weltlichen Machthaber entzogen und aller Steuerpflicht enthoben. Mehr noch: Der Orden konnte selbst Steuern erheben und wurde somit zu seinem „Staat ohne Territorium“, wie dies z.B. der Souveräne Malteserorden („Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom Hl. Johannes von Jerusalem, von Rhodos und von Malta“) ist, der in Kontinuität mit dem Johanniter- oder Hospitalorden steht und heute ein nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt darstellt.

Die wirtschaftlichen Interessen wurden schnell zur Hauptaktivität der Templer. Dazu gehörte auch das (unerlaubte, aber geduldete) Verleihen von Geld gegen Zinsen, was nicht zuletzt die Mächtigen Europas zu den großen Schuldnern des Ordens machte und ihm einen unvergleichbaren Reichtum eintrug. Das Geld der Templer war schließlich auch der hauptsächliche Grund dafür, weswegen König Philipp IV. die Zerschlagung des Ordens beschloß, um so unter anderem in den Besitz dessen schier unermesslichen Ressourcen zu treten. Der schwächliche und kranke Papst Clemens V. (Bertrand de Got, 1305-1314) war nicht in der Lage, sich dem Willen des französischen Königs zu widersetzen, der ihm unter anderem mit der Inszenierung eines posthumen Prozesses wegen Häresie gegen Papst Bonifatius VIII. drohte und in seinem politischen Allmachtsanspruch selbst eine Kirchenspaltung nicht ausschloss. Somit stand es nicht mehr in der Macht des Papstes, den Templerorden zu retten, zumal sich eine Reihe von hohen französischen Kirchenmännern nicht scheute, zu Handlangern des gierigen Monarchen zu werden.

Der Vorwurf der Häresie – einer der Hauptbestandteile der Kampagne gegen die Templer –gehört zu den in die Welt gesetzten Legenden, die dann schließlich auch Clemens V. mit der Bulle „Vox in excelso“ (22. März 1312) zurückwies. Alle Untersuchungen, die diesbezüglich in Europa durchgeführt worden waren, kamen zu einem negativen Ergebnis und bezeugten die Unschuld der Templer. Die Römische Kurie hatte somit keine Dokumente zur Verfügung, anhand derer das ursprünglich mit dem französischen König abgestimmte Verfahren hätte durchgeführt werden können. Überall bestätigte sich, dass die gegen den Orden vorgebrachte Beschuldigung unberechtigt ist. In einigen Fällen wie in Deutschland wurden die Templer sogar ohne jeden Prozess freigesprochen. Der Orden konnte somit weder verurteilt noch aufgehoben, sondern für den Moment nur suspendiert werden, was dann in die nachkommende brutale Verfolgung einmündete.

Der von Philipp IV. unterzeichnete Haftbefehl, in den alle Angehörigen des Templerordens eingeschlossen waren, trug das Datum des Festes Kreuzerhöhung 1307 (14. September). Der König hatte seinen Coup wohl organisiert, um eine eventuelle Flucht oder gar Widerstand der Templer im Vorhinein zu unterbinden – was ihm dennoch nicht gelang. Frühzeitig wurden den zuständigen Ämtern die Befehle des Königs zugestellt, die sie unter strengster Geheimhaltung am Abend des 13. Septembers (eines Freitags) öffnen sollten, um dann am Tag darauf gemeinsam in Aktion zu treten. Es handelte sich dabei um das erste durchorganisierte Polizeikommando der Geschichte.

Die Originaldokumente des Prozesses gegen die Templer, die sich im Besitz des Vatikanischen Geheimarchivs befinden, beweisen die Unbegründetheit des Häresievorwurfs und gestatten einen Blick auf eines der schmählichsten Verfahren der Rechtsgeschichte, das mit einem offenen Verstoß gegen die Privilegien des Ordens und das Kirchenrecht seinen Anfang nahm. Aus den Protokollen des Prozesses geht hervor, dass 231 Templer (einschließlich der Ordensregierung und der 17 für die Verwaltung an der Römischen Kurie zuständigen Ordensbrüder) verhaftet und verhört wurden. Diesen Zahlen steht die Tatsache gegenüber, dass im Königreich Frankreich mehr als 1000 Niederlassungen des Ordens zu verzeichnen waren. Der Großteil der Brüder wurde somit nicht unvorbereitet von der Verhaftungswelle erfasst, was sowohl beim Papst als auch beim König zu nicht geringer Besorgnis führte. Es bestand die wohlbegründete Gefahr eines okkulten Fortbestehens des Ordens, da er durchaus imstande war, angemessene Maßnahmen zum Schutz der Brüder (und wichtiger Besitzungen) zu treffen. Nicht zuletzt die historischen Belege für die Tatsache, dass es dem Orden möglich war, sich vor dem Angriff von König und Papst zu schützen, bildete in einer fernen Zeit den Grund für die verschiedensten (phantastischen) Spekulationen über das Verbleiben des Ordens (seiner Schätze und Geheimnisse).

Der König ließ die wenigen erfassten Templerritter zunächst von seinen Beamten verhören; die Heilige Inquisition wurde erst später eingeschaltet, wodurch dem Vorgehen des Königs eine nachträgliche Formalisierung zuteil wurde. Die Folter als Mittel der Befragung bis zum Geständnis wurde ausdrücklich mit dem Haftbefehl gefordert. Papst Clemens V. protestierte zwar am 27. Oktober 1307 scharf gegen die Verhaftung, die Beschlagnahmung der Güter und vor allem gegen die Verhörmethode der Folter. Als Gegenzug organisierte Philipp IV. einen Auftritt des letzten Großmeisters des Ordens Jacques de Molay zusammen mit einigen anderen hohen Vertretern des Ordens vor einer Gruppe von Kirchenmännern und Theologen. Jacques de Molay tat dabei etwas, was bis heute zu Spekulationen anregt und einen der Gründe für die späteren Templermythen darstellt: Er anerkannte alle dem Orden vorgeworfenen Verbrechen und unterzeichnete einen Aufruf an die Mitglieder des Ordens, wie er zu „gestehen“.

Am 18. März 1314 wurde der ehemalige Großmeister des Templerordens nach sieben Jahren Haft zusammen mit Hugo de Peraudo, Gottfried von Charney (Praezeptor der Normandie) und Gottfried von Gonnaville (Meister von Poitou und Guienne) vor der Kirche von Notre-Dame zu lebenslangem Kerker verurteilt. Das Urteil entrüstete de Molay so sehr, dass er die mit Gewalt erwirkten Geständnisse zurückzog und erklärte, dass sein Orden stets rechtgläubig, rein und heilig gewesen sei – dies in dem Wissen, dass ihm so der Tod auf dem Scheiterhaufen nicht erspart werden kann. Der kläglichen Haft zog er einen ehrenhaften Tod gegen ein Leben um den Preis der Lüge vor. Am Abend desselben Tages ist de Molay tot.

Clemens V. hatte versucht, mit der Bulle „Pastoralis preminentiae“ die Templer der Kontrolle des Königs zu entziehen. Philipp IV. jedoch hatte sich geweigert, die Templer dem Heiligen Stuhl zu übergeben und lies als Vergeltung eine Diffamationskampagne gegen den Papst organisieren: anonyme Pamphlete mit schweren Vorwürfen gegen Clemens V. überschwemmten Frankreich und begannen, sich auch in Europa zu verbreiten.

Den Templern wurde vorgeworfen, Christus zu leugnen, auf das Kreuz zu spucken, bei der Messfeier die Wandlungsworte des Kanons nicht zu sprechen, homosexuellen Praktiken zugeneigt zu sein, geheime Kapitel abzuhalten, die „absolutio complicis“ zu pflegen und ein bärtiges Götzenbild, den „Baphomet“, anzubeten. Wie sich heute aus den zur Verfügung stehenden Dokumenten eindeutig ergibt, ist die gegen die Templer vorgebrachte Anklage der Häresie und Apostasie unbegründet. Vielmehr war es so, dass im Laufe seines Bestehens die innere Ordensdisziplin schwächer wurde. Folge dieser Dekadenz war das Umsichgreifen schlechter Sitten, keinesfalls ein Abfall vom Glauben. Fünf Jahre kämpfte Papst Clemens V. mit dem französischen König um die Rettung der Templer und ließ endgültig auf dem Konzil von Vienne (1312) festhalten, dass die Templer keine Häretiker und Gottesfrevler sind.

Im Jahr 2007 legte der Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs, Bischof Sergio Pagano, die neue Zusammenstellung der Dokumentensammlung „Processus Contra Templarios“ (Vatikanstadt 2007) vor, in dem unter anderem das Chinon-Pergament enthalten ist, mit dem die Templer vom Vorwurf der Häresie freigesprochen worden waren und das in den vatikanischen Registern seit dem Jahr 1912 verzeichnet ist. Das Anliegen des Geheimarchivs bestand mit dieser Neuausgabe nicht in einer wie auch immer gearteten Rehabilitation des antiken Templerordens. Vielmehr wird es den Historikern so gestattet, wissenschaftlich weitergehend dieses „mittelalterliche Drama“ und seine Umstände zu vertiefen. Der Faksimile-Band der Prozessakten bietet die Möglichkeit, zusammen mit einem historischen Kommentar und den Transkriptionen der Dokumente einen leichteren Zugang zu bereits bekannten historischen Zeugnissen und Geschehnissen zu finden.

Seit über 700 Jahren übt die Geschichte des Templerordens und seiner immensen Schätze ihre Faszination auf die Menschen aus, was vor allem auch eine blühende Legendenbildung nach sich zog, die bis in unsere Zeit fortdauert. Viele Jahrhunderte nach seinem Verschwinden wurde der Geschichte seines Lebens und Sterben gerade in der Zeit der Aufklärung große Aufmerksamkeit zuteil. Dazu kam es vor allem auch durch das Aufkommen der Freimaurerei und anderer Geheimbünde, die alle danach strebten, sich einer antiken Deszendenz rühmen zu können, innerhalb derer gewisse Geheimnisse seit uralten Zeiten weitergegeben werden.

Der Heilige Graal, die Bundeslade oder, wie dies im Jahr 2009 von einer italienischen Historikerin in einem sehr kritisierten Werk vorgebracht worden ist (Barbara Frale, I Templari e la sindone di Cristo, Bologna 2009), das Heilige Grabtuch von Turin gehören zu den bevorzugten geheimnisvollen Gegenständen und Reliquien, denen der antike Orden sein Charisma und seine Macht zu verdanken gehabt hätte. Neben diesen neuen zweifelhaften Thesen, die einen wissenschaftlichen Anspruch erheben, erfreuten sich die Templer in der jüngsten Zeit durch verschiedenste Werke in Literatur und Kino größter Aufmerksamkeit. Es scheint, dass eine an Inhalten arme Zeit geradezu des Irrationalen und Legendenhaften bedarf, um der eigenen armen Geschichte ein erträgliches (oder unsägliches) Gewand zu verleihen.

Gerade mit diesem Aspekt der Templerlegende hatte sich bereits vor 26 Jahren der italienische Philosoph und Schriftsteller Umberto Eco in seinem Meisterwerk „Das Foucaultsche Pendel” (München 1989) auseinandergesetzt. In einem postmodernen Spiel legt Eco das durch eine fehlgeleitete Aufklärung verursachte Bedürfnis des Menschen nach einem Geheimnis offen, das an die Stelle der Wahrheit und des Wahrheitsvermögens tritt und eine „Parallelgeschichte“ erzeugt. Mit den Templern hat all dies nichts mehr zu tun. Ihre bewegte Geschichte endete ein für alle mal vor 700 Jahren.

Dem Autor auf Twitter folgen!


© 2014 www.kath.net