Ein Elefant im Porzellanladen

15. März 2014 in Chronik


Vor 500 Jahren mischte Dickhäuter Hanno den Vatikan auf. Von Alexander Brüggemann (KNA)


Rom (kath.net/KNA) Na klar ist Franziskus tierlieb - dafür bürgt ja schon der schöpfungsverbundene Name. Und Stallgeruch fordert er sogar ein von seinem Klerus. Ansonsten allerdings verbindet den Papst aus Argentinien herzlich wenig mit seinem Vorgänger Leo X. aus dem Hause Medici (1513-1521), der fast auf den Tag genau ein halbes Jahrtausend vor ihm zum Nachfolger Petri gewählt wurde. Der Renaissancefürst, jung, prunkliebend und verwöhnt, nannte viele exotische Tiere sein eigen. Doch was da am 19. März 1514, vor 500 Jahren, artig vor ihm niederkniete und trompetete, das war auch für den superreichen Florentiner spektakulär: Hanno, italienisch Annone, der neue Hauselefant des Papstes.

Rom und die Elefanten - seit Hannibals Marsch über die Alpen ein überaus spannendes Kapitel. Diesmal aber handelte es sich nicht um eine afrikanische Invasion. Hanno war Inder, ein Geschenk des portugiesischen Königs Manuel zur Papstwahl. Großzügig zwar, aber auch durchaus eigennützig - nannte sich Manuel doch «Herr der Eroberungen, der Seefahrt und des Handels mit Indien, Äthiopien, Arabien und Persien». Und der, der auf dem diplomatischen Parkett zwischen den kolonialen Interessensphären Spaniens und Portugals zu entscheiden hatte, war seit dem Vertrag von Tordesillas 1494 nun einmal - der Papst.

Hannos Seereise nach Rom und die Landgänge, gemeinsam mit 42 weiteren Exoten, sind von Zeitzeugen in buntesten Farben ausgemalt worden. Dächer seien unter den Schaulustigen zusammengebrochen, und für die letzten 120 Kilometer habe der Papst sogar seine Schweizergarde als Geleitschutz entsandt, weil der Menschenauflauf zu groß wurde. Schon die erste Begegnung setzte Leo in Verzücken - auch wenn der prunkvoll aufgeputzte Hanno gleich einen tiefen Schluck aus dem Eimer nahm und, tierisches Aspergill, die päpstliche Entourage mit Wasser besprengte.

Es muss ein Bild für die Götter gewesen sein: der pummelige Papst und sein Elefant in den vatikanischen Gärten. Verbürgt ist, dass Leo durchaus Zeit mit seinem liebsten Spielzeug verbrachte. Doch so prachtvoll die Prozessionen auf Roms Straßen mit dem Zierelefanten sein konnten, so pannenbeladen waren sie auch. Erst machte sich Leo im September 1514 einen derben Spaß daraus, seinen Hofnarren Baraballo, der sich selbst für genial hielt, aber offenbar immer am Rande des Wahnsinns taumelte, als vermeintlichen Dichterfürsten auf Hannos Rücken defilieren zu lassen. Das Tier ging durch, und der Künstler landete im Tiber. Ähnliches passierte im März 1515 beim Hochzeitsmarsch von Leos Bruder Giuliano de Medici. Im Menschentumult verlor Hanno erst die Nerven, dann den Halt. 13 Menschen starben.

Und auch mit ihm selbst nahm es kein gutes, dafür ein baldiges Ende. Wohl noch keine sechs Jahre alt, plagten Hanno im Frühjahr 1516 Atemnot und Verstopfung. War es Stress oder falsche Ernährung? Hingen die beiden Krankheitsbilder ursächlich zusammen oder nicht? Die Leibärzte des Papstes bekamen die Sache nicht in den Griff – und verschrieben eine elefantöse Dosis Abführmittel, nach den Gepflogenheiten der Zeit mit ordentlich Gold versetzt. Die teure Arznei führte zu nichts außer zum Tode am 8. Juni 1516. Hanno wurde ein Kollateralschaden kurialer Dekadenz.

Bei Grabungen auf dem Gelände der Vatikanischen Bibliothek förderten Archäologen 1962 riesige Zähne und sonstige tierische Überreste zutage. Sie hielten sie zunächst für Versteinerungen. Genauere Untersuchungen ergaben jedoch, dass der Fund von einem jungen Elefanten stammte. Mehr Überreste von Hanno gibt es künstlerischer und literarischer Art: Skizzen, Fresken, Karikaturen, Spottverse, ja sogar ein vermeintliches Testament Hannos, das mit den Missständen an der Kurie ins Gericht geht. Selbst Martin Luther spottet in einer seiner Schriften über die Elefantenliebe des Papstes. Der Epitaph, den Leo seinem Lieblingstier anfertigen ließ, ist dagegen nicht erhalten.

Ein Elefant im Porzellanladen Vatikan, der bei Bedarf kalte Duschen verteilt - das könnte dieser Tage durchaus wieder Konjunktur haben. Bislang fehlt freilich noch der König, der ihn stiftet.

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