Ganz nah beim Papst

14. März 2014 in Kommentar


Die Deutsche Bischofskonferenz wählte am 12. März Reinhard Kardinal Marx zu ihrem neuen Vorsitzenden. Gernot Facius stellt den 60-jährigen Erzbischof von München und Freising im Folgenden vor (idea)


München (kath.net/idea) Der Mann an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz ist nicht der Papst in Deutschland, er ist auch kein Oberbischof, der seinen Amtsbrüdern sagen könnte, wo es langgeht, sondern ein Moderator unter ansonsten gleichberechtigten Partnern. So war es bislang und so wird es auch unter Reinhard Kardinal Marx (Foto) sein. Nur mit einem großen Unterschied: Keines der rund 70 Mitglieder der Bischofskonferenz ist so nahe dran an Papst Franziskus wie Marx, Erzbischof von München und Freising. Der gebürtige Westfale ist an die Stelle von Robert Zollitsch (75) getreten, der inzwischen als Freiburger Erzbischof emeritiert ist und nicht mehr zur Wahl stand. Vor 6 Jahren, als es um die Nachfolge von Karl Kardinal Lehmann als Episkopats-Vorsitzender ging, war der als „Favorit“ gehandelte Marx Zollitsch unterlegen, nun hat er sich durchgesetzt. Allerdings erst im fünften Wahlgang.
Die Evangelisation ist die wichtigste Aufgabe

Das muss dem ehemaligen Professor für Christliche Sozialwissenschaft nicht unbedingt schaden, denn erstmals haben die Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe auf Anregung von Zollitsch und unter dem Eindruck des „Franziskus-Faktors“ in einer Art Vorkonklave über die Anforderungen an den neuen Vorsitzenden diskutiert. Das bot Gelegenheit genug, über Auswege aus dem Ansehensverlust der Kirche zu diskutieren und auch andere potenzielle Kandidaten in die Überlegungen für die Zollitsch-Nachfolge einzubeziehen.

Und so kann man aus dem Votum für Marx, fast auf den Tag ein Jahr nach der Franziskus-Wahl, durchaus ein ehrliches Resultat herauslesen. Es war ja nie ein Geheimnis, dass einer ganzen Reihe von Bischöfen die Machtfülle des Münchener Kardinals missfiel. Der Sozialethiker hat Ämter und Positionen geradezu angehäuft: Vorsitzender der bayerischen Bischofskonferenz, Vorsitzender der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, Mitglied des aus 8 Kardinälen bestehenden päpstlichen Beraterkreises, der Vorschläge für eine Reform der Kurie machen soll, und vor kurzem gab der Vatikan bekannt, dass Marx auch den neu geschaffenen Wirtschaftsrat in Rom koordinieren soll.

Zu viel (Kirchen-)Politiker, zu wenig Gottesmann? Als wolle er dieses Vorurteil, das ihm vor allem in traditionalistischen Kreisen begegnet, ein für alle Mal aus der Welt schaffen, hat Marx in seiner Predigt am Wahltag gesagt, was für ihn die wichtigste Aufgabe der Kirche ist: die Evangelisierung. „Denn in Deutschland sind vielleicht viele Menschen getauft, aber sind sie wirklich schon ‚evangelisiert‘?“ Und er fügte hinzu; „Sind wir wirklich schon ‚evangelisiert‘?“

In Pastoral und Verkündigung gehe es nicht um eine Veränderung von Glaubensinhalten, nicht um falsche Anpassung an den sogenannten Zeitgeist, sondern um eine „neue Schwerpunktsetzung auf das Zentrum des Glaubens, auf das Kerygma, wie es Papst Franziskus in seinem Lehrschreiben Evangelii Gaudium (Freude des Evangeliums) unterstreicht.“

Es warten viele Baustellen
Mit ihrer Entscheidung für Reinhard Marx als Zollitsch-Nachfolger kehrt die Bischofskonferenz zu einer Tradition zurück, wie sie bis zur Wahl von Karl Lehmann im Jahr 1987, damals „nur“ Bischof, Bestand hatte: Die Kardinäle von München und Köln leiteten abwechselnd die Konferenz. Wer sich zu den „Senatoren“ des Papstes zählen darf, dem stehen die vatikanischen Türen eher offen als einem Vorsitzenden ohne den Kardinalspurpur.

Immer wieder kam es vor, dass Lehmann in seiner Frühzeit und später Zollitsch in heiklen Angelegenheiten in der römischen Kurie vorsprachen und erleben mussten, dass dort längst deutsche Kardinäle ihre, meist abweichende, Meinung deponiert hatten. Dem neuen Vorsitzenden Marx kann das kaum passieren, er hat als enger Papst-Berater direkten Zugang zu Franziskus. Sein Vorgänger Zollitsch musste mit dem Vorwurf leben, er favorisiere einen deutschen Sonderweg in kirchenpolitischen und moraltheologischen Fragen, etwa beim heiklen Problem der Zulassung wiederverheirateter geschiedener Katholiken zu den Sakramenten.

Marx übernimmt diese „Baustellen“. Von ihm wird erwartet, dass er die auseinanderdriftende Herde zusammenhalten kann: im Fall des unglücklichen Limburger Bischofs Tebartz-van Elst, bei einem Schlussstrich unter den Missbrauchsskandal, bei der Lösung der „Weltbild“-Affäre und in der politischen Debatte um die Kirchenfinanzierung.

Nicht von ungefähr hat der in Münster anwesende Apostolische Nuntius Nicola Eterovic – der Vertreter des Papstes in Deutschland – die Bischöfe zur Einheit aufgefordert. Es ist den vatikanischen Instanzen nicht verborgen geblieben, dass vor allem in Sachen Ehelehre und Familienpastoral die Positionen der Hirten weit auseinandergehen – zwar noch nicht so weit wie in der EKD, aber es gibt die Dauerkritik an der Moralenzyklika „Humanae vitae“ von Papst Paul VI. aus dem Jahr 1968, die sich unter anderem gegen den Gebrauch künstlicher empfängnisverhütender Mittel wendet.

Hier zeigen sich besonders deutlich die Differenzen mit Rom. Papst Franziskus hat sich nachdrücklich hinter dieses Dokument gestellt, es als prophetisch gelobt. In Deutschland hingegen sind nur wenige Bischöfe bereit, dem Beispiel des Pontifex zu folgen. Nach wie vor existiert zum Ärger Roms die „Königsteiner Erklärung“, die einige Aussagen des päpstlichen Lehrschreibens zu relativieren versucht. Der Neue an der Spitze des Episkopats muss jetzt dafür sorgen, dass es nicht zu neuen Polarisierungen kommt. Denn Verkündigung, Katechese und die von Benedikt XVI. intendierte „Entweltlichung“ werden auch unter Kardinal Marx die großen Themen bleiben. Die Frage wird auch sein, wie es mit dem unter Robert Zollitsch eingeleiteten Dialogprozess weiter geht.

Das Talkshow-taugliche Gesicht der katholischen Kirche

Zollitsch sah in diesem Projekt das Zeichen einer „neuen Gesprächskultur“, Marx war einer von 3 Koordinatoren. Besonders stark gemacht hat er sich für das Zollitsch-Unternehmen nicht. In seiner Münchener Erzdiözese haben Priester und Laien schon vor Jahren 61 Reform-Empfehlungen in einem „Zukunftsforum“ erarbeitet, konkrete Ergebnisse gibt es nicht. Daher wurde in München die Nachricht, dass ihr Erzbischof jetzt das (Talkshow-taugliche) Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland und somit ihr oberster Krisenmanager ist, mit gemischten Gefühlen aufgenommen.

Die EKD darf sich freuen: Marx hat keine Berührungsängste gegenüber Protestanten. Das Verhältnis zum Landesbischof der bayerischen Lutheraner, Heinrich Bedford-Strohm, ist gut.

Der Autor, Gernot Facius (Bonn), gilt als einer der besten Kenner der katholischen Kirche unter deutschen Journalisten.

Pressekonferenz der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) - Kardinal Marx wird als neuer DBK-Vorsitzender vorgestellt


Kurzporträt des neuen DBK-Vorsitzenden Kardinal Marx

Foto: Kardinal Marx im Petersdom während der Dankmesse anlässlich des Konstitoriums


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