'Die Zeit': Kasper forderte Vatikan-Umdenken bei Sexualmoral

28. Februar 2014 in Weltkirche


Kardinal: Bibel versteht Gebote nicht als Last, sondern als Wegweisung - Schönborn lobt Kasper für "hervorragendes" Referat


Hamburg-Rom-Wien (kath.net/KAP) Der deutsche Kardinal Walter Kasper (80) hat ein Umdenken der katholischen Kirche bei der Ehe- und Sexualmoral gefordert. Das bloße Pochen auf Regeln überzeuge keinen Menschen, sie auch einzuhalten, zitiert die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag) aus der bislang unveröffentlichten Rede Kaspers vor dem Papst und dem Kardinalskollegium. Die Bibel verstehe die Gebote nicht als Last und Einschränkung der Freiheit, sondern als Wegweisung zu einem erfüllten Leben.

Der frühere "Ökumeneminister" des Vatikans (2001-10) plädierte für einen Weg der Kirche zwischen Rigorismus und laxer Einstellung. "Barmherzigkeit ist keine billige Gnade, die von Umkehr dispensiert", zitiert die Zeitung den Dogmatik-Professor mit Blick auf die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten. "Aber die Sakramente sind auch keine Belohnung für Wohlverhalten und für eine Elite, welche die ausschließt, die der Sakramente am meisten bedürfen."

Mit Blick auf die Zulassung zur Kommunion forderte Kasper in seiner Rede Reformen: "Wenn ein geschiedener Wiederverheirateter bereut, dass er in erster Ehe versagt hat, wenn er sich nach Kräften mühte, die zweite zivile Ehe aus dem Glauben zu leben, können wir ihm dann das Sakrament der Buße und die Kommunion verweigern?"

Papst Franziskus persönlich hatte den deutschen Kurienkardinal mit dem Verfassen der Rede beauftragt, die er vor der Vollversammlung der 150 Kardinäle in Rom am 20. Februar hielt.

Laut der "Zeit" forderte Kasper, die Kirche müsse ihre Furcht vor Veränderung überwinden: "Angst hat nichts Christliches." Er plädierte dafür, dass die Kirche auf die heutige Realität der katholischen Laien eingeht und Sünden vergibt. "Wir glauben ja auch an die Vergebung der Sünden. An die Möglichkeit, neu anzufangen."

Kardinal Reinhard Marx hatte nach dem Konsistorium erklärt, der Vortrag von Kardinal Kasper habe die "Ouvertüre" zu einer Diskussion geliefert, die - ohne etwas vorwegzunehmen - so schnell nicht enden werde. Vor allem Kaspers Ausführungen zur Geschiedenenpastoral diskutierten die Kardinäle intensiv - und auch kontrovers. Papst Franziskus lobte anschließend die "profunde Theologie" des bald 81-Jährigen. Er hatte den Deutschen gebeten, sich auf die drängenden Fragen und weniger auf mögliche Antworten zu konzentrieren.

Kardinal Schönborn von Kasper beeindruckt

Genau dies lobte auch Kardinal Christoph Schönborn in der jüngsten Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag": Kasper habe in seinem "hervorragenden" und "blendend formulierten" Referat bewusst "keine fertigen Lösungen angeboten". Das entpreche auch den Planungen für die beiden Bischofssynoden zum Thema: Die erste im kommenden Oktober solle zunächst einmal "sondieren, wo die Familien der Schuh drückt". Erst bei der Synode 2015 sollen dann - so Schönborn - "konkrete seelsorgliche Orientierungen" gefunden werden.

Über eine Publikation der Ausführungen Kardinal Kaspers entscheidet nun der Papst. Der Vatikan veröffentlichte das Referat vorerst nicht im Wortlaut. Einzelne Passagen wurden bereits vor der "Zeit" vom italienischen Vatikanisten Andrea Tornelli zusammengefasst. Er publizierte sie im Internetportal "Vatican Insider".

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