Nicht nur Ratzingers Erbe

21. Februar 2014 in Weltkirche


Kurienpräfekt Gerhard Ludwig Müller wird Kardinal. Von Christoph Renzikowski (KNA)


Vatikanstadt (kath.net/KNA) Unter den 19 neuen Kardinälen der Weltkirche ist auch ein Deutscher. Das ist zunächst wenig überraschend – denn bislang zählte der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation stets zu den Purpurträgern. Dennoch war zu Jahresbeginn mit Spannung erwartet worden, ob Kurienerzbischof Gerhard Ludwig Müller (Foto) in den exklusiven Kreis der Papstwähler aufgenommen würde. Manche Beobachter verbanden damit nichts weniger als eine Richtungsentscheidung - hatten Medien in Müller doch den angeblich «hartnäckigsten Gegenspieler» des neuen Papstes ausgemacht.

Der Betroffene tat dies als Ausgeburt einer «schlechten Fantasie» ab. Gegen diese Sichtweise sprach zudem, dass Franziskus den 66-jährigen gebürtigen Mainzer als einen der ersten leitenden Kurienmitarbeiter im vergangenen September in dem Amt bestätigte, das ihm 2012 noch von Benedikt XVI. übergeben worden war. Andere vertraute Weggefährten des deutschen Papstes mussten dagegen ihren Hut nehmen, etwa Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone.

In der Wahrnehmung von Müller und seiner Rolle vor allem in Deutschland wiederholt sich einiges von dem, was schon Joseph Ratzinger widerfahren war. Manches verbindet die Biografien der beiden Kirchenmänner. So erwarben sich beide vor ihrer Berufung nach Rom internationale wissenschaftliche Reputation als Theologen. Müller war zuvor zehn Jahre Bischof in Regensburg, Ratzingers letzter Station als akademischer Lehrer. Nach seiner Wahl zum Papst vertraute Benedikt XVI. Müller die Herausgabe seiner gesammelten theologischen Schriften an.

Als eine Konstante erweisen sich auch Auseinandersetzungen mit den deutschen Bischöfen. Bei Ratzinger ging es um die Schwangerenkonfliktberatung, aber auch um den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene, den damals einige südwestdeutsche Bischöfe ermöglichen wollten. Ratzinger gab in beiden Bereichen keinen Millimeter nach. Im Beratungsstreit setzte er schließlich mit Papst Johannes Paul II. (1978-2005) nach jahrelangem Streit den
Ausstieg der katholischen Kirche in Deutschland aus der gesetzlichen Pflichtberatung mit Scheinausstellung durch.

Der Konflikt um das zweite Thema schwelt noch. Müller hat es von Ratzinger «geerbt»; und seit abermals aus dem Südwesten ein erneuter Vorstoß vorliegt, hat er sich wieder verschärft. Bisher ist Erzbischof Robert Zollitsch aus Freiburg einer Aufforderung Müllers nicht nachgekommen, das diözesane Seelsorgepapier zurückzuziehen, das Ausnahmen vom Ausschluss Wiederverheirateter von den Sakramenten beschreibt.

Zollitsch hat sich inzwischen bei einigen deutschen Bischöfen und auch an der Kurie Rückendeckung für sein Vorgehen geholt. Durch aktuelle Umfragen kann er sich zusätzlich bestärkt fühlen. Letztlich werden die Weltbischofssynode im Herbst und der Papst über eine Lösung des Problems befinden.

Müller ist aber nicht nur Ratzingers Nachlassverwalter. In einigen theologischen und kirchenpolitischen Feldern hat er sich eigenständig positioniert. Gegenüber den traditionalistischen Piusbrüdern, die Benedikt XVI. durch Zugeständnisse zurückzugewinnen hoffte, plädierte der Erzbischof auch öffentlich frühzeitig für eine härtere Gangart.

An der deutschen Kirchensteuer will Müller nicht rütteln - und er ist ein erklärter Sympathisant der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung, wenn auch eher ihrer gemäßigten Variante. Doch das genügte schon, um ihm in Rom und auch in konservativen südamerikanischen Kirchenkreisen das Etikett eines Linken einzutragen. Am Dienstag erscheint sein neues Buch: «Arm für die Armen» - mit einem Vorwort von Papst Franziskus.

Hartnäckig haftet Müller zudem das Image eines verbissenen, humorlosen Zeitgenossen an. Dabei kann er sehr witzig sein. Als der Sohn eines Fließbandarbeiters bei Opel einmal gefragt wurde, wie er sein Amt als «Kettenhund des Papstes» versehen wolle, antwortete Müller, er wolle «weder Kette noch Hund» sein.

Der zukünftige Kardinal Müller kommt zu Kongress «Freude am Glauben» (25. bis 27. Juli in Fulda). Weitere Informationen: Kongress „Freude am Glauben“

Bayrisches Fernsehen: Kurzportät des designierten Kardinales Erzbischof Gerhard Ludwig Müller


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Foto Glaubenspräfekt Müller (c) Siciliani/Gennari/SIR


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