Ex-Bundesverfassungsrichter: Kirchen sollten weniger politisch reden

15. Februar 2014 in Deutschland


Udo di Fabio: Von Gott und der frohen Botschaft 'höre ich manchmal zu wenig'


Landau (kath.net/idea) Die Kirchen sollten weniger politisch reden. Dafür hat sich der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio (Bonn), ausgesprochen. Zwar sei es eine Garantie für das Gelingen des freiheitlich-demokratischen Staatssystems gewesen, dass sich die Kirchen klar zu dieser Staatsform bekannt hätten: „Aber das Politische ist für eine Kirche nie das Zentrale.“ Das sei vielmehr „Gott und die frohe Botschaft, und da höre ich manchmal zu wenig“, sagte der Katholik auf einer Tagung der Mitglieder kirchlicher Gerichte der Evangelischen Kirche der Pfalz in Landau. Dabei ging es um das Thema „Die Bedeutung der christlichen Wurzeln Europas für den Prozess der Europäischen Integration“. Diese Wurzeln stellten das Selbstverantwortliche des Menschen in den Vordergrund, so di Fabio laut einer Mitteilung der pfälzischen Kirche vom 11. Februar. Das „Große der Reformation“ sei die Betonung der Mündigkeit gewesen, selbst die Bibel lesen zu können.

Der Jurist warnte vor „neuen Totalitarismen“ in der Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders in Deutschland und Europa: „Totalitarismus tritt dann auf, wenn man einen neuen Menschen erfinden oder diese Welt perfekt machen will.“ Die perfekte Welt sei nach christlicher Sicht aber erst im Jenseits anzutreffen. Di Fabio beobachtet eine „sozialtechnische Überorientiertheit westlicher Gesellschaften“. In einem freiheitlichen Gemeinwesen seien jedoch die Bürger selbst verantwortlich, nicht allein der Staat. Er wandte sich ferner dagegen, Idealbilder der Vergangenheit zu zeichnen: „Das christlich homogene Europa hat es so nie gegeben.“

Theologieprofessor: Europa ist wie ein Garten

Der evangelische Tübinger Theologieprofessor Christoph Schwöbel vertrat die Ansicht, dass die Kirchen dazu berufen seien, das gesellschaftliche Leben in Europa mitzugestalten: „Die christliche Ökumene ist im 20. Jahrhundert der eindrücklichste Versuch, Gemeinschaftsstrukturen zu etablieren, die weder in der Herrschaft der Macht noch in der Dominanz des Marktes begründet sind, sondern in den Glaubensüberzeugungen der an ihr beteiligten Menschen und Gemeinschaften.“ Schwöbel verglich Europa mit einem Garten, „in dem Vielfalt und Zusammengehörigkeit zum gemeinsamen Wachstum kultiviert werden“. Freilich sei der Garten kein Paradies, er müsse durch Arbeit und Kampf gegen das Unkraut kultiviert werden. Dazu zählte Schwöbel den Nationalismus, der immer ein Gegenbild schaffen müsse, um die eigenen Stärken zu betonen. Der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad (Speyer) sagte, Europa sei nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern „zugleich eine geistig-moralische Aufgabe, eine Wertegemeinschaft, die unter dem Primat der Menschenwürde und Menschenrechte lebt“. Die prägenden Werte seien Freiheit, Gleichheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Foto: (c) www.bundesverfassungsgericht.de


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