Bartholomaios I.: Kriege mit Islam begannen nicht wegen Religion

12. Februar 2014 in Chronik


Scharfe Absage an These von Unvermeidbarkeit eines Aufeinanderprallens der Kulturen/"Clash of civilizations"


Istanbul (kath.net/KAP) Eine scharfe Absage an die These von der Unvermeidbarkeit eines Aufeinandersprallens der Kulturen ("Clash of civilizations") hat der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. (Foto) beim 17. "Eurasian Economic Summit" in Istanbul formuliert. Historisch gesehen hätten Konflikte zwischen Christen und Muslimen ihre Wurzeln "normalerweise" in der Politik und nicht in der Religion gehabt.

Freilich sei es vorgekommen, dass nationale Führer Aggressionen zwischen Christen und Muslimen anstacheln wollten oder dass Politiker religiöse Begriffe missbrauchten, um Fanatismus und Feindschaft zwischen den Völkern anzuheizen, räumte das orthodoxe Oberhaupt ein. Mit der "wahren Natur und dem Ziel von Religion" habe eine derartige Instrumentalisierung allerdings nichts zu tun.

Es müsse klar sein, dass "Krieg und Gewalt" nicht etwas Selbstverständliches seien, unterstrich der Ökumenische Patriarch. Es bedürfe aber individueller ebenso wie "institutioneller Entscheidungen" für den Weg des Friedens. Diese seien die Voraussetzung für friedliche Koexistenz und enge Zusammenarbeit - trotz aller Unterschiede von Glaubensüberzeugung und Kultur.

Bartholomaios I. erinnerte daran, dass Christen und Muslime im Kontext des Byzantinischen und dann des Osmanischen Reiches in der selben geografischen Region zusammengelebt haben, "üblicherweise mit der Unterstützung der religiösen Autoritäten der beiden monotheistischen Religionen". Diese historischen Modelle zeigten auch Möglichkeiten für die heutige, von Pluralismus und Globalisierung gekennzeichnete Welt, auf.

Es sei eine grobe Vereinfachung, zwischen einer Kultur des "Ostens" und einer Kultur des "Westens" zu unterscheiden. Man unterstelle, dass die beiden ohne Verbindung seien oder niemals in kreativer Weise zueinander finden könnten.

Der Patriarch verwies auf die Analysen des russischen Byzantinisten Aleksander Wasiljew (1867-1953). Wasiljew habe den Einfluss der kulturellen Kooperation zwischen den "beiden stärksten und fruchtbarsten Kräften des Mittelalters" - Byzanz und Islam - auf Entstehung und Ausbreitung der italienischen Renaissance herausgearbeitet.

Auf diesem Hintergrund sollte die Aufmerksamkeit nicht auf einen angeblich unvermeidlichen "Clash of civilizations" gerichtet werden. Vielmehr müsse die gegenseitige Bereicherung durch die Begegnung von unterschiedlichen Kulturen betont werden.

In diesem Zusammenhang zitierte der Patriarch ein "paradoxes Wort" des zeitgenössischen türkischen Schriftstellers Turan Oflazoglu: "Wir müssen uns mit jenen Aspekten der fremden Kultur bereichern, die unserer Natur nicht entsprechen."

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