Grundlage für den Jesuitenhass

20. Jänner 2014 in Chronik


Vor 400 Jahren erschienen in Krakau die «Monita Secreta». Von Alexander Brüggemann (KNA)


Frankfurt (kath.net/KNA) Der Jesuitenorden ist die größte männliche Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche. Und seit seiner Gründung im 16. Jahrhundert haften ihm zahlreiche Vorurteile an, die sich als sehr haltbar erwiesen haben. Ein Grund dafür sind die «Monita secreta», die sogenannten «geheimen Instruktionen» der Jesuiten.

Diese Schrift, in der Form einer ordensinternen Anweisung des Generals an die Provinzialoberen formuliert, erschien erstmals 1614, vor 400 Jahren, in gedruckter Form. Und obwohl sie wissenschaftlich längst als eine Fälschung identifiziert sind, befeuern sie bis heute über Internet-Blogs Negativurteile über die «Gesellschaft Jesu».

Als eine «Gebrauchsanleitung Satans» wird das Dokument polemisch bezeichnet, das 1614 in Krakau in Druck ging. Es handelt davon, wie die Leitung des Ordens vermeintlich dazu auffordert und instruiert, reiche Witwen zur Erblassung an die Jesuiten zu bewegen, Organisationen und Parteiungen zu gründen und dann gegeneinander aufzuhetzen, Regierungen durch finanzielle und politische Manöver zu stärken oder zu Fall zu bringen, Monarchen, Politiker und Bankiers über Ränke oder über den Beichtstuhl vor den Karren der Ordensinteressen zu spannen, kurz: immer und überall seine Finger ins Spiel zu bringen, ja das Spiel letztlich in die eigene Richtung zu lenken und dabei selbst vor Kriegen nicht zurückzuschrecken.

Wiederholt wird die Klugheit der Schlange betont, die sich einfältig
wie die Taube zu geben weiß. Wörtlich heißt es an einer Stelle: «Auch wird es nicht wenig Vorteil bieten, die Zwistigkeiten der Großen und Fürsten in vorsichtiger Weise zu nähren (...). Wenn man aber bemerkt, dass eine Versöhnung wahrscheinlich ist, so soll sich der Orden zuerst bestreben, den Frieden herbeizuführen, damit man ihm von anderer Seite nicht zuvorkommt.» Bis heute haftet der Gesellschaft Jesu eine angebliche «Jesuitenmoral» an, die je nach der Notwendigkeit des Augenblicks Gutes als schlecht und Schlechtes als gut darzustellen wisse.

Als erster unterzog 1615 der Krakauer Erzbischof Piotr Tylicki die Monita einer umfassenden Prüfung. Er schrieb die Autorenschaft einem früheren Jesuiten zu, Hieronymus Zahorowski, der sie aus Rachsucht verfasst und zunächst handschriftlich verbreitet habe. So sei sie tatsächlich auch in den Besitz von Jesuiten gekommen - was wiederum als Beleg für ihre vermeintliche Echtheit angeführt werden konnte. Ein subtiler Schachzug mit tatsächlicher Wirkungsgeschichte. Wenn sich auch der Glaube an die Echtheit nicht durchsetzte - nach dem Motto «etwas bleibt immer hängen» spielten die Unterstellungen der Monita auch bei den Verboten des Ordens im 18. und 19. Jahrhundert eine Rolle.

Selbst wissenschaftliche Koryphäen und Jesuitengegner wie der französische Jansenist Antoine Arnaut (1612-1694), der katholische Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger (1799-1890) oder sein protestantischer Kollege Adolf von Harnack (1851-1930) wiesen die vermeintliche Geheimschrift eindeutig als Fälschung aus. Dennoch bleibt sie bis heute ein gefundenes Fressen für verquaste Verschwörungstheoretiker.

So heißt es auf der Website «hure-babylon.de»: «Kein Wunder, dass Politiker wie Bush, Blair, Merkel usw. dem Papst hinterherhecheln (...) Seine Jesuiten-Armee hat ganze Arbeit geleistet. Niemand merkt, wie der Antichrist, der Papst, das 2. Tier der Offenbarung, die USA und ihre Trabanten für seine Zwecke benutzt, um das Reich Satans auf Erden auszubauen (...)». Diese düstere Prognose müsste inzwischen, wo seit März 2013 selbst der Papst erstmals in der Kirchengeschichte ein Jesuit ist, allmählich Wirklichkeit werden.

Solcherart Anwürfe sieht der Kirchen-, Konzils- und Ordenshistoriker Klaus Schatz von der Jesuitenhochschule Sankt Georgen in Frankfurt sehr gelassen: «Dass sich Leute im Netz auf die Monita secreta berufen, wird man nie ganz abstellen können.» Im Internet gebe es eben «kein wissenschaftliches Korrektiv, keine Bremse». Dass freilich dem Orden, dessen Kürzel SJ (für «Societas Jesu») auch schon mal mit «schlaue Jungs» übersetzt wird, eine gewisse Weltgewandtheit und Wendigkeit zu eigen ist, dafür gibt auch der neue Papst ständig neuen Beleg.

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