Schrecksekunde oder Entspannungsrunde?

10. Jänner 2014 in Deutschland


Es war ein Deja vu als die Meldung über die Ticker ging, dass der neue Bundesgesundheitsminister plant ein Gesetz zum Verbot der Hilfe bei Selbsttötung plant. Ein Gastkommentar von Peter Winnemöller (Der Durchblick)


Berlin (kath.net/Der Durchblick) Es war ein Deja vu als die Meldung über die Ticker ging. Der neue Bundesgesundheitsminister plant ein Gesetz zum Verbot von Hilfe bei Selbsttötung. Gerade gut ein Jahr liegt es zurück, daß der Entwurf zum geplanten §217 StGB endlich in den Schreddern des Parlamentes gelandet war. Die damalige Justizministerin wollte ein Gesetz erlassen, das etwas verbietet, das es im Grunde so gar nicht gibt. Gewerbliche Hilfe bei Selbsttötung sollte verboten werden. Organisationen, die sich aktive Sterbehilfe auf die Fahnen geschrieben haben, waren jedoch vorbereitet, weil sie längst als gemeinnützige Vereine organisiert waren. Demzufolge hätte das Gesetz nicht nur nichts wirklich verboten, es hätte sogar den Sterbehilfevereinen Bestands- und Gebietsschutz gegeben. Die damals aktiven Streiter erinnern sich noch gut an die Zeit vor etwa einem Jahr, als nach einer Kampagne mit massivem Engagement unter Federführung des Durchblick e.V. gelungen war, diese Pläne als Mogelpackung zu entlarven und dieses Gesetz zu verhindern.

Die aktuelle Initiative von Bundesgesundheitsminister Gröhe ließ sofort die Alarmglocken klingeln. Auf Facebook und Twitter machte die Meldung schnell die Runde. Ist erneut Gefahr im Verzug, so fragte mancher. Es gilt sehr wohl wachsam zu bleiben, denn die Gefahr einer lebensgefährlichen Gesetzgebung in dieser Frage ist nicht gebannt. Wohl sagt das Parteiprogramm der CDU eindeutig: „CDU und CSU lehnen die aktive Sterbehilfe ab und setzen sich dafür ein, dass die gewerbsmäßige und organisierte Hilfe zur Selbsttötung künftig unter Strafe gestellt wird." Damit kann vielleicht erst einmal durchgeatmet werden. Öffentlich erklärte Bundesgesundheitsminister Gröhe der Rheinischen Post: "Ich wünsche mir, dass wir jede geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen." Die gewerbsmäßige und organisierte Hilfe zur Selbsttötung soll unter Strafe gestellt werden, so ist die offizielle Position der CDU und CSU. Da kann sich niemand mehr herausreden, auch wenn die Aussage des Ministers nicht ganz klar ist.

Im Koalitionsvertrag konnten sich CDU, CSU und SPD nämlich nicht auf eine gemeinsame Linie in dieser Frage einigen. Es ist bereits jetzt abzusehen, daß es kein glattes Verfahren werden wird. Der Fraktionszwang wird aufgehoben sein und es wird fraktionsübergreifende Gruppenanträge geben. Auch in der CDU wird die Linie des Parteiprogramms nicht von allen Abgeordneten so eindeutig vertreten, wie es das Parteiprogramm zunächst annehmen läßt.

So ist der jetzige Vorstoß von Gröhe wahrlich kein Signal zur Entwarnung, denn es gibt noch keinen Entwurf. Damit bleibt es weiterhin notwendig, den Blick auf ein mögliches Gesetzgebungsverfahren zu halten, damit nicht am Ende doch ein Schlupfloch geöffnet und der Damm zu aktiver Sterbehilfe gebrochen wird. Sehr deutlich gegen jede Form von aktiver Sterbehilfe hat sich hingegen Franz Müntefering in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen zu Wort gemeldet und damit die Diskussion für diese Legislaturperiode eröffnet. Bleibt zu hoffen, daß die SPD diese Gedanken ihres ehemaligen Vorsitzenden ernst nimmt und im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt.

Es gilt noch immer, den Anfängen zu wehren. Noch gibt es kein Gesetz, das Menschen in dieser Frage vor den falschen Helfern schützt. Ist das Tor zu einer wie auch immer verkleideten aktiven Sterbehilfe erst geöffnet, ist niemand mehr sicher. Euthanasie wird in den Niederlanden inzwischen auch an Minderjährigen und an Neugeborenen verübt. Leben wird dann zu einer Abwägung von Nützlichkeit. Unnützes Leben ist zu beenden, so lautet die grausame letzte Konsequenz aus allen Angriffen auf das Lebensrecht in jeder Phase menschlichen Lebens. Es ist eine finstere Kultur des Todes, die als Damoklesschwert über uns schwebt und der es sich entgegen zu stellen gilt. Auch Europa blickt in dieser Frage auf Deutschland. Als eines der größten Länder in der EU werden hier ethische Maßstäbe gesetzt, an denen sich andere Länder aber auch die europäische Gemeinschaft insgesamt orientieren werden.

Ein Dammbruch in unserem Land hätte fatale Folgen. Wer will am Ende dem sozialen Druck noch standhalten, wenn das kostengünstige Ableben gegen eine kostenintensive Pflege aufgewogen wird? Was nämlich zunächst als ein Recht verkauft wird, wird am Ende eine „moralische“ Pflicht sein. Was als Menschenwürde verkauft wird, ist nichts anderes als endgültige Entwürdigung eines Menschen. Wer würde leugnen wollen, daß die Würde des Menschen an seine Existenz gekoppelt ist? Wer würde ernsthaft bestreiten wollen, daß eine Gewalttat gegen Leib und Leben eines Menschen nicht auch ein Angriff auf seine Würde wäre? Wie Franz Müntefering zu Recht schreibt: „Die Würde des Menschen hat nichts zu tun damit, ob er sich selbst den Hintern abputzen kann. Nichts damit, ob er bis 100 zählen und ob er sich erinnern kann. Es gibt Menschen, die können das nie, und solche, die können das nach Krankheiten oder Unfällen oder altersbedingt nicht mehr. Lebten sie nicht in Würde?“

Die aktive Tötung oder die aktive Hilfe zur Selbsttötung eines kranken Menschen als einen Akt zu verkaufen, der die Würde wahren soll, ist ein Zynismus der kaum noch zu überbieten ist.

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Grafik © Peter Esser


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