Basler Bischof Gmür kann sich 'eine Frau am Altar vorstellen'

12. November 2013 in Kommentar


Dies sagte der Bischof tatsächlich. Trotzdem fällt ein kritisches Fazit seines Interviews deutlich anders aus, als sich das seine energischen Interviewer erhofft haben. Ein kath.net-Kommentar von Petra Lorleberg


Basel (kath.net/pl) „Ich persönlich kann mir eine Frau am Altar vorstellen.“ Dies sagte der Basler Bischof Felix Gmür im Interview mit der „Aargauer Zeitung“. Es ging darum, dass die Synoden der römisch-katholischen Kirchen Basel-Stadt und Baselland im Juni 2013 die Gleichstellungsinitiative angenommen hatten. Der Satz des Bischofs, er könne sich eine Frau am Altar vorstellen, schaffte es auch gleich zur Überschrift. Doch liest man das gesamte Interview, so stellt man fest: Zwar hat der Bischof tatsächlich diesen Satz gesagt, doch die beiden energischen Interviewer (Aline Wanner und Andreas Maurer) mussten tüchtig nachhaken, bis sie diese Aussage zu hören bekamen. Was also äußerte der Bischof im einzelnen?

Durch die Gleichstellungsinitiative, erläuterte Gmür, werden die Behördenmitglieder der Kirche „dazu aufgefordert, auf die Weihe von Frauen hinzuwirken. Das kann sie in Gewissenskonflikte bringen, weil die Weihe von Frauen in Lehre und Recht der Kirche nicht vorgesehen ist, sie widerspricht dem Kirchenrecht sogar“. Der Bischof wies explizit auf die Problematik hin, dass der „vorgeschlagene Verfassungstext sein Rechtsfeld verlässt“.

„Im Anschluss an die Schöpfungsgeschichte“, so der Basler Bischof weiter, „hält die Kirche daran fest, dass Männer und Frauen verschieden sind. Die wahre Gleichheit besteht darin, dass man ihre Verschiedenheit anerkennt.“

Dabei sei die „Denkweise der Kirche“: „Es gibt einen Unterschied zwischen der Zulassung von Frauen und von verheirateten Männern zum Priesteramt. Dass der Mann ledig oder verwitwet sein soll, ist eine disziplinarische Frage. Dass die Frau nicht zur Weihe zugelassen wird, ist hingegen eine Frage des Glaubens. Biblisch begründet mit der Unterschiedlichkeit von Mann und Frau.“

Diese Aussage beurteilten die Interviewer als „eine Diskriminierung“ – was sie mit einem Punkt beendeten, nicht mit einem Fragezeichen.

Doch hier widersprach Bischof Gmür: „Frauen werden nicht diskriminiert“. Denn, so erläuterte der Bischof weiter, eine Diskriminierung bedeute, dass man den Frauen ein Recht ausdrücklich nicht zugestehe, auf das sie Anspruch hätten. Doch „es gibt auch kein Recht des Mannes auf Priesterweihe. Es ist eine Bedingung, Mann zu sein, um Priester zu werden, aber es gibt kein Recht. Das ist eine andere Sichtweise.“ Gmür stellte fest: „Das Kirchenrecht hat einen völlig anderen Zugang, den wir nicht so einfach verstehen. Das Kirchenrecht kennt keine Menschenrechte“. Im Zivilrecht gehe es „um die Rechte einzelner Personen. Im Kirchenrecht hingegen steht nicht die einzelne Person im Zentrum, sondern die Kirche als Gemeinschaft.“ Diese Denkweise stehe quer zum zivilen Recht und sei deshalb „schwierig zu vermitteln“.

Er persönlich könne sich zwar eine Frau am Altar vorstellen, aber er sehe „Schwierigkeiten in der Umsetzung. Für die Kirche wäre ein solcher Prozess eine Zerreissprobe. Ich befürchte Spaltungen.“

Deshalb wies Gmür daraufhin: „Zuerst sollte man über die notwendige Voraussetzung sprechen, dass ein Mann zölibatär leben muss, um zum Priester geweiht werden zu können“. Er stellt fest: „Aus meiner Sicht muss es keine notwendige Voraussetzung darstellen, dass ein Priester nicht verheiratet sein darf.“

Zu der Frage der Zulassung von verheirateten Männern oder von Frauen zum Priestertum gab der Basler Bischof auch folgenden Hinweis: „Die ganze Frage kann man nicht nur in der kleinen Schweiz lösen, die weniger als ein halbes Prozent der Katholiken weltweit ausmacht. Wir sind extrem mini. Schon nur in Europa werden die Fragen kontrovers betrachtet.“ Damit erteilt der Basler Bischof den gelegentlich herumschwirrenden Vorstellungen einer teilkirchlichen Lösung eine klare Absage.

Fazit:
Auch wer die Positionen, die Bischof Gmür hier äußert, nicht allesamt teilt, kann doch erstens feststellen, dass seine Antworten weitaus differenzierter und bedenkenswerter waren als es die Überschrift befürchten ließ.

Dem einen oder anderen Leser des Interviews mag auch zweitens die Frage gekommen sein: Haben die energischen Interviewer des Bischofs auch jene Antworten reflektiert und reflektieren wollen, die ihnen nicht in ihr vorgefertigtes Konzept passten?

Denn drittens: Falls die Interviewer tatsächlich die Antworten von Bischof Gmür ernst nähmen, müssten sie feststellen, dass Gmür die Gleichstellunginitiative als einen Eingriff in die Selbstbestimmung der Kirche einschätzt. Auch wenn das Wort nicht fällt, aber es geht eigentlich um die Frage: Steht der katholischen Kirche in der Schweiz die Religionsfreiheit überhaupt noch offen? Und ist den Interviewern bewusst, dass auch die Religionsfreiheit ein unveräußerliches Menschenrecht ist?

Auch bleibt manchen Lesern viertens nach dem Interview ein unangenehmer Nachgeschmack zurück: Müssen sich eigentlich unsere Bischöfe inzwischen von Journalisten solange ausfragen lassen, bis sie endlich die zeitgeschmackkonformen Aussagen liefern, die man von ihnen hören möchte?

Und was soll der Leser fünftens davon halten, dass auch ein Bischof wie Gmür – den viele Schweizer wohl deutlich dem reformorientierten liberalen Flügel der katholischen Kirche zuordnen – mit seinen Antworten nicht die Intention der Interviewer trifft? Wieweit muss ein katholischer Bischof eigentlich gehen, damit die säkulare Presse endlich zufrieden schnurrt wie ein sattes Kätzchen?

Zur Überschrift lässt sich sechstens sagen: Man hätte dem Text ebenso – und völlig zu Recht – folgende Überschriften entnehmen können: „Priesterweihe für Frauen birgt Gefahr einer innerkirchlichen Zerreißprobe“. Oder: „Es gibt kein Recht auf Priesterweihe, weder für Frauen noch für Männer“. Oder: „Basler Bischof: Frauen werden in der Kirche nicht diskriminiert“. Das hätte dem Interview eine völlig andere Grundrichtung gegeben. Doch knackig und eingängig steht da nun ein ganz anderer Satz. Die Entscheidung zur Überschrift liegt aber in der Verantwortung der Journalisten – und ist nicht zuletzt von deren persönlichen Vorentscheidungen abhängig.

So kommt man siebtens und abschließend zur Frage: Welche Intention verfolgt eigentlich ein Journalismus, der den absolut einzigen Satz eines Interviews in die Überschrift holt, der für die in bitteren Lagerkämpfen befindliche katholische Kirche der Schweiz (und darüber hinaus) als Brandbeschleuniger höchst zweckdienlich ist?

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Foto Bischof Felix Gmür: (c) Bistum Basel


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