Kluge Entscheidung von Franziskus und eine Limburger Domkapitulation

25. Oktober 2013 in Kommentar


In der Affäre Limburg folgte Papst Franziskus nicht der medialen Entrüstung, sondern öffnet Räume für eine Klärung der Vorwürfe, sagt Martin Lohmann im Wochenkommentar auf Radio Horeb.


Bonn (kath.net/Radio Horeb) „Der Papst hat mit seiner klugen und weisen Entscheidung Druck aus der viel zu heiß gewordenen Kessel genommen, und nun geben manche Protagonisten das Bild eines von heißer Luft befreiten zusammengefallenen Ballons ab. Aber jetzt geht es um die richtige Aufarbeitung aller Fehler und die scheuklappenfreie Aufklärung aller Hintergründe, die nicht nur Geldfragen sind. Auch dafür hat Papst Franziskus den Weg freigemacht. Es geht aber nicht nur um die Kirche, sondern auch um eine kritische Reinigung in den Medien.“ Dies äußerte Martin Lohmann (Foto) gegenüber kath.net auf Nachfrage. In einem Kommentar, der auch als Wochenkommentar bei Radio Horeb am Samstagmittag zu hören ist, beleuchtet er die Vorgänge dieser Woche:

Liebe Hörerinnen und Hörer,

kein anderes Thema hat im Blick auf die Kirche so sehr die Gemüter bewegt in den vergangenen Wochen wie der Fall Limburg. Jeder und jede hat mitdiskutiert, gewertet, sich empört und seine mehr oder weniger fairen oder barmherzigen Urteile gefällt. Na ja, fast jeder. Alle wussten Bescheid, auch wenn sie nicht Bescheid wussten. Macht nichts, Hauptsache, man kann urteilen. Und mitten in dieser Woche kam dann die für viele totale Überraschung aus Rom: Der Papst folgt der medialen Entrüstung und den gleich mitgelieferten Aburteilungen nicht und trifft eine kluge und weise Entscheidung. Ganz ruhig, ganz nüchtern, ganz klar. Tebartz-van Elst wird nicht geköpft, sondern aus der Schusslinie geholt. Es werden Räume geöffnet, die eine ruhige Aufarbeitung und Klärung der Vorwürfe erlauben. Und das für manche buchstäblich geradezu Unerhörte: Franziskus, den man doch so wunderbar gegen den Limburger Bischof instrumentalisieren konnte, stellt sich hinter seinen Mitbruder aus deutschen Landen.

Und weil die Absetzung eben nicht stattfand, verkünden manche Medien trotzig vom Olymp ihrer Selbstgerechtigkeit sofort: Der Papst suspendiert den Limburger Bischof. Total falsch, aber es passt in die eigene und selbstbetriebene Dauerhetzgeschichte gegen einen ungeliebten Kirchenmann, der Fehler machte und der einfach nur weg sollte. Was spielt da die Wahrheit noch für eine Rolle? Wahrheit? Was ist Wahrheit, scheint es aus manchem Medium aus der Meute pilatusgleich zu schallen. Und wir, die erstaunten Zuschauer, entdecken mehr und mehr, dass viele der hehren Botschaften aus der als Olymp verkauften medialen Erhöhung nichts weiter sind als Parolen aus der Höhe des selbstproduzierten Misthaufens. Und der stinkt. Bis zum Himmel.

Damit Sie mich jetzt nicht falsch verstehen: Der Bischof, daran möchte ich keinen Zweifel lassen, muss zu seiner Verantwortung stehen. Er darf und kann seine Fehler, die zu benennen sind, nicht wegdrücken oder vernebeln. Alles andere wäre völlig unglaubwürdig. Und Glaubwürdigkeit wurde wahrlich mehr als genug beschädigt! In und von der Kirche. In und von den Medien. Und in und von den Herren des Domkapitels in Limburg, deren Spezialbegabung wohl darin besteht, anderen in den Rücken zu fallen. Also: Lassen Sie mich zu diesen drei Begriffen einiges anmerken.

Zur Kirche in Deutschland. Da gibt es – leider – abseits aller Christusorientierung und aller erkannten und unerkannten Heiligkeit viel Heuchelei und Hässlichkeit. Auch und gerade in Limburg, wo ein Bischof es nicht
erreichte oder erreichen konnte, einen üblen Sumpf der Falschheit auszutrocknen, der sich bisweilen als versteckte Eitelkeit im Gewande der vermeintlichen Gerechtigkeit und Demut tarnt.

Falsche und zu späte Reaktionen des letztverantwortlichen Bischofs haben dann zum Futter für eine Eskalation werden können, die der ganzen Kirche und ihrer Glaubwürdigkeit schadete. Hier bedarf es vieler Heilung, vieler Salben und viel Aufklärung. Und es muss durchleuchtet werden, wer welche Verantwortung hatte, vertuschte, weiterschob. Aber es muss auch geklärt werden, ob es nur um die Millionengelder ging, was tragisch genug ist und wäre. Denn 31 Millionen sind kein Pappenstiel. Und teure Sonderwünsche beim notwendigen Bau und der Restaurierung gehören nicht zu den Seelsorgspflichten eines Bischofs. Möglicherweise hat er sich da ganz schön angreifbar gemacht. Doch das wird eine Kommission zu klären haben, nach deren Ergebnis wir diesbezüglich Klarheit haben können. Vorher möge man sich zurückhalten mit noch so passenden Vorverurteilungen, die übrigens niemals fair und gerecht und christlich sind.

Und ganz ehrlich: Dieses ganze zum Teil billige Theaterstück wegen teurer Bauvorhaben mit kirchlichen Geldern lenkt automatisch die Frage auf das Geldvermögen der reichen Kirche in Deutschland und wird noch viele Fragen aufwerfen. Zum Beispiel, welches Vermögen wichtiger und ertragreicher ist hierzulande: das des Geldes oder das des Glaubens? Man muss es verstehen: Viele Menschen verstehen schlichtweg in einer Franziskus-Kirche nicht mehr, wenn hier Transparenz gescheut würde. Mit Papst Franziskus kann man nun wirklich nicht mehr der von Papst Benedikt in Freiburg geforderten Entweltlichung ausweichen und so tun, als habe dieser das alles nicht so gemeint.

Der Papst aus Deutschland hat es exakt so an die Kirche seiner Heimat gemeint, wie es Papst Franziskus nun lebt und auch uns Deutschen vormacht. Viele wollen wissen, welche Rolle Glaubensvermögen und Geldvermögen hierzulande spielen. Und: Wie unabhängig vom Staat ist die Kirche wirklich? Wie frei ist der Glaube? Und manche fragen gar: Sind die Konkordate, in denen zum Beispiel die gute Dotierung von Bischöfen und Domkapitularen aus allgemeinen Steuermitteln geregelt ist, noch zeitgemäß?

Man muss solches Fragen verstehen und darauf klug reagieren. Vor allem aber ehrlich und transparent. So gesehen wird der Fall Limburg vieles in Bewegung bringen, und davor sollte man weder Angst haben noch dies zu unterdrücken versuchen. Die Entweltlichung muss jetzt beginnen, damit die Freiheit für den Glauben wachsen kann. Frei nach Roman Herzog kann man sagen: Es muss ein Ruck durch die Kirche in Deutschland gehen!

Aber auch im Blick auf Menschlichkeit und Anstand. Wie manche Mitbrüder und Mitschwestern mit anderen Mitbrüdern und Mitschwestern öffentlich umgehen, wie man zum Beispiel ungerührt einer regelrechten Menschenjagd und Verspottung eines Bischofs zusieht oder diese noch befeuert, gehört in eine mutige Gewissenserforschung und dann in den Beichtstuhl. Und da kommen wir zum nächsten Wort, der Frage nach der Verantwortung der Medien.

Manche der selbstgerechten Kollegen bräuchten wohl dringend mal eine lange Auszeit in einem beschaulichen Kloster, um sich selbst die Frage zu stellen, was denn wirklich ihre Aufgabe ist. Und dann sollte ihnen die Erkenntnis dämmern, dass sie weder das Recht zu einer journalistischen Nebenjustiz haben, wo dann auch noch antirechtlich Kläger, Anwalt und Richter eine einzige Figur sind, noch dass sie eine Berufung zu über aller Barmherzigkeit und Wahrheit stehenden Pseudoaposteln haben.

Sie sind letztlich nämlich der Wahrheit verpflichtet, und ihnen stehen keine moralinsauren Ersatzkanzeln zu. Auch, wenn sie die gelegentlich aufblasbar bei sich zu tragen scheinen. Und wenn sie dann auch noch, weil sich ihre eigene Hatz als hässlich erweist, frei nach Pippi Langstrumpf auf die Wirklichkeit pfeifen und losträllern „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“, dann wird es ganz gruselig. Irgendjemand muss ihnen mal die Schocknachricht bringen, dass man leider die Wirklichkeit nicht einfach austauschen kann gegen ihre eigenen Hirngespinste. Ich weiß, das wäre für manchen Pseudorechercheur eine arg harte Nachricht.

Dass der Papst sich von solchen Kampagnen und den so deutlich vorgeschlagenen Maßnahmen gegen seinen bischöflichen Mitbruder nicht beeindrucken lässt, finde ich wunderbar. Und die Verunsicherung derer, die monatelang ihre eigenen Projektionen an diesen Pontifex wie an eine selbstgebaute Litfaßsäule klebten, um dann jetzt überrascht erkennen zu müssen, dass Franziskus sich die Dreistigkeit erlaubt, sich und seiner katholischen Botschaft treu zu bleiben, ist mehr als bemerkenswert. Jetzt bröckelt auch das so lange modellierte Bild des Gegeneinanders zu Papst Benedikt. Eine gute Entwicklung, nur nicht für jeden, der sich seinen eigen Papst bauen wollte. Ich finde: Wir können auch in diesem aktuellen Fall wieder dankbar sein für die Weisheit und Klugheit, mit der Franziskus Barmherzigkeit und Gerechtigkeit eine Chance gibt.

Ja, und wer am vergangenen Mittwoch die Pressekonferenz der Domkapitulation, pardon, der Limburger Domkapitulare verfolgen konnte, konnte Zeuge einer sehr aufschlussreichen und sicher unfreiwilligen Hintergrunderklärung für den Limburger Fall werden. Sie fielen reihenweise ihrem Bischof und dem Papst in den Rücken. Sie dokumentierten Sauersein, dass der Bischof noch Bischof ist und ihre eigenen Spielchen offenbar keinen Erfolg hatten. In den Gesichtern zeigte sich Abscheu, aber sie waren spurenfrei gereinigt von Barmherzigkeit, Priesterlichkeit, Fairness und Friedfertigkeit. Peinlich und perfide, so kam es rüber.

Und letztlich erwiesen sie ihrem Bischof, den sie doch mit so viel Energie über die Finanzen stolpern sehen wollten, einen wunderbaren Dienst. Denn jeder konnte sehen, wer wohl dort wie falsch gespielt hatte. Jeder konnte spüren, es ging nicht nur um Geld. Es ging und geht auch um ein Kirchenbild. Es geht um die Kirche von heute und morgen. Und nun war ihnen ihr Kronzeuge gegen den romtreuen Bischof, der Papst selbst, abhanden gekommen. Was für ein Drama!

Ein Freund postete mir: Ich hätte diese Pressekonferenz auch bei Tonausfall verstanden. Stimmt. Die Gesichter der Beleidigten, aber keineswegs souverän wirkenden Herren im Priesterrock oder Pullover über Holzfällerhemd wirkten auch ohne Worte – und sprachen eine erkennbare Sprache. Leider keine gute. Da saßen gleich mehrere Kandidaten für eine längere Auszeit, um der Öffentlichkeit zu beweisen, dass sie keinen Frieden und keinen Neuanfang mit Bischof Tebartz wollen, koste es, was es wolle. Mannomann, welch ein schrecklicher mentaler und herzentleerter Offenbarungseid! So (!) darf und sollte sich Kirche niemals präsentieren. Das ist zutiefst unchristlich.

Fazit: Sowohl bei Medienleuten als auch bei mit welcher Absicht auch immer handelnden Prälaten bedarf es der dringenden Reinigung der Wahrnehmungsrezeptoren. Fazit: In Limburg muss sehr viel Sumpf trockengelegt werden. Fazit: Die Kirche muss viel tun für ihre Glaubwürdigkeit und braucht ehrliche Transparenz nicht nur in Finanzfragen.

Und schließlich das beste Fazit: Nicht die Medien und jene, die sie missbrauchen, entscheiden über einen Bischof, sondern letztlich der Papst. Und das soll auch so bleiben. Denn das ist besser als anderes. Und sie alle brauchen wie wir selbst viel Gebet, viel Ausrichtung auf Jesus Christus und viel Geduld wie Barmherzigkeit. Der Gottessohn allein ist Maßstab. Er allein ist wichtig, der Wichtigste. Für ihn lohnt sich alles. Mit ihm auch.

In diesem Sinne: Eine gesegnete Zeit!

Der "Wochenkommentar" von Martin Lohmann ist zu hören im "Wochenmagazin" in Radio Horeb am Samstag, 26. Oktober, um 12:15 Uhr.

Papst Franziskus empfing vergangenen Montag Bischof Tebartz-van Elst


Video der Limburger Pressekonferenz vom 23.10.2013:


Foto (c) Martin Lohmann


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