Gottesfurcht ist 'Medikament' und 'Anfang der Weisheit'

24. Oktober 2013 in Spirituelles


Tagung des Instituts für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie über Angst und das christliche Gottesbild


Wien (kath.net/KAP) Ängste bestimmen das Lebensgefühl vieler Menschen, darunter auch die Angst vor einem strafenden Gott. Dass "Gottesfurcht" jedoch, richtig verstanden, vielmehr als "Anfang der Weisheit" gilt und dabei helfen kann, übertriebene Ängste im Leben abzubauen, zeigten Vortragende der Tagung "Gottesfurcht und Heidenangst", die das in Wien beheimatete Institut für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie (RPP) am Wochenende im Stift Heiligenkreuz unter dem Ehrenschutz von Kardinal Christoph Schönborn veranstaltet hat.

Grundsätzlich ist Angst ein wichtiger Alarmzustand, der dem Menschen dabei hilft, mit neuen, verunsichernden Situationen zurechtzukommen, legte der Innsbrucker Psychiater Reinhard Haller dar. Das Extrem völliger Angstfreiheit sei dabei ebenso gefährlich wie ein Überhandnehmen der Angst, da krankhafte Formen wie Panikattacken, Zwänge oder Phobien alles Fühlen und Handeln blockieren würden. Ziel einer Therapie sei in diesem Fall, den Angstpatienten wieder zum Herrn im eigenen Haus zu machen.

Die Dresdner Philosophin Hanna Gerl-Falkovitz sprach über die Angst vor den "launischen Göttern", die es ständig durch Opferdarbringung zu besänftigen gelte. Völlig entgegengesetzt sei dieser Vorstellung das christliche Gottesverständnis, in dem Gott das Opfer - seinen Sohn - dargebracht habe. Dies sei, so Gerl-Falkovitz, einzigartig. "Meinen Studenten verbiete ich deshalb die Aussage, alle Religionen seien gleich."

Der biblische Gott offenbare sich mit "Fürchtet euch nicht!", knüpfte hier der Heiligenkreuzer Hochschulrektor Pater Karl Wallner an. Es weise auf die tatsächliche Größe Gottes hin, wenn bei seiner Erkenntnis die natürliche Reaktion Furcht wäre. Glaube bliebe somit oberflächlich, wenn ihm die Gottesfurcht fehle, die jedoch meist falsch verstanden werde: Sie beschreibe in Wahrheit nicht die Furcht vor dem "Unberechenbar-Grausamen" , sondern vielmehr die "Ehrfurcht vor dem Unfassbar-Liebenden".

Erkennen eigener Fehlerhaftigkeit heilt

Dass Gottesfurcht die Selbsterkenntnis des Menschen als Geschöpf Gottes fördert und damit sogar "Medikament" ist, erklärte der Tagungsleiter und Neurowissenschaftler Raphael Bonelli, der den Perfektionismus als Quelle vieler Ängste beschrieb. Nicht nur im Körperkult der Essstörungen, in übertriebener "Political Correctness" oder im Leistungsdenken, sondern auch in der Religion sei Perfektionismus oft anzutreffen. Bonelli: "Der Perfektionist will nicht als Sünder und Bittender vor Gott stehen, will tadellos sein statt der Verzeihung zu bedürfen. Er macht sich selbst zum Ideal und beurteilt andere wie die Pharisäer übermäßig streng."

Da Perfektionismus einem "Leben in Fülle" im Weg stehe - oft führe die panische Angst vor eigenen Fehlern oder deren Auffliegen sogar ins Burnout - versuche man in der Therapie mit Betroffenen, die Tugend der "Imperfektionstoleranz" zu trainieren, erklärte der Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe. "Irren ist menschlich, Scheitern gehört zum Leben. Wer das akzeptiert, gewinnt an innerer Freiheit und führt weit eher ein geglücktes Leben."

Mitveranstalter der mit rund 280 Teilnehmern besuchten Tagung waren die Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems, die Hochschule Heiligenkreuz und die Sigmund Freud Privatuniversität Wien, deren Vizerektorin Jutta Figl in ihrem Grußwort die bereits vierjährige, "fruchtbare Zusammenarbeit" mit dem RPP-Institut lobte. Die Fortführung der Tagungsreihe wird sich im kommenden Jahr den Themenbereichen Schuld und Reue, Meditation, Neurose und Askese sowie Kontemplation und Multitasking widmen.

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