13. Mai 1981 – 13. Oktober 2013: die Rückkehr einer Pistolenkugel

15. Oktober 2013 in Spirituelles


Fatima und die Päpste: ein Faden durchzieht die Geschichte. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Höhepunkt des Jahres des Glaubens: der Besuch der Gottesmutter von Fatima im Vatikan. Zusammen mit am Schluss fast 200.000 Menschen feierte Papst Franziskus die heilige Messe auf dem Petersplatz. Bereits am Vorabend stand der Papst einer marianischen Gebetsvigil vor – nach einem historischen Ereignis. Vor dem Mariengebet war die Madonna von Fatima auf den Platz eingezogen und von den Gläubigen mit großer Freude begrüßt worden. Blumen und weiße Papierschnitzel wurden entlang ihres Wegs verstreut, des Wegs des Triumphs des sanften und mütterlichen Herzens. An einem bestimmen Punkt hielt die Prozession an. Stille breitete sich aus.

Die Gottesmutter stand an genau jener durch einen Gedenkstein gekennzeichneten Stelle auf der rechten Seite des Petersplatzes, an der am 13. Mai 1981 eine Kugel das Leben und Wirken Papst Johannes Pauls II. stoppen sollte. Zerfetzte in jenem Jahr das glühende Stück Metall den Leib des Stellvertreters Christi, um sich einen Weg zu dessen Herzen zu bahnen, so durchpflügte 32 Jahre später dieselbe Kugel den Raum des Platzes – diesmal jedoch eingesetzt in die Krone der Frau, die den Sieg des unbefleckten Herzens verheißen hat.

Dieselbe Kugel am selben Ort, zum ersten Mal in der Geschichte, an einem Höhepunkt des bisherigen Pontifikats des ersten Papstes „vom Ende der Welt“, der diesen mit einem Gebet vor der Marienikone „Salus Populi Romani“ begonnen und dann den Patriarchen von Lissabon gebeten hatte, sein Wirken als Bischof von Rom und Papst der Gottesmutter von Fatima zu weihen. Dieselbe Kugel, die den Tod bringen wollte, erhöht in der Krone der Gebärerin Gottes, deren Hand an jenem Tag im Jahr 1981 das teuflische Zerstörungswerk stoppte.

Der Jesuitenpapst und die Madonna, die Gottesmutter, die Mama, die Mutter der Kirche, die Frau, „die wichtiger ist als die Apostel“, wie Franziskus am 28. Juli 2013 während des Rückflugs von Rio de Janeiro bei seinem Gespräch mit den Journalisten betonte. Unweigerlich gehen die Gedanken an jenes „Geheimnis von Fatima“, das von einem „in Weiß gekleideten Bischof“ zu erzählen weiß, ein Wort, das viele auf die tragischen Ereignisse im Jahr 1981 bezogen haben. Wie aber Benedikt XVI. während seines Flugs nach Portugal am 11. Mai 2010 zu verstehen gab, ist die Botschaft von Fatima noch nicht zu Ende. Es „werden über die große Vision des Leidens des Papstes hinaus, die wir in erster Linie auf Papst Johannes Paul II. beziehen können, Realitäten der Zukunft der Kirche aufgezeigt, die sich nach und nach entfalten und zeigen“. Und Benedikt XVI. fuhr fort: „Daher ist es richtig, dass man über den in der Vision gezeigten Moment hinaus die Notwendigkeit eines Leidens der Kirche sieht, das sich natürlich in der Person des Papstes widerspiegelt, aber der Papst steht für die Kirche und daher werden Leiden der Kirche angekündigt“.

In einer von auch irrationalen und verzerrenden Begeisterungsstürmen gekennzeichneten Zeit des Papsttums mit dem dazugehörenden Chaos mögen diese Worte „antik“ klingen. Wenn sich nun sogar auch erklärte Atheisten und bisherige „Feinde“ der Kirche mit der weißen Soutane schmücken möchten – was soll dann noch die Rede vom „Leiden des Papstes“, vom „Leiden der Kirche“? Oder soll vielmehr der Anschein erzeugt werden, dass die Angriffe gegen die Kirche von außen und von innen auf wundersame Weise zu einem Ende gekommen sind?

Papst Franziskus weiß es besser. Oft warnt er vor den Tücken und Betrügereien des Teufels, vom Ungeist des Geistes der Welt, vor der Gefahr der Weltlichkeit, jener Weltlichkeit, „die zur Eitelkeit führt, zur Anmaßung, zum Hochmut. Und das ist ein Götze – nicht Gott. Es ist ein Götze! Und der Götzendienst ist die schlimmste Sünde!“ (Assisi, 4. Oktober 2013). Für den Papst gibt es an diesem Punkt keine „Nuancen“: „Es gibt den Kampf, und zwar einen Kampf, bei dem es um die Gesundheit geht, um die ewige Gesundheit, um das ewige Heil von uns allen“. So kann der Christ nicht wachsam genug sein: „Wir müssen immer wachen, wachen gegen den Betrug, wachen gegen die Verführung des Teufels“ (Domus Sanctae Marthae, 11. Oktober). Denn: „Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann“ (1 Petr 5,8), wie der Papst ausdrücklich betonte, und das sind keine „Sachen von gestern“: „Das ist das Evangelium!“.

Vor diesem Hintergrund drängt sich die Vision des „in weiß gekleideten Bischofs“ förmlich auf. Zweifellos: es ist der Papst. Aber nicht nur jene der Vergangenheit. Es ist ein Papst, der sich als Bischof seiner Stadt vorstellte, nackt, in weiß gekleidet, ohne alles Rot und Gold. Nur weiß leuchtete er an jenem 13. März vom Balkon der Fassade der Petersbasilika herab. Weiß ist die Farbe – oder die Nicht-Farbe –, die seine Erscheinung kennzeichnet. In strahlendem Weiß betete er den Rosenkranz in Santa Maria Maggiore, auf dem Petersplatz. In strahlendem Weiß kniete er zum Friedensgebet in Anbetung vor dem Allerheiligsten Sakrament. In Weiß empfing der „in weiß gekleidete Bischof“ genau sieben Monate nach seiner Wahl die Gottesmutter von Fatima.

So lohnt es sich, die Worte der Seher in Erinnerung zu rufen: „Und wir sahen in einem ungeheuren Licht, das Gott ist: ‚etwas, das aussieht wie Personen in einem Spiegel, wenn sie davor vorübergehen’ einen in Weiß gekleideten Bischof ‚wir hatten die Ahnung, dass es der Heilige Vater war’. Verschiedene andere Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen einen steilen Berg hinaufsteigen, auf dessen Gipfel sich ein großes Kreuz befand aus rohen Stämmen wie aus Korkeiche mit Rinde. Bevor er dort ankam, ging der Heilige Vater durch eine große Stadt, die halb zerstört war und halb zitternd mit wankendem Schritt, von Schmerz und Sorge gedrückt, betete er für die Seelen der Leichen, denen er auf seinem Weg begegnete.

Am Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder. Da wurde er von einer Gruppe von Soldaten getötet, die mit Feuerwaffen und Pfeilen auf ihn schossen. Genauso starben nach und nach die Bischöfe, Priester, Ordensleute und verschiedene weltliche Personen, Männer und Frauen unterschiedlicher Klassen und Positionen. Unter den beiden Armen des Kreuzes waren zwei Engel, ein jeder hatte eine Gießkanne aus Kristall in der Hand. Darin sammelten sie das Blut der Märtyrer auf und tränkten damit die Seelen, die sich Gott näherten“.

Wie schon Benedikt XVI. sagte und Franziskus verstehen lässt: „Fatima“ ist nicht gestern, ist nicht zu Ende. Vor diesem Hintergrund nimmt auch das Weihegebet einen besonderen Sinn an, mit dem der Papst am 13. Oktober die Menschheit und die Kirche der Gottesmutter anvertraute (Arbeitsübersetzung: Radio Vatikan):

„Selige Jungfrau Maria von Fatima,
Stets dankbar für deine mütterliche Gegenwart
Vereinen sich unsere Stimmen mit denen aller Generationen,
Die dich selig preisen.

Wir feiern in dir die großen Werke Gottes,
Der nicht müde wird, sich barmherzig der Menschheit zuzuneigen,
Die vom Bösen bedrängt und von der Sünde verwundet ist,
Um sie zu heilen und zu retten.

Nimm in mütterlicher Güte
Den Weiheakt an, den wir heute voller Vertrauen vollziehen,
Im Angesicht Deines Bildes, das uns so teuer ist.

Wir sind sicher, dass ein jeder von uns in deinen Augen wertvoll ist
Und dass dir nichts von dem fremd ist, was in unseren Herzen ist.
Wir lassen uns von deinem liebevollen Blick berühren
Und wir empfangen die tröstende Zärtlichkeit Deines Lächelns.

Birg unser Leben in deinen Armen:
Segne und stärke jedes Verlangen nach Gutem;
Stärke und nähre den Glauben;
Erhalte und erleuchte die Hoffnung,
Erwecke und belebe die Liebe
Führe uns alle auf dem Weg der Heiligkeit.

Lehre uns die besondere Liebe
Für die Kleinen und Armen,
Für die Ausgeschlossenen und die Leidenden,
Für die Sünder und die im Herzen Verwirrten:
Sammle alle unter deinem Schutz
Und vertrau sie deinem geliebten Sohn an, unserm Herrn Jesus.

Amen.“

Die Madonna von Fatima auf dem Petersplatz


Gedenkplatte an der Stelle, an der Papst Johannes Paul II. lebensgefährlich angeschossen wurde



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