Kein Bock auf Feminismus

15. Oktober 2013 in Jugend


Sie ist katholisch, demonstriert gegen Abtreibung und trägt ein enges schwarzes T-Shirt mit der pinken Aufschrift: „Stop Feminism“. Von Rudolf Gehrig


Bonn (kath.net/f1rstlife.de) Sie ist groß, sie ist fast blond und sie ist sehr hübsch. Sie steht da wie ein Model, sie geht wie ein Model und sieht aus wie ein Model. Aber, sie ist kein Model. Denn sie hat drei Fehler: Sie ist katholisch, demonstriert gegen Abtreibung und trägt ein enges schwarzes T-Shirt mit der pinken Aufschrift: „Stop Feminism“.

Als ich Chris letztes Jahr beim Marsch fürs Leben in Berlin begegnet bin, traute ich mich nicht, sie zu fragen, wie alt sie ist. Vermutlich ist sie irgendwas zwischen 20 und 43, auf jeden Fall in einem Alter, in dem man Frauen besser nicht mehr danach fragt. Genau wie ich ist sie nach Berlin gekommen, um den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft, den Ungeborenen wie den Alten, eine Stimme zu geben und für ihr Lebensrecht zu demonstrieren. Gemeinsam mit 3.000 anderen Lebensschützern sind wir schweigend durch die Straßen gegangen, während sich einige Gegendemonstranten auf den Gehsteigen und an den Straßenecken versammelten und uns verhöhnten: „Hätt‘ Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben“, war ein beliebter Slogan, den sie krakeelten, ebenso wie „Abtreibung ist Frauenrecht! Bei Pro-Life da wird uns schlecht!“

Junge Frauen in schwarzen Klamotten und mit meist gefärbten Haaren liefen johlend und kreischend neben uns her, warfen Konfetti und streckten uns ihre geballte Faust entgegen. „Feminismus! Schalalala!“ Oft bekommt man heute den Eindruck, dass Feminismus einzig und allein aus der Rebellion gegen das männliche Geschlecht bestünde. Seit Jahrhunderten, nein, seit Jahrtausenden, ach was, seit Gott Adam eine Rippe nahm, um Eva zu formen, unterdrückt der böse Mann die arme Frau. Zumindest wird das behauptet. Zeit für die große Revolution. Weg mit dem Patriarchat. Neue Frauen braucht das Land. Was ich persönlich davon halte, ist irrelevant; ich habe bei diesem Thema nichts zu melden, da ich nur ein Mann bin. Deswegen habe ich einfach ein paar Frauen befragt. Interessant, was dabei herauskam.
24-Jährige: „Vom Feminismus halt‘ ich gar nix“

„Der Feminismus“, sagte die schöne Chris damals in Berlin zu mir, „will uns Frauen unterdrücken.“ Starke Worte von einer starken Frau. Helena, Mitte Zwanzig, sieht das genauso: „Es ist total unlogisch, dass wir Frauen jetzt, da wir quasi tun können, was wir wollen, anderen Frauen vorschreiben, wie sie ihr Leben gestalten sollen und sie wieder in eine feste Rolle pressen wollen.“ Sie selbst studiert Mathematik und ist froh, dass Mann und Frau gewissermaßen gleichgestellt sind, allerdings ist sie der Meinung, dass es zu weit gehe, „wenn man als Frau belächelt wird, wenn man keine Karriere machen, sondern zu Hause bleiben und eine Familie gründen möchte.“ Leonie, die dieses Jahr ihr Abitur gemacht hat und für ein halbes Jahr nach Australien geht, glaubt: „Wenn die Hausarbeit der Frau mehr anerkannt werden würde, wäre vermutlich auch die Sehnsucht nach ‚Gleichberechtigung‘ und ‚Feminismus‘ nicht so hoch.“

Die traditionelle Familienstruktur wird vom Feminismus abgelehnt. Das beklagen auch die Geschwister Carolin (24) und Miriam (19). „Feminismus führt zu einer Hasssituation zwischen den Geschlechtern“, sagen sie und Helena ergänzt: „Die Richtung, die der Feminismus heute nimmt, führt eher zur Zerstörung der Familie, als zum Wohlbefinden der Frau.“ Deswegen hält auch Valeria, eine 24-Jährige aus Nordrhein-Westfalen, vom Feminismus „gar nix“. Carolin aus Unterfranken ergänzt: „Wir Frauen sollten stolz auf unsere weiblichen Fähigkeiten sein. Wir können neues Leben schenken! Das ist doch das Schönste, was es gibt.“ Und was ist mit den radikalen Frauenrechtgruppen wie die Femen, die davon gar nichts wissen wollen? „Sie repräsentieren nur eine kleine Gruppe an Frauen, glaube nicht, dass die Mehrheit dahinter steht.“
Warum „der“ Feminismus männlich ist

Neulich war ich wieder in Berlin beim Marsch für das Leben und wieder habe ich Chris getroffen. Sie ist immer noch katholisch, immer noch für das Leben und immer noch gegen Feminismus. Und sie ist immer noch sehr hübsch, auch wenn sie ein Jahr älter geworden ist. Rein äußerlich verkörpert sie immer noch das Idealbild aus der Werbung von der selbstbewussten, emanzipierten Frau, die immer noch einen halben Kopf größer ist als ich. Trotzdem läuft sie mit in der Reihe derer, die für das Lebensrecht der Ungeborenen demonstrieren, statt Abtreibung als „Frauenrecht“ einzufordern. „Als diese schreienden Feministinnen um mich herumgesprungen sind, habe ich echt Angst bekommen“, gesteht sie. „Ich hätte fast geheult.“ Ich schaue sie ungläubig an, sie lächelt gequält. „Ja, das glaubt keiner, der mich sieht. Aber wenn ich den ganzen Hass dieser Leute sehe, fühle ich mich irgendwie so klein und schwach.“

Dann geht sie wieder zu einen Bekannten. Er ist klein und stämmig, trägt einen Anzug und war mal Türsteher. Jetzt steht er an der Straße und hält ein Pro-Life-Banner. „Er ist so mutig! Ich bewundere ihn dafür“, sagt Chris. Vom ewigen Kampf ihrer Geschlechtsgenossinnen gegen das männlich-unterdrückende Geschlecht will sie nichts wissen. Genau wie die schweigende Menge anderer Frauen, die sich nicht in das neue Rollenbild der Ultra-Feministinnen pressen lassen will. „Lasst uns Frauen Frau sein und die Männer Mann sein“, sagt eine andere junge Dame. „Wenn manche ein Problem mit Männern haben, dann ist das ihre Sache! Aber dann sollen sie nicht behaupten, das wäre bei allen Frauen so. Ich fühle mich echt wohl und glaube, dass sich Mann und Frau ziemlich gut ergänzen können…“

Für die Kämpferinnen der Femen-Gruppen gibt es noch viel zu tun. In ihren Augen lauert die Frauenfeindlichkeit überall. Selbst die deutsche Grammatik muss ihnen frauenfeindlich und patriarchal vorkommen; immerhin hat „Feminismus“ laut Duden nach wie vor einen männlichen Begleiter: „Feminismus, der“. Gemein, oder? Allerdings hat „Männlichkeit“ wiederum einen weiblichen Begleiter: „Männlichkeit, die“. Vielleicht stimmt es ja doch: Frau und Mann sind da, um sich gegenseitig zu bereichern. Und wenn es erst einmal mit Artikeln ist.

Dieser Artikel erschien zuerst in f1rstlife.de



Video vom Marsch des Lebens 2013


Foto: (c) kath.net/Peter Winnemöller


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