Sensation: Der Papst ist katholisch

23. September 2013 in Kommentar


Die deutschen Leitmedien waren am Wochenende wieder einmal ganz besonders aufgeregt. Papst Franziskus, so berichteten sie in erstaunlicher Aufmachung, sprenge „die Verkrustungen der Kirche“ - Ein KATH.NET-Kommentar von Klaus Kelle


Köln (kath.net) Die deutschen Leitmedien waren am Wochenende wieder einmal ganz besonders aufgeregt. Papst Franziskus, so berichteten sie in erstaunlicher Aufmachung, sprenge „die Verkrustungen der Kirche“, sage den Fundamentalisten den Kampf an und („Spiegel“) „rührt abtrünnige Katholiken zu Tränen“.

Was aber hatte diese Begeisterung bekanntermaßen kirchenfeindlicher Medien ausgelöst? Papst Franziskus hatte in einem Interview zu einigen der Themen Stellung genommen, die von außen gern an die Kirche herangetragen werden, um deren Rückständigkeit und Weltfremdheit zu belegen. Beispiel Homosexualität. Der Heilige Vater sagte: „Wenn eine homosexuelle Person guten Willen hat und Gott sucht, dann bin ich keiner, der sie verurteilt.“ Für die online-Ausgabe von Deutschlands führendem Nachrichtenmagazin mag das eine Sensation sein, ebenso wie für die Nachrichtensendungen der zwangsfinanzierten Sender. De facto ist diese Aussage jedoch nichts Neues, sondern sie steht absolut in einer Linie mit Aussagen von Papst Benedikt, aber auch der katholischen Lehre überhaupt.

So heißt es im Katechismus der katholischen Kirche zum Thema Homosexualität (2358): „Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen haben tiefsitzende homosexuelle Tendenzen. Diese Neigung, die objektiv ungeordnet ist, stellt für die meisten von ihnen eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen.“ Und Papst Benedikt schrieb 1986 in einem Brief an die Bischöfe über die Seelsorge für Homosexuelle: „Es ist nachdrücklich zu bedauern, dass homosexuelle Personen Objekt übler Nachrede und gewalttätiger Aktionen waren und weiterhin noch sind. Solche Verhaltensweisen verdienen, von den Hirten der Kirche verurteilt zu werden, wo immer sie geschehen.“

Wo, so fragt man sich unwillkürlich, ist also der Nachrichtenwert, was ist die Sensation an den aktuellen Aussagen des Pontifex?

Auch seine Äußerungen zur Rolle der Frau in der Kirche sind alles andere als sensationell. Ja, die Rolle der Frau in unserer Kirche ist bedeutend. Man muss noch mehr an der Theologie der Frau arbeiten. Maria hat eine herausragende Bedeutung für unser Glaubensleben. Ja, natürlich, auch schon vor dem aktuellen Interview. Und geradezu perfide wirkt es, dem Heiligen Vater anzudichten, er strebe eine Änderung der Haltung seiner Kirche in der Abtreibungs-Thematik an. Nie wird das, nie kann das, in der Kirche Jesu geschehen. Und unter diesem Papst schon mal gar nicht.

In Wahrheit sind die Erkenntnisse, die wir aus der medialen Aufregung der vergangenen Tage ziehen sollten: Es ist kaum nachvollziehbar, warum in so vielen Redaktionen bedeutender Medien Menschen über Fragen von Kirche und Religion schreiben dürfen, die offenbar nicht einmal den Anflug einer Ahnung über diese Themen haben. Und was wir auch verstehen müssen: Franziskus, der neue Mann auf dem Stuhl des Petrus, beflügelt die Gegner der katholischen Kirche durch sein frisches, unkonventionelles Auftreten. Mit dem neuen Stil erreicht dieser Papst viele Menschen, die von seinem theologisch brillanten aber oft unnahbar erscheinenden Vorgänger im Amt nicht erreicht werden konnten.

In der Lehre aber, so mein Eindruck, bewahrt Franziskus höchste Kontinuität. Allein der Gedanke, der neue Papst könnte aus Gründen der Barmherzigkeit jemals Abtreibung als akzeptabel bezeichnen, ist so grotesk, dass man sich fragt, wann die ersten Redaktionen begreifen, dass auch der neue Papst katholisch ist.

Klaus Kelle ist Journalist und mit Birgit Kelle verheiratet, der Autorin des vieldiskutierten Buches "Dann mach doch die Bluse zu"


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