Andreas Laun: 'Ist Gottes Liebe 'bedingungslos'?

27. Jänner 2003 in Spirituelles


Über richtige und falsche Gottesfurcht. Ein Kommentar des Salzburger Weihbischofs Andreas Laun.


Salzburg (www.kath.net)
"Im Zentrum des Christentums steht der Gott der bedingungslosen Liebe. Und dieser Gott der Liebe duldet keine Angst. Er nimmt die Angst vor sich aus der Seele. Er könnte gar nicht tiefer gekränkt werden, als wenn man ihn fürchten würde", las ich vor einiger Zeit in einer katholischen Zeitung. Ich will nicht über Worte streiten. Aber so, wie es da steht, ist die Aussage doppeldeutig und einer Irrlehre zumindest sehr nahe:

1. Ist Gottes Liebe "bedingungslos"? Ja und Nein! - Ja, insofern Paulus (Röm 5,8) sagt: "Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren." In diesem Sinn ja, Gott stellt keine Bedingung im voraus, Seine barmherzige Liebe gilt den Sündern vor ihrer Bekehrung. - Nein, sie ist nicht "bedingungslos". Denn wenn der Mensch eine Todsünde begeht und in ihr verharrt, geht er der Liebe Gottes verlustig. Die Liebe Gottes bedarf der Annahme, Gott will unsere Liebe nicht erzwingen, unser freies Ja zu Ihm ist sehr wohl eine "Bedingung" dafür, dass wir zur ewigen Gemeinschaft mit Ihm gelangen.

2. Nimmt Gott die Angst aus der Seele? Auch da gilt ein Ja und ein Nein. - Ja, im Bund mit Gott verschwindet die Angst: Im Sündenfall-Bericht der Bibel ist die Angst vor Gott eine Folge der Sünde, folgerichtig hebt die Umkehr zu Gott die Angst wieder auf. Darum auch das immer wiederkehrende Wort: "Fürchtet euch nicht!" Und: "Furcht gibt es in der Liebe nicht,sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht. Denn die Furcht rechnet mit Strafe, und wer sich fürchtet, dessen Liebe ist nicht vollendet" (1 Joh 4,18).

Nein, es gibt eine richtige Furcht vor Gott: Deswegen, weil die Menschen eben nicht in der vollkommenen Liebe leben, von der Johannes spricht. Insofern wir Sünder sind, gilt das Wort des Philipperbriefes (2,12): „Müht euch mit Furcht und Zittern um euer Heil!“ Und Jesus sagt (Mt 10,28): „Fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann.“ Auch in den Texten des Konzils von Trient lassen sich einige Klärungen bezüglich der christlich richtigen und christlich falschen Furcht nachlesen – Klärungen, die heute wieder dringend nötig sind.

In einer Zeit, die vom Gericht Gottes nichts mehr wissen will, in einer Zeit, die so tut, als gäbe es keine Sünde, ist es mindestens irreführend, so zu sprechen, wie der Autor des genannten Zitates es tut. Es ist zu befürchten, dass er die legitime und notwendige Furcht vor Gott und auch vor Seinem Gericht nicht mehr versteht – warum sonst hätte er über diese Wahrheit kein Wort gesagt?

Foto: (c) KATH.NET


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