Ein Spielplatz neben den Gräbern

9. September 2013 in Chronik


Experten wollen Friedhöfe attraktiver gestalten. Von Claudia Zeisel (KNA)


Köln (kath.net/KNA) Wenn Friedhofsleiter Peter Lejeune Besucher über «seinen» Melaten-Friedhof in Köln führt, ist da keine Spur von Ernst oder Traurigkeit. Im Gegenteil, der Mann lacht, macht Scherze und ruft den langsameren Teilnehmern über die Gräberfelder energisch ein «Beeilt euch!» zu. 30 Jahre lang arbeitet er hier, kennt fast jeden Grabstein und Toten mitsamt seiner Geschichte. Die Besucher sind an diesem Mittwoch Steinmetze, Friedhofsgärtner und -betreiber sowie Wissenschaftler. Sie werden anschließend auf einem «Friedhofsgipfel» über die neuen Herausforderungen für Friedhöfe diskutieren.

Denn die Friedhofskultur steht in einem Wandel. In manchen deutschen Städten suchen sich rund ein Drittel der Menschen alternative Bestattungsformen jenseits der Friedhöfe. Das sind etwa Naturfriedhöfe, Baum- und Seebestattungen. Die Trauer finden zunehmend auch zu Hause oder im Internet statt. Mit sogenannten QR-Codes auf manchen Grabsteinen etwa können Besucher die Geschichte eines Verstorbenen im Internet nachlesen. Auch gibt es Trauerseiten im Netz, auf denen jeder Tote stellvertretend einen Stern bekommt.

Die Friedhofsverwaltungen versuchen sich bereits zu öffnen. Auf dem Kölner Melaten-Friedhof etwa gibt es Themengärten für Kinder und Frühgeborene. Sie gleichen mit den sich schlängelnden Wegen, Gräsern, Blumen und duftenden Kräutern eher einer idyllischen Parkanlage als einem Gräberfeld. Manche Gräber sind mit Fotos, Spielsachen und Kies belegt. «Wir sind da tolerant», sagt Lejeune. So tolerant, dass auch andere Kulturen hier Platz haben. Etwa eine iranische Adelsfamilie oder die Königin der Roma in Europa, Sophie Czory, deren Kapelle extra an eine Ecke gesetzt wurde, wo noch niemand zuvor begraben war.

Ein Problem, das den Rücklauf der normalen Friedhofsbestattungen erklären könnte, sind die hohen Kosten. Im Schnitt kostet ein klassisches Reihengrab mindestens 2.000 Euro - für viele unbezahlbar. Hartz-IV-Empfänger bekommen zwar einen Zuschuss für die Grabausstattung. Das Sterbegeld der Krankenkasse zur Finanzierung einer Bestattung hingegen wurde abgeschafft. Ohnehin müsse für eine traditionelle Bestattung inklusive Grabpflege mit einem Betrag von 6.000 Euro gerechnet werden, meint der Geschäftsführer des Aachener Bestattungshauses Bakonyi, Karl Steenebrügge. «Für viele Menschen ist nicht mehr die Art der Bestattung das Problem, sondern die Finanzierung.»

Abschreckend sind aber nicht allein die hohen Kosten. Auch die Atmosphäre auf den Friedhöfen nach Ansicht von Trauerbegleiterin Helene Düperthal zunehmend verloren. Ältere Menschen hätten keine Sitzgelegenheiten, wo sie verweilen und ihrer Toten gedenken können. Auch sei das Gespräch mit anderen Angehörigen auf dem Friedhof wichtig, so die Religionspädagogin. Entscheidend für die Trauerarbeit sei eine angenehme Atmosphäre. Dann könnte sich der Trauernde fallen lassen. «Das kann schon ein Strauch sein, dessen Duft ich einatme und der mich an den Toten erinnert.» Oder eben ein nettes Gespräch.

Laut Christoph Keldenich von der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur «Aeternitas» muss es ein Umdenken in der Friedhofsgestaltung geben: «Friedhöfe sind mittlerweile auf einem Markt, wo es Konkurrenzprodukte gibt», sagt er nüchtern. Deshalb müssten sie das Angebot erweitern. Auch für normale Spaziergänger sollten Friedhöfe wieder attraktiver werden, etwa als Parkanlage oder mit einem Spielplatz.

Im Mittelalter seien Friedhöfe schließlich im Zentrum öffentlichen Lebens gewesen, weiß Bestattungsexperte Steenebrügge. Damals hätten sich die Menschen täglich dort getroffen, Verträge geschlossen. Die Kirmes fand in der Nähe auf dem Kirchhof statt. Heute könnten etwa Restaurants Raum zum Austausch bieten. Und sie wären eine zusätzliche Einkommensquelle für die Friedhöfe.

Auch Friedhofsführungen wie am Tag des offenen Denkmals seien wichtig, um den Bürgern den Wert eines Friedhofs näher zu bringen. Peter Lejeune kennt den ganz genau: «Hier, im Angesicht des Todes, verschwindet so manche Sorge von ganz allein», erklärt er lächelnd.

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Foto (c) kath.net/Petra Lorleberg


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