Vatikanisches Sommerloch...

21. August 2013 in Aktuelles


Die Meldung des Tages: Wahnsinn, der Papst ist katholisch! Er betet und versucht den Willen Gottes zu ergründen, um danach zu handeln. Auf der Suche nach dem 'Scoop' um jeden Preis. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Auch wenn ein schweres Unwetter über Rom mit Sturm, Wolkenbrüchen und Hagel am 20. August die Stadt wieder in die Knie gezwungen hat (was nichts Besonderes ist: in der Regel genügen zwei Tropfen Regen oder eine Schneeflocke, um derartiges zu erreichen) – es ist Sommer, es ist August. Ein besonderer August: der Papst ist dieses Jahr „in Urbe“ und wird dort auch bleiben.

Auch wenn es nur den sonntäglichen Angelus gibt – die Generalaudienzen sind bis September ausgesetzt: eine Neuheit –, der Petersplatz ist voll, zusammen mit der sich wie ein Schneckenhaus gewundenen Schlange der Touristen, die die Basilika besuchen wollen.

Auch wenn man den Papst nur einmal in der Woche sehen kann, ist es eben ein „anderer“ August, wie er seit vielen Jahrzehnten nicht mehr erlebt wurde.

Weinenden Auges gedenken die Einwohner von Castel Gandolfo der goldenen Zeit, als die Päpste – und vor allem Benedikt XVI. – Monate in den Albaner Bergen verbrachten. Weinenden Auges blicken sie auf das verschlossene Tor des Apostolischen Palastes. Kein Schweizer wacht: ein Anblick, der vielen einen gleichsam physischen Stich durchs Herz bereitet. Das Städtchen „lebte vom Papst“. Die vielen Läden, Bars und Restaurants verdienten im Sommer das Geld, mit dem sie den papstlosen Winter überleben konnten. Zusammen mit den immer stärker spürbar werdenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise bedeutet der jetzige Einbruch der Besucherzahlen für viele eine wahre, die Existenz gefährdende Katastrophe.

Aber dennoch: Nachrichten aus dem Vatikan sind rar, und trotz allem müssen die Agenturen ihre Meldungen schreiben und die Zeitungen Geschichten produzieren. Eine kleine spontane Audienz von Papst Franziskus mit rund 225 gemischt katholisch-buddhistischen Schülern und Lehrern aus der „Seibu Gakuen Bunri Junior High School“ (Tokyo) im Damasus-Hof, zu der es heute kam, gibt da wenig her, vor allem wenn das alles so „spontan“ ist, dass selbst das Presseamt in letzter Minute informiert wird und die Lautsprecher der Übertragung einschalten kann.

Der Papst spricht von der Wichtigkeit des Dialogs, von der Tatsache, dass die Basis des Dialogs für den Christen in der sanftmütigen Bereitschaft zum Zuhören besteht, dass das Wichtige gerade dieses Zuhören ist, auch wenn man sich gegenseitig nicht von der Richtigkeit der eigenen Position überzeugen kann. Aber sei es drum.

Zum Glück gibt es noch anderes, etwas, das einige wohl als „Reißer“ sehen wollen, etwas, das in dieser müden Sommerzeit mit tollen Schlagworten ein Loch füllen kann. So konnte die mehrsprachig angebotene römische Nachrichtenagentur Zenit am 19. August ihren „Scoop“ landen und damit abräumen: einer, dem das Privileg zuteil wurde, den emeritierten Papst Benedikt XVI. in seinem Kloster „Mater Ecclesiae“ zu besuchen, berichtet, dass der Emeritus sozusagen zum ersten Mal Hintergründe für seinen Amtsverzicht dargelegt hat.

Und was für „Hintergründe“! „Gott hat es mir gesagt“, soll Benedikt XVI. seinem auf Anonymität bestehenden Besucher anvertraut haben. Es habe sich bei dieser Eingebung nicht um eine „Erscheinung“ oder ein ähnliches Phänomen gehandelt, so die „Quelle“ weiter. Vielmehr sei es „eine mystische Erfahrung“ gewesen, in der Gott ihm „im Herzen einen absoluten Wunsch“ habe entstehen lassen, „mit ihm allein im Gebet zu verbleiben“.

Natürlich konnte sich Zenit der Tatsache sicher sein, dass eine derartige Aussage in Windeseile aufgegriffen werden wird, weltweit. Und so war es dann auch: „Gott hat es dem Papst eingegeben“, „Mystische Erfahrung Grund für Amtsverzicht“. Je reißerischer, desto besser, vor allem für weltliche Medien. Aber dem nicht genug. Die „mystische Erfahrung“ habe sich laut den Worten des Namenlosen in den Monaten seit dem Rücktritt fortgesetzt. Je mehr Benedikt XVI. das „Charisma“ seines Nachfolgers Franziskus beobachte, desto mehr verstehe er, dass seine Entscheidung der Wille Gottes gewesen sei. Die Sensation schlechthin.

Zusammengefasst: der Papst glaubt wirklich an Gott. Aber es kommt noch besser: der Papst betet. Und – man staunt nur so: der Papst versucht, den Willen Gottes zu ergründen, um danach zu handeln. Der Skandal wird deutlich, der es selbst Katholiken anscheinend kalt den Rücken runterlaufen lässt: der Papst ist katholisch!

Fazit: eine derartige Meldung interessiert nur jemanden, der wenig vom katholischen Leben kennt. Sie interessiert den, der das Wort Benedikts XVI. nicht ernst nimmt oder vielleicht nie ernst genommen hat. Wie erklärte doch der Papst an jenem geschichtsträchtigen 11. Februar 2013, nach dem alles anders war, in seiner „Declaratio“? „Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“.

Am 4. Mai 2011 begann Benedikt XVI. seinen Katechesenzyklus bei den Generalaudienzen über das Gebet, das Beten, den Beter, das Ziel und den Sinn des Gebets, dessen Wirklichkeit, dessen Kraft, dessen Besonderheit als christlichem Beten. Der Zyklus endete am 26. September 2012 mit dem Thema: „Die Liturgie – Schule des Gebets“. „Altare est cor Deum“ – „Cor ad cor loquitur“: Mittelpunkte des christlichen Betens. Statt sich darüber zu wundern, dass der Papst „wirklich“ betet, in einen Dialog mit Gott tritt, bei dem etwas herauskommt, wäre es vielleicht angebracht, sich näher und vertiefter in die Schule des Gebets von Benedikt XVI. zu begeben.




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