Die Neuerungen von Papst Franziskus

31. Juli 2013 in Aktuelles


Pressekonferenz während des Rückflugs aus Rio de Janeiro. Von Lucetta Scaraffia


Rom (kath.net/L’Osservatore Romano) Es gibt vor allem zwei wichtige Neuerungen, die dem langen, in heiterer Atmosphäre geführten und offenen Interview entnommen werden können, das Papst Franziskus den Journalisten gewährt hat – seine vollständige Transkription gibt das entspannte, ja fast vergnügte Klima perfekt wieder, durch das sich die Begegnung auszeichnete –, und sie betreffen zwei Fragen, deren Behandlung der Heilige Vater bislang wenig Raum gewährt hatte: die Fragen der Frauen und der Homosexuellen.

Die Aussagen des Papstes über die Rolle der Frau sind eindeutige und aufschlussreiche Signale für einen starken Willen zur Öffnung, keineswegs diktiert durch die unaufschiebbare Notwendigkeit, die Kirche an die in den westlichen Gesellschaften verwirklichte Gleichstellung der Geschlechter anzupassen, und auch nicht in den paternalistischen, oft durchaus liebevollen Ton gekleidet, der nahezu immer mit den Worten hoher Prälaten einhergeht, wenn sie das Thema ansprechen. Die Öffnung ist grundsätzlicher Art und hängt eng mit seinem Vorhaben der Reform der Kirche zusammen: Ohne eine ganz offene Anerkennung der Rolle der Frauen ist es unmöglich, auf jene vitale und einladende Kirche zu hoffen, die sich Papst Franziskus wünscht, jene Kirche, der es von neuem gelingt, die Gläubigen anzuziehen und ihr Herz zu wärmen. Die Frau, so sagte er, »hilft der Kirche, zu wachsen«, denn die Fruchtbarkeit ist eine Konsequenz der gleichberechtigten, kooperativen Beziehung zwischen Mann und Frau. Und wenn diese Beziehung schwach wird, wenn sie nicht mehr lebendig ist und abgelehnt wird, wie es heute geschieht: dann wächst die Kirche nicht mehr
.
Der Mut, eine Wahrheit auszusprechen, die wie alle Wahrheiten zwar selbstverständlich ist, die vor ihm aber niemand je auszusprechen wagte, nämlich, dass »Maria wichtiger ist als die Apostel«, hindert ihn nicht daran, das Priestertum von Frauen kategorisch auszuschließen. Zugleich aber fordert er ein Mehr an Studien und Reflexionen, die dazu dienen sollen, zu verstehen, wie diese Gleichheit in der Verschiedenheit verwirklicht werden kann. Zusätzliche Forschungen, zu denen die Frauen natürlich grundlegende Beiträge leisten werden.

Kurz gesagt, die Neuerung wird ganz klar ausgesprochen, ohne dadurch die Tradition der Kirche zu bedrohen. Man kann alles ändern, solange die Grundregeln bestehen bleiben, jene Regeln, auf denen die katholische Tradition errichtet wurde: das ist der Standpunkt des Papstes auch im Hinblick auf die Homosexuellen. Die Kirche darf keine steife Austeilerin von Sentenzen sein, sondern sie soll immer bereit dazu sein, die Sünder wieder aufzunehmen, also einen jeden von uns. Das Beispiel des Petrus, der Jesus verrät und dann »zum Papst gemacht« wird, ist von erleuchtender Klarheit, die in einem Augenblick alle Denunziationsbriefe, jeden Verdacht, die vergiftete Stimmung, die sich in der Welt der Kirche nach jener Anspielung auf eine »Gay-Lobby« ausgebreitet hat, zunichte macht. Und jedermann daran erinnert, dass das Christentum stets zwischen einer Verurteilung der Sünde und der Barmherzigkeit dem Sünder gegenüber unterschieden hat und dass es kein steifes, herzloses Puritanertum ist.

Auch im Hinblick auf dieses Thema ändert Papst Franziskus keine der moralischen Vorschriften, aber er eliminiert den steifen und klatschsüchtigen Moralismus und entfernt mit einigen wenigen Worten die katholische Kirche von jener ungeheuerlichen Anschuldigung der Homophobie, die sie in jüngster Zeit verfolgte. Das charakteristische Merkmal des Christen ist die Barmherzigkeit, und das heißt Aufnahme des Sünders und Vergebung. Ein anderes Kapitel wäre es, die Normen zu ändern, um die Sünde auszulöschen.

Die Barmherzigkeit will er auch für wiederverheiratete Geschiedene, ohne deshalb aber der Scheidung Tür und Tor zu öffnen. Auch in diesem Fall bittet der Papst um weiterführende theologische Forschungen zum Thema der Ehe-Pastoral: einen kulturellen Wandel, um erfolgreich den Männern und Frauen unserer Zeit dieses Sakrament zu erklären. Es gelingt ihm in der Tat, das Problem ausfindig zu machen: wenn die Zahl der kirchlichen Eheschließungen so drastisch zurückgeht, und diejenigen, die geschlossen werden, oft keinerlei Wert besitzen, dann geschieht dies aus dem Grunde, dass die Kirche die falschen Worte gebraucht, alte, steife und sterile Worte, um die Institution zu erläutern, aus der Leben entsteht. Es ist nicht erforderlich, die Normen zu ändern, sondern die Menschen, die diese erläutern, die Kultur, die sie rechtfertigt. Und wir sind gewiss, dass Papst Franziskus auch im Hinblick auf die Erneuerung der Ehepastoral die hierfür entscheidenden Erfahrungen der Frauen aufzuwerten verstehen wird.

Das sind alles Probleme und Situationen, denen Pater Bergoglio, Priester und Bischof, auf seinen Gängen durch die Straßen von Buenos Aires begegnet ist, in seinen Begegnungen mit normalen Männern und Frauen, die ihm ihre Herzen voller Hoffnung und Aufrichtigkeit öffneten. Ein reicher Schatz an menschlichen Erfahrungen, das heute sein Pontifikat erleuchtet, das jede seiner Ansprachen erwärmt und ihm jenen Klang der Wahrheit verleiht, der seine Worte verstehen und lieben lässt.


© 2013 www.kath.net