Der breite Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

25. Juli 2013 in Deutschland


Emeritierter Braunschweiger Landesbischof Gerhard Müller im offenen Brief zur EKD-Orientierungshilfe: „Mein Vorschlag zur Güte: Das Papier zurückziehen! Dazu gehört Größe. Denn wer gibt schon gerne zu, dass er unter Niveau geraten ist?“


Erlangen (kath.net/pm) Die in der EKD-Orientierungshilfe vorgelegten Erörterungen tun „so, als ob wir ungestraft neue Normen erfinden könnten, ohne uns um die übrige Christenheit scheren zu müssen.“ Dies schrieb der emeritierte Landesbischof Gerhard Müller der evangelisch-Lutherischen Kirche Braunschweig in einem offenen Brief an die EKD. Der inzwischen 84-jährige Theologe war ordentlicher Professor für Historische Theologie an der Universität Erlangen gewesen sowie stellvertretender Leitender Bischof der Vereinigten Evangelischen Lutherischen Kirche in Deutschland.

kath.net dokumentiert den offenen Brief „Postmoderner Rat. Der breite Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)“ des emeritierten Landesbischofs von Braunschweig, Prof. Gerhard Müller, zur EKD-Orientierungshilfe Familie in voller Länge:

Die „Orientierungshilfe“ „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit: Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, ist überflüssig, vergangenheitsorientiert und perspektivlos, sehr geehrte Mitglieder des Rates der EKD.

1. Wir leben in der Postmoderne. Die überkommenen Sitten und Bräuche haben wir abgeschafft, weil sie uns eingrenzten. Autonom sind wir geworden. Wir informieren uns im Internet, nehmen Maß an den neuen Sitten und Bräuchen, die sich um uns herum ausgebildet haben und entscheiden völlig selbständig. Sind nun neue „Erzieher des Menschengeschlechts“ (nach Lessing) erstanden, die uns orientieren, also beeinflussen wollen? Darauf können wir gerne verzichten. Wenn Sie uns Autonomie zusprechen, dann nehmen Sie uns bitte ernst und begrenzen Sie unsere Freiheit nicht!

2. Sie orientieren Ihre Ausführungen an der Gegenwart. Die aber ist das Vergänglichste, was es gibt: Kaum betrachtet, ist sie längst entschwunden und Vergangenheit geworden. Es nützt nichts, zum Augenblick zu sagen: „Verweile doch, du bist so schön!“ Sie haben sich bei Ihrer „Orientierungshilfe“ an dem Gegenwärtigen ausgerichtet. Das ist aber schon Schnee von gestern, bevor es im Internet oder auf Papier steht. Deswegen bieten Sie nur Altbekanntes, das wir schon lange kennen und vielleicht auch längst ausprobiert haben. Wir orientieren uns eventuell auch neu. Dafür nutzen wir aber unsere Fähigkeit, selbst unsere Netzwerke zu knüpfen und eigene Gesetze zu machen.


3. Was können wir aus Ihrer umfangreichen Arbeit Neues lernen? Die Familie soll gestärkt werden. Das ist aller Ehren wert. Aber die vielen Gesichter, die die Familie hat, vermögen uns zu verwirren. Das haben Sie nicht behandelt, sondern nur beschrieben, was ist. Alles ist gleich gültig, also letztlich gleichgültig (Armin Kraft). Worin besteht die „verlässliche Gemeinschaft“, wenn alles fließt und wir uns in diesem Strom kaum über Wasser halten können? Unsere Schwierigkeiten mögen finanzielle Gründe haben oder sexuelle oder was auch immer. Für diese Situationen geben Sie uns leider keine Perspektiven. Jedem und jeder ist sein/ihr eigener Weg überlassen – darüber braucht man uns aber nicht zu belehren. Es geht Ihnen darum, allen „familiären Gemeinschaften“ den Nutzen der Sozialgesetze zugute kommen zu lassen. Wenn es nicht anders geht, dann sorgt dafür aber schon unser Bundesverfassungsgericht. Dabei hatte ich immer gedacht, seine Norm sei unser Grundgesetz, nichtaber das, was jetzt vielen als plausibel gilt. Die Bundesjustizministerin hat den Vorschlag gemacht, 35 zum Begriff der Ehe einfach den der Familie hinzuzusetzen. So einfach kann Jurisprudenz sein! Aber ob sie dann noch Klugheit ist (was sie ihrem Namen nach sein sollte), das darf ein Nichtjurist sicher fragen. Wir haben also genug Leute, die die Gegenwart „verbessern“. Was will dann noch die EKD mit einem Rat, einer Orientierungshilfe?

„Liebe gilt als die intensivste persönliche und exklusive Beziehung zwischen zwei Menschen, und 40 sie wird gerade in einer erfüllten sexuellen und erotischen Beziehung auch so erfahren“ (S. 67).

Für uns Deutsche ist es nicht leicht, von Liebe zu sprechen, wie Ihr Satz zeigt. Der Begriff ist umfassend und deswegen alles andere als eindeutig. Da hatten es die Lateiner besser. Sie unterschieden persönliche Zuneigung (amor), Hilfe (caritas) und Geschlecht (sexus). Sie aber sprechen nur von den sexuellen und erotischen Seiten der Liebe. Es gibt aber auch das, was Jesus von Nazareth Nächstenliebe genannt hat. In einer Familie etwa sollte Liebe herrschen. Das ist nicht immer leicht, aber eigentlich doch das, was verbindet, hilft, beisteht. Der Schutz der Kinder vor den sexuellen Phantasien ihrer Eltern – soweit es diese (mit Schmerz sei es gesagt) wirklich gibt – war ein klarer Bestandteil familiärer Ethik. Aber auch daran wird gerüttelt – wenn es sich denn um Volljährige handelt (sagt man). Als ob dies in einer Familie mit ihren Machtstrukturen ein überzeugendes Argument wäre. Es ist deswegen erforderlich zu sagen, was wir mit Liebe meinen, wenn wir über sie sprechen. Die Nächstenliebe würde geradezu in ihr Gegenteil verkehrt, wenn praktische Hilfe zu sexueller Ausbeutung missbraucht werden würde. Von diesem und vielem anderem zum Thema Liebe hätte ich von Ihnen gerne mehr erfahren.

„Angesichts des Wandels ist auch die Kirche aufgefordert, Familie neu zu denken und die neue Vielfalt von privaten Lebensformen anzuerkennen. … Diese Anerkennung ist nicht … als Anpassung an neue Familienwirklichkeiten zu verstehen, sondern als eine normative Orientierung“ (S. 141).

Die Lebensvielfalt ist die neue Norm. Hier wird neue Offenbarung postuliert, auf die wir uns einstellen sollen. Das ist eine natürliche Theologie von einer viele Christen erdrückenden Einfachheit. Die „alte“ Offenbarung, für uns Evangelische in der Bibel zusammengefasst, nimmt bei Ihnen dagegen nur einen bescheidenen Raum ein. Zur Kommission von zehn Frauen und vier Männern, die für dieses Thema gebildet wurde, gehörte weder ein(e) Alt- noch ein Neutestamentler(in). Die Folgen sind entsprechend. Von Zärtlichkeit unter Männern rede die Heilige Schrift, wird behauptet. Der Ratsvorsitzende wird auf Belege dafür angesprochen, weil die Arbeitsgruppe keine genannt hat! Er nennt 2. Samuel 1, 26: „‚Deine Liebe war mir köstlicher als Frauenliebe’, David zu Jonathan“ (FAZ Nr. 154, 2013, S. 4). Wenn hier Homosexualität gemeint wäre, was die Exegeten bestreiten, würde dies unser Dogma von der Homosexualität untergraben. Denn während alte christliche Lehren von vielen abgelehnt werden, gilt der Satz: „Einmal homo, immer homo“ als unumstößlich. Die Homosexualität soll eine Schöpfungsvariante sein, die Gott vorgegeben hat und die deswegen unveränderlich ist. Nun wäre aber David das beste Beispiel für Bisexualität, hat er doch sogar den Ehemann einer Frau ermorden lassen, um sie gewinnen zu können (Bathseba im Bade, die die Mutter Salomos wurde). Wird hier Familie neu gedacht?

„Heute erscheinen die Institutionen Ehe und Familie nicht mehr als unveränderliche Ordnung“ (S. 68).

Wer unsere Lebensvielfalt zur Norm macht, kann so sprechen. Wenn in der „Orientierungshilfe“ angedeutet wird, das Neue Testament gehe in Fragen der Familie und Ehe über das Alte Testament hinaus, dann wäre es erforderlich gewesen, auch das zu belegen. Aber wieder klafft eine Lücke. Jesus hat in der Tat die Konzentration auf Gottes Reich als etwas Besonderes hingestellt: „Etliche enthalten sich der Ehe, weil sie von Geburt an zur Ehe unfähig sind; etliche enthalten sich, weil sie von 80 Menschen untauglich gemacht sind; und etliche enthalten sich, weil sie um des Himmelreichs willen auf die Ehe verzichten“ (Matthäus 19, 12). Der Jude Jesus wusste also von Impotenz, von Eunuchen und von wenigen, die sich so auf Gott konzentrieren wollen, dass sie auf Sexualität verzichten. Die große Masse aber lebt in der Ehe. Von Homosexualität redet Jesus nicht.

Die äußere Form der Ehe war immer veränderlich. Vor der Reformation war im Abendland das Eherecht von der Kirche verwaltet worden. Davon wollte Luther sie befreien. Deswegen nennt er das Eherecht ein „weltlich Ding“. Aber geregelt sollte die eheliche Ordnung bleiben. Ihr Sinn und ihre innere Aufgabe waren sowieso, weil von Gott vorgegeben, unveränderlich. Klandestine Ehen z. B., bei denen der Mann der Frau versprach, sie zu ehelichen, sie aber sitzen ließ, wenn sie schwanger wurde, sollten vom Staat zum Schutz von Frauen verboten werden. Bisher galt in allen christlichen Kirchen: Die Ehe von Frau und Mann ist von Gott gestiftet und kann nicht nach Belieben verändert werden.

In der vom Rat der EKD angenommenen Arbeit, geht es vorrangig um die Vielfalt heutiger Lebensformen, eine möglichst „unverdächtige“ Umschreibung homosexueller Partnerschaften. Unter dieser Beschränkung leiden die vorgelegten Erörterungen. Sie haben nur Deutschland (und noch ein wenig Europa) im Blick, nicht aber unsere globalisierte Welt. Sie tun auch so, als ob wir ungestraft neue Normen erfinden könnten, ohne uns um die übrige Christenheit scheren zu müssen. Dabei wird all dies schon seit Jahrzehnten diskutiert. Biblische Zentralstelle für das EKD-Papier ist der Satz: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (1. Mose 2, 18, was man dem Sinne nach auch bei Aristoteles hätte finden können). Bei der mehrfachen Zitation dieser Worte wird nie die Fortsetzung kundgetan: „ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei“. Das würde homosexuelle Lebensformen mindestens in Frage stellen, wenn nicht gar ausschließen, um deren Durchsetzung und Anerkennung es den Verfassern geht. Es wird vom „Schöpfungsbericht“ geschrieben. Aber es gibt deren zwei. Leider fehlt folgende Aussage des anderen Berichts: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, … und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch“ (1. Mose 1, 27f.). Das also ist Familie: Mann, Frau, Kinder.

Manche haben eine Phobie vor dem Begriff Schöpfungsordnung. Sprechen wir also von Theonomie: Gott der Schöpfer hat mit seiner Schöpfung Gesetze verbunden. Dazu gehört das Miteinander von zwei Geschlechtern, denen auch die Fortpflanzung zugesprochen wird. Aber von Theonomie ist in dem Papier nicht die Rede, nicht einmal von den Problemen der Autonomie – ganz so einfach ist die nicht zu verwirklichen, wie in der „Hilfe“ unterstellt wird. „Wie Kirche und Diakonie Familien stark machen können.“ Das wird ausführlich von der Kommission dargestellt. Aber das größte Problem wird übergangen: Wie kann es bei uns geschehen, dass Jahr für Jahr etwa 100000 Kinder abgetrieben werden? Verboten ist zwar das Töten von Menschen, aber in diesem Fall bleibt es ungestraft. Sind wir da wirklich fein raus oder schreit es nicht vielmehr zum Himmel?

Die Phänomene unserer Zeit zur Norm zu machen, ist nicht neu. Immer haben wir Menschen den Stempel unserer Zeit. Von „Alterskohorten“ wird gesprochen, die unter denselben Voraussetzungen ausgebildet wurden und die davon Zeit ihres Lebens gezeichnet sind. Aber wenn uns gesagt wird, es gebe Ehepaare, die keine Kinder wollten, dann könne man auch Homosexuelle wie Ehepaare behandeln – obwohl diese häufig Kinder in ihre neue Beziehung einbrächten oder durch künstliche Befruchtung welche bekämen, also in dieser Beziehung häufig besser dastehen! –, dann wird eine (nach christlichem Maßstab ‚falsche’) individuelle Entscheidung zum Maßstab, zur Norm gemacht. Mit den Gütern, die Gott uns anvertraut, haben wir anders umzugehen: verantwortlich, in Liebe, Glaube und Hoffnung.

Die Deutschen Christen machten Volk, Nation und Rasse zu Schöpfungsordnungen, zu neuen Normen. Dabei steht in den Schöpfungsberichten zwar etwas von Mann, Frau und Kindern, aber nichts von Volk, Nation oder Rasse. Die Deutschen Christen wurden in fast allen evangelischen Kirchen Deutschlands von den Kirchenmitgliedern im Juni 1933 mehrheitlich in die Synoden gewählt – mit fatalen Folgen. Dieser Vergleich wird möglicherweise manche ärgern. Aber das ist nicht beabsichtigt. Vielmehr geht es darum, dass wir die Folgen unserer Neunormierung bedenken. Sie liegen auf der Hand: Wir kehren zurück in die hellenistische, vorchristliche Zeit. Auch damals lebten 130 die Menschen vielfältig. Es war die jüdisch-christliche Lehre, die den Hedonismus zurückdrängte, den Wunsch, sich das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Wenn die Christen damals sich auf das Leben ihrer Zeit eingestellt hätten, wären sie so wenig aufgefallen wie wir. Sie taten das aber nicht – jedenfalls einige von ihnen. Sie versuchten, anders zu leben und verantwortlich mit den Mitmenschen und Gottes Schöpfung umzugehen. Dadurch fielen sie auf. Etliche ließen ihr Leben für ihren Glauben. 135 Sie „standen in der Gunst des ganzen Volkes“ (Apostelgeschichte 2, 47). Das veranlasste Menschen aufzuhorchen. Sie änderten sich. Geben wir dazu Anlass?

Der Ratsvorsitzende hat meines Erachtens Unrecht, wenn er in Bezug auf „die Institutionenethik von Ehe in der Bibel“ erklärt: „Dort wird die rechtliche Gestalt der Ehe vorrangig unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsrechts verhandelt.“ Nach meiner Erinnerung geht es hier vorrangig um Liebe, und damit auch um Korrektur der Sünden, die natürlich auch in der Ehe nicht ausbleiben.

Der Ratsvorsitzende hat Recht, wenn er das vorliegende Papier nicht ändern will. Mein Vorschlag zur Güte: Das Papier zurückziehen! Dazu gehört Größe. Denn wer gibt schon gerne zu, dass er unter Niveau geraten ist? Bisher war es üblich, dass in den Kommissionen die Vertreter verschiedener Ansichten sich zusammenraufen mussten. Das war hier offenbar nicht vorgesehen. Bei oberflächlicher Harmonie geht dann – trotz aller Arbeit – schnell die Puste aus. Das Innovative bleibt auf der Strecke. Vor dem „breiten Weg“ der postmodernen Beliebigkeit, der „zur Verdammnis führt“, hat schon Jesus gewarnt: Matthäus 5, 13. Es wird behauptet: „Die Ad-hoc-Kommission wurde unter Fach- und Sachgesichtspunkten zusammengestellt.“ Können wir normalen Sterblichen diese erfahren? Haben Sie, liebe Ratsmitglieder, hier Ihr Urteil einbringen können? Oder half die Verwaltung, die weitgehend anonym bleibt, während Sie jetzt für alles gerade stehen müssen?

Der fragmentarische Rückgriff auf die Heilige Schrift und Behauptungen ohne Belege sind unwissenschaftlich. Diejenigen, die nach Orientierung suchen, werden durch diese Art der Darlegung ungenügend informiert. Bisher galt bei uns nicht, dass der Zweck die Mittel heilige. Dabei sollte es doch sicher bleiben!? Aber jedenfalls wird in diesem Papier nicht nur über Luther, sondern auch über Calvin und Melanchthon hinausgegangen, die ebenso wie Luther in der Dekade erinnert wurden und die alle drei für Bildung und damit auch für zuverlässige Unterrichtung stehen.

Kritiker des EKD-Papiers werden als Reaktionäre hingestellt. Damit befände ich mich in guter Gesellschaft: Auch Luther war reaktionär: Die Kirche sollte von Falschem befreit werden, damit Gott wieder unsere Herzen erreicht (und damit war er zugleich revolutionär!). Wir begehen eine Luther-Dekade bis 2017. Sich von Luther zu distanzieren, wo es erforderlich ist, ist richtig und tut gut. Sein Verständnis der Ehe ist aber ein anderes, als manche, die jetzt das Sagen haben, uns glauben machen wollen. Es ist unzutreffend zu meinen, die Ehe werde bei uns geringer geachtet als bei den Katholiken. Sie ist nämlich für alle Reformatoren göttliche Stiftung. Die Sakramente halten wir Protestanten für Stiftungen Christi. Wer hier Wertunterschiede feststellen wollte, beginge einen großen Fehler. Bisher 165 haben wir ihn vermieden und uns darin mit allen anderen Christen verbunden gewusst. Die stellvertretende Vorsitzende der Kommission, Prof. Ute Gerhard in Bremen, von der zwei Aufsätze im Literaturverzeichnis zu finden sind, hat von einem Kurswechsel gesprochen, der durch die Arbeit der Kommission erreicht worden sei. So sieht es auch das Papier. Der Ratsvorsitzende tut, was seines Amtes ist, er beruhigt. Er spricht lieber von einem „Perspektivwechsel“. Aber Veränderungen sieht auch er, die einmal in einer (höherwertigen) Denkschrift fixiert werden könnten. Klar ist, dass die Wellen nicht so hoch schlagen, weil das Thema emotionsgeladen, sondern weil es wichtig ist: Es geht um Abkehr von bisheriger Lehre und um Hinwendung zu neuen Normen, die der gesellschaftliche Wandel geschaffen hat. Das zu problematisieren, dürfte in der evangelischen Kirche erlaubt sein.

Was wollen wir bis 2017 erreichen? Machen wir weiter wie bisher, so ist das für manche Evangelische zum Katholischwerden, wie zu hören ist. Lösen wir uns als Kirche von innen her auf, wie andere meinen? Oder steht die EKD vor einer Wende? Nicht nur die schwäbische Hausfrau könnte sagen: Das Kirchenamt der EKD ist mir zu teuer für das, was es leistet. Es gab erst einmal eine einzige Kirche in Deutschland, die das 1933 werden wollte, aber nicht wurde, die „Deutsche Evangelische Kirche“. Sie ist sanft entschlafen und nur noch Insidern bekannt.

Es gäbe die Möglichkeit, mit der Luther-Dekade ernst zu machen. Wir könnten fragen: Was erbrachte die Reformation, was nicht? Dazu wäre es erforderlich, die damals geäußerte Theologie neu zu erarbeiten. Dafür könnten wir bei Luther anfangen: „Wenn unser Herr und Meister Jesus Christus sagt: ‚Tut Buße’, dann will er, dass das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine stete Buße sein soll.“ So die erste der 95 Thesen Luthers über den Ablass vom Oktober 1517. Also Umkehr wird von Jesus Christus gefordert, denn nichts anderes ist Buße. Sätze der Reformatoren wie diese sind der Anlass für das Luther-Gedenken 2017 – eigentlich.

Erlangen, 16.7.2013
Dr. Gerhard Müller DD.


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