Von der Via Dolorosa bis zur «Hölle von Onitsha»

23. Juli 2013 in Chronik


Was sich bei der Ankunft des Papstes in Rio abgespielt hat, ließ Fernsehzuschauern zeitweise den Atem stocken – Doch immer wieder kommen Päpste im Ausland in Gefahrensituationen. Von Johannes Schidelko (KNA)


Rom (kath.net/KNA) Offiziell spricht der Vatikan von einem begeisterten Empfang, von großem Enthusiasmus der Bevölkerung für Papst Franziskus. Aber was sich bei seiner Ankunft am Montagabend in Rio de Janeiro ereignete, ließ Fernsehzuschauern zeitweise den Atem stocken - und Vatikan-Korrespondenten nach weit zurückliegenden Parallelen suchen. Unterdessen üben sich vor Ort die Sicherheitsbehörden in gegenseitiger Schuldzuweisung: Die Stadtpolizei von Rio de Janeiro macht die Behörden des Bundesstaates für das Chaos rund um den Papstkonvoi verantwortlich.

Die Fernsehbilder aus dem Hubschrauber zeigten, wie sich der Papst in einem kleinen Fiat, eskortiert von nur zwei Polizeiautos und einigen Motorrädern, durch eine mit Bussen zugeparkte Fahrspur zwängte. Absperrgitter entlang der Strecke gab es nicht, Polizisten oder Militärs waren weit und breit nicht zu sehen. Die wenigen gutwilligen Ordner wurden von Papst-Fans überrannt, die den Konvoi blockierten und das Papstauto einkeilten - zweifellos in freundlicher Absicht. Die sechs vatikanischen Gendarmen und beiden Schweizergardisten waren auf sich allein gestellt, versuchten den Papst abzuschirmen. Von ihren brasilianischen Kollegen keine Spur. Erst später rückte die Motorradeskorte vor und bot dem Papstauto Seitenschutz.

Unterdessen rätseln im Vatikan Mitarbeiter und Beobachter, wie das Kirchenoberhaupt bei seiner ersten Auslandsreise in eine so prekäre Situation kommen konnte: Ob der Fahrer sich verfahren hat, ob er eine andere Route als die vorgesehen genommen hat, oder ob irgendjemand ihn umgeleitet hat. Denn so sehr Franziskus das Bad in der Menge schätzt und sucht, so sehr schien die Situation in Rio für eine halbe Stunde aus der Spur zu laufen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Päpste bei Auslandsbesuchen in brenzlige Situationen geraten. Schon bei der ersten großen Reise der Moderne wurde Paul VI. 1964 beim Besuch der Jerusalemer Altstadt von der Menschenmenge mit- und weggerissen. Der Sicherheitskordon der jordanischen Polizei brach nach wenigen Minuten auseinander. Von nur wenigen Polizisten abgeschirmt wurde der Papst von den begeisterten Massen über die Via Dolorosa geschoben und kam schließlich kreidebleich zur Messe in der Grabeskirche an.

Auch Johannes Paul II. geriet bei seiner ersten Reise 1979 in Mexiko in eine gefährliche Situation, als sein Auto in eine falsche Straße abbog und plötzlich ohne jeden Begleitschutz dastand. 17 Jahr später, bei der größten Messe aller Zeiten 1995 in Manila (vier Millionen Teilnehmer) konnte sein Hubschrauber nicht am Gottesdienstort landen; die Menschenmassen hatten den Landeplatz überrannt. Und mit Schrecken erinnern sich Journalisten an die Reise von Johannes Paul II. nach Nigeria im Jahr 1998, als in der «Hölle von Onitsha» eine aufgebrachte Menschenmenge den Bus der Medienbegleiter des Papstes einkeilte und dann von Militärpolizisten mit Peitschenhieben auseinandergetrieben wurde.

Ob die aktuelle Situation in Brasilien und die Massenproteste für eine bessere Sozialpolitik letztlich dazu führten, dass nicht ausreichend Sicherheitskräfte zum Papstschutz abgestellt wurden, ist Spekulation. Sicher ist, dass Franziskus das Bad in der Menge schätzt. Und sicher ist auch, dass der Papstschutz mitunter übertrieben wurde: Manchmal fuhren Johannes Paul II. oder Benedikt XVI. durch Geisterstraßen - zuletzt in Berlin - und die Papstbegleitung fragte irritiert, warum denn keine Menschen zu sehen seien.

Ebenso sicher ist aber auch, dass eine Situation wie in Rio leicht zum Desaster werden kann: Nicht so sehr, dass sich unter die Papst-Fans auch ein Mensch mit böser Absicht mischen könnte. Viel größer ist das Risiko eines Unfalls: Dass bei plötzlichen Manövern der Autos jemand unter die Räder kommen könnte.

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