Brasilien: Das größte katholische Land wird protestantischer

21. Juli 2013 in Weltkirche


Religiöse Landschaft in den letzten 40 Jahren stark verändert: Bevölkerungsanteil der Katholiken von 92 Prozent auf 65 Prozent gesunken, Anteil der Protestanten von fünf auf 22 Prozent gestiegen, vor allem durch pfingstkirchliche Bewegungen


Rio de Janeiro (kath.net/idea) In Brasilien, wo vom 23. bis 28. Juli der Weltjugendtag stattfindet, hat sich die religiöse Landschaft in den vergangenen vier Jahrzehnten stark verändert. Zwar ist es immer noch das Land mit den meisten Katholiken, doch ihre Zahl sinkt kontinuierlich. Gleichzeitig legen Protestanten, Nicht-Religiöse und Anhänger anderer Religionen zu. Das geht aus einer am 18. Juli veröffentlichten Langzeitstudie des US-amerikanischen Forschungsinstituts Pew Forum (Washington) hervor.

Danach sind zwar immer noch rund 123 Millionen der mehr als 192 Millionen Brasilianer katholisch, doch ihr Bevölkerungsanteil ist seit 1970 von 92 Prozent auf 65 Prozent gesunken. Im selben Zeitraum stieg der Anteil der Protestanten von fünf auf 22 Prozent, der Nichtreligiösen von ein auf acht Prozent und der Anhänger andere Religionen von zwei auf fünf Prozent. Der Volkszählung von 2010 zufolge leben in Brasilien etwa 42 Millionen Protestanten, zwölf Millionen Nichtreligiöse und zehn Millionen Anhänger anderer Religionen, etwa spiritistischer und afro-brasilianischer Bewegungen.

Protestantisches Wachstum durch Religionswechsel

Das protestantische Wachstum kann nach Angaben des Pew Forums nicht mit höheren Geburtenraten oder Einwanderung erklärt werden; vielmehr sei es auf Religionswechsel zurückzuführen. Besonders stark seien die Pfingstkirchen und neo-pfingstkirchliche Bewegungen gewachsen. Diese legen großen Wert auf Wunderheilungen oder Prophetien, die als Auswirkungen des Heiligen Geistes angesehen werden. Im Jahr 2006 habe eine Pew-Studie ergeben, dass etwa 45 Prozent der brasilianischen Pfingstler ihre geistliche Heimat durch Religionswechsel gefunden hätten.

Traditionelle evangelische Kirchen bleiben stabil

Bei der Volkszählung von 1991 waren sechs Prozent der Bevölkerung Mitglieder von Pfingstkirchen; bis 2010 stieg der Anteil auf 13 Prozent. Hingegen bewegte sich der Bevölkerungsanteil der traditionellen evangelischen Kirchen wie Lutheraner, Baptisten oder Reformierte relativ stabil zwischen drei und vier Prozent. Unabhängigen Kirchen gehören etwa fünf Prozent der Bevölkerung an. Wie die Untersuchung des Pew Forums weiter zeigt, verliert die katholische Kirche überdurchschnittlich viele Mitglieder in der jüngeren Generation und in Großstädten.

Katholiken kritisieren „mafiöse Glaubensunternehmen“

Zum Weltjugendtag mit Papst Franziskus werden bis zu zwei Millionen Jugendliche aus aller Welt erwartet. Die katholische Kirche sieht besonders das Wachstum neo-pfingstkirchlicher Gruppen mit großer Besorgnis. Manche seien Sekten, die mit unlauteren Methoden arbeiteten, oder „mafiöse Glaubensunternehmen“, berichtet das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ (München). Den gewaltigen Zulauf erkläre sich Bischof Joaquin Pertinez Fernandez (Rio Branco) mit der verbreiteten Wundergläubigkeit und dem Wunsch nach materiellem Reichtum. Der Bischof: „Die Sekten versprechen den Menschen Wunder, Heilung und Wohlstand.“ Dabei häuften die Leiter selbst durch die Spenden ihrer Nachfolger große Summen für sich an.

Evangelikale Kritik an „Wohlstandsevangelium“

Hingegen gebe es aber auch zahlreiche freikirchliche Gemeinden, bei denen wirklich der Glaube im Mittelpunkt stehe. Sie erkenne man daran, dass sie ihr Geld redlich verwalten und in Bildung sowie soziale Projekte investieren. Auch bei internationalen evangelikalen Zusammenschlüssen wie der Weltweiten Evangelischen Allianz und der Lausanner Bewegung für Weltevangelisation stößt die Verkündigung eines „Gesundheits- und Wohlstandsevangeliums“ auf harte Kritik. Dieses sei nicht mit der Botschaft Jesu Christi zu vereinbaren.

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