'Apostolischer Eifer statt Wohnzimmerchristentum' (Papst Franziskus)

18. Juli 2013 in Jugend


Gedanken im Vorfeld des Weltjugendtages in Rio de Janeiro. Von Pater Bernhard Speringer ORC (Schweizerisch-katholisches Sonntagsblatt)


Goldach (kath.net/Schweizerisch-katholisches Sonntagsblatt)
In einigen Tagen befindet sich unser Heiliger Vater, Papst Franziskus, gemeinsam mit bisher geschätzten 3 Millionen Jugendlichen bereits beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro / Brasilien. Abgesehen von seinem Kurzbesuch auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa am 8. Juli ist dies seine erste große Pastoralreise – und das gleich zu einem Weltjugendtag, einem Megaevent. Ich durfte selbst bereits bei einigen Weltjugendtagen sowohl als Jugendlicher als auch später als Priester teilnehmen. Als Chefredakteur einer katholischen Zeitschrift („St. Josephsblatt“. Verlag Schmid-Fehr, Goldach) habe ich in den letzten Monaten viele Ansprachen, Predigten und „Überraschungseinlagen“ von Papst Franziskus verfolgt – z.B. die überraschende Weihe des Vatikans an den hl. Erzengel Michael und den hl. Josef am 5. Juli – und denke, Papst Franziskus und seine Spiritualität schon ein wenig zu kennen. Und schließlich denke ich durch fünf Jahre in Brasilien als Ordensmann in der Priesterausbildung und in der örtlichen Pastoral, Brasilien, die Brasilianer und die brasilianische Kirche zu kennen. Darüber hinaus auch die Politik und Moral dieses Staates, der zwei große Klöster meiner Ordensgemeinschaft beheimatet.

Ich stelle diesen „Background“ voran, damit meine folgende Aussage nicht als zu vermessen oder anmaßend oder vielleicht sogar „weit hergeholt“ erscheint:

Der Weltjugendtag in Rio de Janeiro wird ein Jahrhundertereignis für die Kirche und die Welt. Das Pontifikat von Papst Franziskus wird in Rio de Janeiro – in seiner lateinamerikanischen Heimat – erst so richtig durchstarten und noch mehr Fahrt aufnehmen.

Vielleicht wird man das nicht unmittelbar sehen und mit Sicherheit können wir es nicht messen an Hand der Lautstärke des Jubels, der Franziskus von tausenden jungen Leuten aus der ganzen Welt entgegenbrausen wird. Aber die Früchte! Die Früchte werden wir irgendwann, ich wage zu sagen bald, erkennen, wenn auch die Saat ihre Zeit brauchen wird, aufzugehen und Frucht zu bringen.

DIESER WELTJUGENDTAG STEHT AUF DEN SCHULTERN VON DREI PÄPSTEN

Des Erfinders und Protagonisten – des seligen und bald heiligen PAPST JOHANNES PAUL II., der vom Himmel aus DER Fürsprecher für seinen Nachfolger in Rio de Janeiro sein wird und derjenige, der „vom Fenster des Vaterhauses aus“ (Zitat Papst Benedikt XVI.) ihn alle Teilnehmer segnen wird. Er hatte die Inspiration von Gott, diese Geistlichen Treffen ins Leben zu rufen und erst die Geschichte wird zeigen, was Gott durch diese Tage, die alle zwei bis drei Jahre in einer größeren Weltmetropole stattfinden, gewirkt hat und wirkt.

Das ist Globalisierung auf katholisch – das ist allumfassende Neuevangelisierung! Und vergessen wir nicht, dass Johannes Paul II. eine besondere Beziehung zu Brasilien hatte. Die Brasilianer sagen: „Deus é Brasileiro!“ – Gott ist Brasilianer.

Während des Pontifikats von Johannes Paul II. wurde dieses “Sprichwort etwas abgeändert: “Deus é Brasileiro – o Papa também!“ – Gott ist Brasilianer – und der Papst auch. Johannes Paul II. hat sich selbst des Öfteren als Brasilianer bezeichnet und somit wird er vom Himmel aus ein besonderer Fürsprecher für diesen Weltjugendtag sein.

Die Weltjugendtage stehen zweitens auf den rein äußerlich bereits gebrechlichen Schultern von PAPST EM. BENEDIKT XVI., der sich als „Mönch“ zurückgezogen hat um mit enormer Kraft durch seine demütige Lebenshingabe für die Kirche zu beten und somit der Kirche weiterhin nahe ist – auf andere Weise aber nicht weniger wirksam. Dieses Gebet hat Papst Franziskus bisher begleitet, ja getragen. Und dieses Gebet seines Vorgängers wird ihn besonders in Rio de Janeiro begleiten, stärken und inspirieren.

Dieses Gebet wird die Junge Kirche der ganzen Welt, die sich auf der Copacabana (dem riesigen Sandstrand in Rio de Janeiro, wo die Eröffnungsfeier stattfinden wird) versammelt, weiter ins dritte Jahrtausend hineinführen – selbstbewusst, voll Freude und erfüllt vom Heiligen Geist – und keine Medien-Kritik, keine Verunglimpfung durch diverse Lobbys, kein Angriff von Seiten der morallosen Gesellschaft (besonders wenn es um die Würde des menschlichen Lebens geht) und keine Verfolgung durch liberale Gesetzgebungen, die Christen unterdrückt, wird dieser jungen Kirche was ausmachen – denn sie ist tief verwurzelt.

Ein Weltjugendtag ist kein oberflächliches Fest oder ein „Event der Superlative“ einer zufälligen Menge an jungen Leuten – jeder Weltjugendtag ist im Felsen Petri verankert, weil das Kreuz Christi in diesem Felsen unlösbar verankert ist.

Als drittes steht der Weltjugendtag auf den breiten und noch frischen Schultern von PAPST FRANZISKUS, der sich die Anliegen der Weltjugendtage zu eigen gemacht hat und so treu und in Kontinuität zu seinen Vorgängern die Fackel weiterträgt. Es werden seine Worte sein, die die Kirche und Welt erschüttern werden – vielleicht nicht wie durch einen Sturm oder einen Tornado, was ich aber auch nicht ausschließen möchte –, aber eher wie ein sanftes Wehen, das Wehen des Heiligen Geistes, des Geistes der Liebe und Barmherzigkeit, die Franziskus auch für Fernstehende so anziehend macht.

Wie oft und in wie vielen Facetten hat Papst Franziskus von dieser Barmherzigkeit gesprochen, die alles andere als Schwachheit oder Naivität bedeutet. Auch nicht die Aufhebung von Schuld und Sünde – nach dem Motto: die Barmherzigkeit kehrt alles unter den Teppich.

Nein, Barmherzigkeit verlangt ein starkes Herz, einen starken Charakter. Deshalb kann es auch keine Barmherzigkeit ohne Wahrheit geben.

Barmherzigkeit ist immer ein „trotzdem“. Trotz unserer Sünden sind wir von Gott geliebt. Deshalb verkündet Papst Franziskus vom ersten Tag seines Pontifikats an diese Barmherzigkeit, die in der Wahrheit ruht. Und er verkündet die Wahrheit des Glaubens ohne Abstriche – sei es gelegen oder ungelegen. Und genau das wird er auch in Rio de Janeiro tun.

Ob die weltlichen Medien – vor allem im deutschsprachigen Raum – sich auch dann so zurückhaltend geben werden als sie es bisher versuchten – oder ob sie in „sprungbereitem Hass“ (Zitat Papst Benedikt) auf ihn einschlagen werden – das bleibt abzuwarten.

GENERATION DER WELTJUGENDTAGS-PÄPSTE

Unter der jüngeren Generation von Priestern oder auch unter den Jugendlichen spricht man gerne von einer Generation Johannes Paul oder einer Generation Benedikt und zuletzt bereits von einer Generation Franziskus. Das ist schön und berechtigt und bringt zum Ausdruck, wie diese Päpste durch ihre Worte und ihr Wirken vor allem die jungen Menschen erreichten und erreichen und zum Positiven beeinflussen. Ich selbst kenne junge Priester oder Ordensleute, die bei einem Weltjugendtag durch ein Wort oder eine Geste oder eine direkte Einladung des Papstes den Weg der geistlichen Berufung eingeschlagen haben. Meine eigene Ordens- und Priesterberufung steht in engem Zusammenhang mit dem bald heiligen Papst Johannes Paul II.

Aber: Kann man nicht und sollte man nicht eher von einer Generation der Weltjugendtags-Päpste sprechen?

Papst Johannes Paul II. hat nach den Wirren und Verunsicherungen des 2. Vatikanischen Konzils – in dessen Folge tausende und tausende Priester und junge Leute die Kirche verlassen haben – genau die Jugend wieder VON DER WELT IN DIE KIRCHE zurückgeholt.

Papst em. Benedikt XVI. hat diesen Jugendlichen durch seine demütige Weisheit den Glauben immer näher gebracht. Durch ihn, durch seine gelehrten und doch so einfachen Worte, hat der Glaube der Jugendlichen Wurzeln bekommen, ist stark geworden. Die Freude am Glauben ist gewachsen, der Wunsch und der Mut zu einem authentischen Leben nach dem Evangelium wurden immer drängender. So hat er die jungen Leute IN DER KIRCHE gestärkt.

Und Papst Franziskus? Er geht diesen Weg weiter, indem er die Jugendlichen AUS DER KIRCHE IN DIE WELT sendet. Ist es nicht ein wunderbares Zeichen der göttlichen Vorsehung, dass bereits Papst Benedikt ein Motto für den Weltjugendtag in Rio wählte, dass Papst Franziskus wie auf den Leib geschneidert ist? Kaum ein anderer Satz bringt seine Leidenschaft für die Verbreitung des Evangeliums so zum Ausdruck, wie das Weltjugendtags-Motto: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern!“ (Mt 28,19)

Vom ersten Tag an hat Papst Franziskus die Kirche aufgerufen, aus sich hinauszugehen, an die Peripherie – ein uns mittlerweile wohlbekannter Lieblingsausdruck von Papst Franziskus – zu gehen. Also an den Rand der Gesellschaft, zu den Armen, den Kranken, den Leidenden, den Unterdrückten – aber vor allem auch zu jenen, die Gott nicht kennen: den Ungläubigen, den Atheisten, den Feinden der Kirche. In einer seiner ersten Predigten nahm Franziskus auf Papst Benedikt Bezug, der in seiner Fastenbotschaft 2013 sagte, dass das größte Werk der Nächstenliebe die Weitergabe des Glaubens ist, letztlich geht es nicht um eine irdische Glückseligkeit, sondern um das Ewige Heil.

Der Papst ruft die ganz Kirche, die Bischöfe, die Ordensgemeinschaften, die Pfarreien, die kirchlichen Gemeinschaften bis hinein in die Familien auf, aus sich heraus zu gehen und somit hinaus zu gehen. Wir sollen apostolische Christen im wahrsten Sinne des Wortes sein – also Apostel für andere.

Wenn wir das nicht tun, dann besteht die Gefahr, dass wir in der eigenen Suppe schwimmen und uns in Selbstzufriedenheit mästen. Wir müssen über den eigenen Kirchturm hinausschauen. Spätestens seit Johannes Paul II. ist die Zeit vorbei, wo Pfarrer oder Ordenspriester im Pfarrhaus oder in den Klöstern auf die Gläubigen warten.

Der Hirt muss bei seiner Herde sein, er muss jedem Schaf voll Sorge und Eifer nachgehen - und wenn es sein muss mit dem Einsatz seines eigenen Lebens. Das gilt auch für die Laien. Es muss jedem Christen ein Herzensanliegen werden, andere Menschen für Christus zu gewinnen – sonst verdienen sie diesen Namen nicht. Schließlich hat unser Herr und Heiland für alle sein kostbares Blut vergossen und will, dass alle gerettet werden. Ist es nicht erschütternd, wenn die Gottesmutter Maria in Fátima bittet: „Betet, betet viel für die Sünder, denn viele gehen verloren, weil niemand für sie betet.“ Jeder einzelne muss sich täglich vor Augen halten: Ich bin mitverantwortlich für das ewige Heil der Seelen – der Sünder insbesondere.


In Papst Franziskus brennt dieses apostolische Feuer. Er weiß, dass die Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist, wie das 2. Vatikanische Konzil sagt, aber wie sehr schwimmt die Kirche gerade im deutschsprachigen Raum in ihrer eigenen Suppe, in der sich alles um die sogenannten heißen Eisen dreht (die ohnehin schon lange kalt sind)… Die Ehre Gottes und das Heil der Seelen, Frieden und Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit, Wahrheit und Demut – das sind die eigentlichen Themen. Die Themen, von denen Papst Franziskus unermüdlich spricht. Hier nur einige Highlights aus seinen Ansprachen und Predigten:

„Apostolischer Eifer statt Wohnzimmerchristentum!“

„Es gibt auch die Wohnzimmerchristen, nicht? Jene Wohlerzogenen, bei denen alles so gut ist, die es aber nicht verstehen, mit der Verkündigung und dem apostolischen Eifer Kinder für die Kirche zu zeugen.“

„Gemeinschaft ist niemals Selbstzweck, Gemeinschaft ist niemals Ziel – es ist Mittel, gemeinsam Gott näher zu kommen!“

„Bitten wir den Heiligen Geist um diese Gnade des apostolischen Eifers, um Christen mit apostoli-schem Eifer. Und wenn wir stören und lästig fallen: Gelobt sei der Herr! Vorwärts, wie der Herr zu Paulus sagt: ‚Hab Mut’!“

„Ein Christ muss Jesus Christus in einer Weise verkünden, dass dieser akzeptiert und empfangen und nicht abgelehnt wird.“
„Die Christen, die Angst haben, Brücken zu schlagen, und es vorziehen, Mauern zu errichten, sind Christen, die ihres Glaubens nicht gewiss sind, die Jesu Christi nicht gewiss sind.“

„Oft hörte ich: ‚Aber Pater, wir können doch Fehler machen’... ‚Vorwärts, wenn du einen Fehler machst, dann stehst du wieder auf und gehst weiter: das ist der Weg’. Diejenigen, die nicht gehen, um keine Fehler zu machen, machen den größten Fehler.“

Soweit einige „franziskanische Weisheiten“… Ich möchte Sie, lieber Leser, einladen, unseren Heiligen Vater im Geist und vor allem durch ihr Gebet und Opfer nach Rio de Janeiro zu begleiten. Auf dass die Schönheit des Glaubens durch seine Worte aufleuchten kann, auf dass die Wahrheit des Evangeliums durch seine Taten offenbar wird, auf dass die Güte und Barmherzigkeit Gottes durch sein Bei-spiel die Herzen der Jugendlichen der ganzen Welt und auch unsere Herzen berühren kann.

Dieser Beitrag erschien zuerst als Leitartikel in "Schweizerisch-katholisches Sonntagsblatt" Nr. 12/2013


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