Kind mit drei genetischen Eltern ein ‚enormer Rückschritt‘

30. Juni 2013 in Aktuelles


Scharfe Kritik von Seiten der Bioethik auf von Großbritannien beschlossene Methode der Erbgutmanipulation.


London-Wien (www.kath.net/ KAP)
Als "enormen ethischen Rückschritt" hat das Wiener Institut für medizinsiche Anthropologie und Bioethik (IMABE) jene Form der Erbgutmanipulation bezeichnet, deren Einführung Großbritannien am Freitag beschlossen hat. Künftig gibt es hier unter bestimmten Voraussetzungen die künstliche Befruchtung mit dem genetischen Erbgut von zwei Müttern und einem Vater, wodurch Paare mit einer mitochondrialen Erkrankung Chance auf ein gesundes Kind bekommen sollen. Der Kern einer Eizelle der erbkranken Mutter wird bei diesem Verfahren in die Eizelle einer Spenderin gegeben, der man zuvor sämtliche genetische Informationen außer den Mitochondrien entnommen hat; das Ergebnis wäre ein Kind mit der DNA von drei Personen.

Bereits seit 2005 experimentieren britische Wissenschaftler mit Embryonen mit Erbkrankheiten, bei denen die im Plasma der Eizelle befindlichen Mitochondrien, die als "Energiekraftwerke der Zellen" fungieren und auch eigenes Erbgut enthalten, einen Gendefekt enthalten, was laut Schätzungen bei einem von 5.000 bis 10.000 Neugeborenen vorkommt. 2010 wurde erstmals das Erbgut eines Embryo-Zellkerns, das durch das männliche Sperma und die Eizelle einer Frau mit bisher unheilbarer Mitochondriopathie entstanden war, in die entkernte Eizelle einer zweiten Frau eingesetzt. 40 Prozent der so erzeugten Embryonen entwickelten sich weiter, wurden aber später im Rahmen der Forschung getötet.

Breite Ablehnung aus der Fachwelt

Das von der britischen Regierung nun genehmigte Verfahren, das in Großbritannien in zwei Jahren verfügbar sein soll, ist in der Wissenschaft seit Anfang an höchst umstritten. Die Technik sei "unnötig, unsicher und von den meisten Begutachtern zurecht abgelehnt", zitiert die BBC etwa David King von "Human Genetics Alert". King bezeichnete es als "Grenzüberschreitung", die in letzter Konsequenz zu einem Markt für eugenische Designer-Babys führen werde.

Das IMABE-Institut beruft sich in seiner Einschätzung auf einen am 20. März unterzeichneten Brief von 30 internationalen Bioethikern an die Londoner "Times", die sich gegen dieses Verfahren aussprechen. "Es wäre das erste Mal, dass vorsätzlich genetische Veränderungen von Kindern und deren Nachkommen ausdrücklich zugelassen würden. Damit wäre das Tor für weitere genetische Veränderungen von Menschen mit unabsehbaren Folgen geöffnet", so die Warnung der Ethiker.

"Schwerwiegender Präzedenzfall"

Jegliche Manipulation der Keimbahn zum Zweck der Fortpflanzung wurde in zahlreichen internationalen Abkommen untersagt, erinnerten die Experten in ihrem damaligen Schreiben. Großbritannien, das diese Abkommen ebenfalls unterzeichnet hatte, würde nun im Alleingang einen "schwerwiegenden Präzedenzfall" schaffen, zudem komme hier auch noch das Problem der Eizellenspende und der dadurch wachsenden Ausbeutung von Frauen hinzu. Bereits im Oktober 2012 hatte ein Forscherteam aus den USA in der Fachzeitschrift "Nature" von ähnlichen Experimenten berichtet, für die zur Herstellung von 13 keimbahnmanipulierten Embryonen insgesamt 106 Eizellen von Frauen nötig gewesen waren.

Zweifel gibt es jedoch auch an der Empfehlung durch die oberste Regulierungsbehörde Großbritanniens für Fortpflanzungsmedizin, die ebenfalls im März erfolgt war und eine entscheidende Grundlage für die aktuelle Freigabe bildete. Die "Human Fertilisation and Embryology Authority" (HFEA) berief sich in diesem Schreiben unter anderem auf "breite Unterstützung" für dieses Verfahren, die eine Online-Befragung in der Bevölkerung gezeigt habe. Das in Kalifornien ansässige "Center for Genetics and Society" kritisierte, dass die Daten "irreführend" und offenbar auf ein gewünschtes Ergebnis hin interpretiert seien: Ein genauerer Blick auf die Umfrage zeige, dass eine Mehrheit im Grunde gegen die Herstellung von Drei-Elternteile-Kindern sei.

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