Meisner: Standhalten gegen die Babylonisierung und Atheisierung

28. Juni 2013 in Deutschland


Kölner Kardinal Meisner bei Priesterweihe im Kölner Dom: Priester heute „oft auf die Anklagebank der öffentlichen Meinung“ VIDEOS


Köln (kath.net/pek) Den Jünger Jesu versetze auch heute „sein Standhalten gegen die Babylonisierung und Atheisierung von Gesellschaft und Welt“ „oft auf die Anklagebank der öffentlichen Meinung.“ Dies erläuterte Joachim Kardinal Meisner, der Erzbischof von Köln, acht jungen Männern in seiner Predigt und spendete ihnen danach das Sakrament der Priesterweihe. Er legte den Weihekandidaten deshalb ans Herz: „Wir müssen weltnah sein, aber müssen unbedingt gottverbunden bleiben.“

kath.net dokumentiert die Predigt von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zur Priesterweihe im Hohen Dom zu Köln am 28. Juni 2013 in voller Länge:

Liebe Weihekandidaten,
liebe Schwestern, liebe Brüder!

1. Gottes Liebe

Ein Apostel wird nicht rekrutiert, sondern berufen. Er wird nicht zu seinem Dienst verpflichtet, sondern von Gottes Liebe dazu gedrängt: „Die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). Jesus sah den Petrus an und sprach: „Selig bist du, Simon Barjona; … Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18). „Fels“ hatte ihn Jesus ausdrücklich genannt. Das war eine Auszeichnung. Jesus hatte sofort erkannt, wer dieser Mann ist und wozu er fähig ist. Mit dieser eindringlichen, persönlichen Zuwendung – zweimal sagte Jesus „Du“ zu ihm – gewann er dem Petrus das Herz ab. Jesus hatte einen neuen Freund gewonnen. Das wiederholt sich in jeder priesterlichen Berufung, dass Gott einem Menschen so nahe kommt, dass er ihm das Herz abgewinnt. „Liebst du mich?“ (Joh 21,16), das ist die nicht aufgebbare Bedingung zum Empfang der Priesterweihe und überhaupt zur Übernahme eines Dienstes in der Kirche. „Liebst du mich?“ Gott lässt sich dabei ins Herz schauen und lässt den Menschen einen Blick in sein Innerstes tun. Wenn wir uns einem Menschen öffnen und ihn zum Mitwisser unserer Herzensgeheimnisse machen, dann ist das ein Akt der Freundschaft schlechthin. Erst recht ist diese Selbsterschließung Gottes dem Petrus gegenüber und damit euch, liebe Weihekandidaten, gegenüber, ein Erweis höchster göttlicher Freundschaft.

So hat der Herr im Abendmahlsaal sein Verhältnis zu den Jüngern gedeutet: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt“ (Joh 15,15). Jüngerschaft, Priestertum steht im Glanz der Freundschaft und damit im Glanz der Liebe und Schönheit Gottes. Darum fragt der Herr den Petrus: „Liebst du mich?“. Auch wenn ein Priester 50 Jahre und mehr die Wege Gottes geht, steht er weiter unter dieser Frage: „Liebst du mich?“. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16), sagt der Herr weiter. Diese Freundschaft ist das eigentlich Tragende im Leben von uns Priestern. Denn unwiderruflich sind die Gnadengeschenke Gottes und sein Ruf an uns. Darum sagt der Herr eines Tages zu den Jüngern: „Hat euch jemals etwas gefehlt? Sie antworteten: Nein, Herr!“ (Lk 22,35). Ich habe bei Zusammenkünften mit unseren Priesterjubilaren diese Frage des Herrn immer wiederholt: „Hat euch jemals etwas gefehlt?“. Dann ist immer geantwortet worden, wie im Evangelium: „Nein, Herr!“. Darum, liebe Weihekandidaten, habt keine Angst vor der Zukunft! Gebt nur täglich die Antwort des Petrus an den Herrn nach der Frage nach der Liebe: „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebhabe“ (Joh 21,17).

2. Zeuge

Der Jünger Christi wird zum Zeugen Christi, denn an Christus glauben, heißt schlicht: „Gott tun“. Gott ist eben die Liebe in Person und lässt sich nur erfahren in unserer ganz persönlichen Gegenliebe. Nun aber ist Christus der Weg. Und er lässt sich nur erfahren, indem wir diesen Weg gehen, d.h. in unserer Nachfolge. Darum ist das letzte Wort des Herrn an Petrus im heutigen Evangelium: „Folge mir nach“ (Joh 21,19). Nun ist Christus das Brot des Lebens und sättigt uns im eucharistischen Mahl, das euch ab heute zur täglichen Feier aufgegeben wird. Christus ist das Leben. Und er will, dass wir durch die Weihe mit ihm, in ihm und für ihn leben. Er will, dass wir ihn leben. Er ist in der Menschwerdung unser aller Bruder geworden, damit wir durch die Teilhabe an seinem Priestertum wirken, dass alle Menschen als seine Geschwister, als Kinder seines himmlischen Vaters, leben können. Christus ist das Wort Gottes, das gehört werden will. Und darum ist uns das tägliche Hören seines Wortes aufgetragen, damit wir ihn in unserer Verkündigung bezeugen können. Vergessen wir nicht: Der Glaube kommt vom Hören. Und das erste Wort in der Benediktinerregel heißt: „Höre, mein Sohn!“. Ganz folgerichtig haben deswegen die Mystiker für das Glaubensleben des Priesters die Anweisung gegeben: „Deum facere“ – „Gott tun“. Gott tun, der die Tat ist; Gott leben, der das Leben ist; Gott lieben, der die Liebe ist. Das ist der ganze Inhalt unseres Priestertums.

Paulus sagt es uns ähnlich: „Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Röm 14,8). Dass wir das in unseren Priestern erfahren und spüren dürfen, ist der Grund dafür, dass so viele Menschen dem Priester mit Dankbarkeit, Hochachtung und Wertschätzung begegnen. Gottes Gnade kommt in unserer menschlichen Schwachheit zur Vollendung. Christus ist Gott und Mensch. Und darum ist auch der Nachfolger Christi, Petrus, durch einen Doppelnamen geprägt: Simon Petrus. Der erste Name „Simon“ wird ihm gegeben aus dem Bereich des Fleisches und Blutes. Seine Eltern gaben ihm den Namen „Simon“. Der zweite Name „Petrus“ – „Fels“ wird ihm gegeben aus dem Reich des Vaters. Christus benennt ihn so. Simon Petrus ist ein Doppelgänger, ein Wanderer zwischen zwei Welten, zwischen der Welt des Fleisches und des Blutes und der Welt des Vaters und Christus Gnade. Und als solcher hat er auch für uns als Priester normativen Charakter. Das ist auch unsere Berufung, in der Welt zu sein, aber nicht von der Welt zu sein. Das ist unsere Bestimmung, uns vor Christus niederzuknien mit dem Bekenntnis: „Du bist der Sohn des lebendigen Gottes, der in dieser menschlichen Kirche weiterlebt und der sie von innen her mit göttlicher Würde ausstattet“. Darin liegt, wenn man heute so sprechen darf, unsere priesterliche Würde. Sie ist die Würde Christi, die wir zugunsten unserer Mitchristen und Mitmenschen einzusetzen haben.

3. Leidensgenosse

Diese Identifikation des Jüngers mit dem Auftritt des Herrn macht ihn verwundbar. Vergessen wir nicht: Jesus hat uns geliebt bis zum Wehtun. Es tat ihm weh, uns zu lieben. Das Sich Preisgeben, das Geschlagen-, das Angeklagt- und Verurteiltwerden; das mit Dornen Gekrönt- und Gekreuzigt-werden, ohne dass er zurückschlug, war das Kennzeichen Jesu. Auch bei Petrus fehlten neben dem Berg der Verklärung nicht der Ölberg der Passion und der Berg von Golgotha und später der Vatikanische Hügel, auf dem er sein Leben hingab. Auch beim Jünger Jesu bewegt gerade diese Demut eines an Gott und seinen Auftrag ausgelieferten Lebens die Menschen mehr als brillante theologische Formulierungen. Von einem solchen Jünger geht jene tiefe Wärme und Herzlichkeit aus, die nur ein Mensch besitzt, der bereit ist, unter allen Umständen den Weg Christi mitzugehen, den Weg des ständigen Suchens und Tastens nach dem Willen des Herrn. Sein Standhalten gegen die Babylonisierung und Atheisierung von Gesellschaft und Welt versetzt ihn oft auf die Anklagebank der öffentlichen Meinung. Das aber weckt geradezu den Wunsch in jedem Mitchristen, der vom Wesen Christi einmal berührt wurde, sich neben diesen Leidensgenossen des Herrn zu stellen, um seine Last zu erleichtern. So fehlt es ihm in unseren Gemeinden kaum an Wegbegleitern, an Mitarbeitern und Helfern der Wahrheit. Und das wissen wir Priester euch, liebe Schwestern und Brüder, wirklich zu danken.

Der Herr gibt dem nach seiner Zukunft fragenden Petrus die Antwort: „Nicht aus der Welt des Fleisches und Blutes bist du aufgebrochen, sondern aus der Welt der Gnade, des Vaters, der dich berufen hat. Dein ganzes Leben wird nun geprägt sein von diesem Doppel“. Petrus ist der Einzige, den Christus schon zu seinen Lebzeiten seliggesprochen hat. Er sagt: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Er ist aber auch der Einzige – lasst mich das in aller Demut sagen –, den Christus ver-flucht hat: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16,23), als Petrus den Herrn von seinem Leidensweg abhalten wollte.

Petrus ist der berufene Wanderer zwischen zwei Welten. Das ist auch unser priesterliches Schicksal. Das ist auch das Schicksal der Kirche. Wir sind aus der Welt des Vaters und aus der Welt von Fleisch und Blut. Wir müssen weltnah sein, aber müssen unbedingt gottverbunden bleiben. Das gilt auch für unsere Kirche, die von politischen Systemen erdrückt zu werden scheint, aber die sich nie zurückziehen und schweigen darf. Sie hat inmitten dieser Welt nicht die großen Taten dieser Welt zu preisen, sondern das Bekenntnis abzulegen, dass Christus der Sohn des lebendigen Gottes und damit Herr der Welt ist.

Christus mutet dem Petrus und euch, liebe Mitbrüder, eine Aufgabe zu, die uns eigentlich überfordert. Er drückt dem Petrus den Schlüssel in die Hand, mit dem er im Irdischen schließen und lösen soll mit Ewigkeitsfolgen. Die Weihegnade überbrückt die Kluft zwischen menschlicher Begabung und göttlicher Beauftragung, indem der Herr dem Petrus sagt, und damit euch, liebe Kandidaten: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt …Du aber Stärke deine Brüder!“ (Lk 22,32). Amen.

+ Joachim Kardinal Meisner
Erzbischof von Köln

Predigt von Kardinal Meisner




Die Priesterweihe als Video




© 2013 www.kath.net