Atemberaubend authentisch

28. März 2013 in Aktuelles


Dass der Papst aus Buenos Aires bisher nicht in den Apostolischen Palast einziehen will, ist das vielleicht stärkste Signal in der bewegenden Zeichensprache des neuen Bischofs von Rom. Von Paul Badde / Die Welt


Vatikan (kath.net/Die Welt) Die Fenster im obersten Stock des Apostolischen Palastes bleiben am Abend vorerst weiter dunkel. Papst Franziskus will nicht in den Gebäudekomplex umziehen, den Antonio da Sangallo zwischen1508 und 1519 neben dem Petersdom für die Nachfolger Petri errichtet hat.

Bedeutende Künstlerfürsten haben die Residenz beim Grab des Apostelfürsten ausgestattet. Von Bramante bis zu Raffael haben sie etliche der 1.400 Räume und Flure geschmückt.

Die ganze Anlage ist ein einzigartiges Juwel. Leo XIII. (1878–1903), Pius X. (1903–1914), Benedikt XV. (1914–1922), Pius XI. (1922–1939), Johannes XXIII. (1958–1963), Johannes Paul I. (1978) und Johannes Paul II. (1978–2005) sind im letzten Jahrhundert da oben gestorben.

Doch Papst Franziskus aus Buenos Aires will hier nicht einziehen.

Es ist das bisher vielleicht stärkste Signal in der bewegenden Zeichensprache des neuen Bischofs von Rom. „Hier haben ja 300 Menschen Platz“, soll er trocken bei einer ersten Besichtigung seiner Gemächer bemerkt haben, bevor er kurzerhand entschied, vorläufig weiter wie ein Hotelgast in der Suite 201 im zweiten Stock vom Gästehaus des Vatikans wohnen zu bleiben, wo er bislang jeden Morgen mit verschiedenen wechselnden Gästen im allgemeinen Speisesaal frühstückt.

Und es ist, als würde dieses Zeichen wie eine Nussschale sein inoffizielles Regierungsprogramm transportieren, das jetzt in Kuba erstmals veröffentlicht wurde.

Es sind handschriftliche Notizen einer Rede, mit der er als Kardinal vor wenigen Wochen im Vorkonklave dem Vernehmen nach die Mehrzahl der Kardinäle in Bann geschlagen haben soll.

Es ist müßig, das Dokument in einem graphologischen Schriftvergleich auf seine Authentizität zu untersuchen. Denn hier sieht ein Blinder mit dem Stock, dass es vollkommen identisch ist mit jedem seiner öffentlichen Schritte, seit er am Abend des 13. März als ein „Mann vom Ende der Welt“ als neuer Papst der katholischen Kirche über der Loggia des Petersdomes erschienen ist.

Es passt kein Blatt Papier zwischen seine Äußerungen und seine ersten Taten als Nachfolger Petri.

Es passt allerdings auch kein Blatt Papier zwischen sein Pontifikat und dem seines Vorgängers aus Deutschland, wie sich hier immer mehr zeigt.

Papst Franz füllt und führt mit großer Vitalität aus, wozu dem schwach und gebrechlich gewordenen Benedikt XVI. am Schluss die Puste ausgegangen war – und er hält sich dabei derzeit noch wörtlich an viele konkrete Vorgaben seines Vorgängers.

Joseph Kardinal Ratzinger hatte vor dem Konklave von 2005 vor einer „Diktatur des Relativismus“ gewarnt, wo Jorge Mario Kardinal Bergoglio nun acht Jahre später die Kirche flammend dazu aufrief, in einem exstatischen Schritt aus ihren geschützten Räumen „an die Peripherie“ hinaus gehen. Sie dürfe nicht länger eine „verweltlichte Kirche bleiben, die in sich, von sich und für sich lebt“.

Franziskus bleibt sich und Papst Benedikt XVI. auf atemberaubend authentische Weise treu.

Jesus hatte kein Haus, rief er am Mittwoch in seiner ersten Generalaudienz auf dem Petersplatz, weil „sein Heim die Menschen“ waren.

Verständlich, dass Papst Franz da noch zögert, Wohnung im apostolischen Palast zu nehmen.


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