Purpurträger auf dem Laufsteg

11. März 2013 in Chronik


Römer und Journalisten begutachten die Kardinäle Scola, O’Malley und Marx am Sonntag in ihren römischen Titelkirchen. Von Thomas Jansen (KNA)


Rom (kath.net/KNA) Selten haben die Gottesdienstbesucher in Rom so viele Chancen gehabt, einen leibhaftigen Kardinal bei der Feier der Heiligen Messe zu erleben. In Dutzenden der sogenannten Titelkirchen feierten die Purpurträger am letzten Sonntag vor dem Beginn des Konklaves Gottesdienste. Und neben den Pfarreiangehörigen konnten sich auch die Journalisten und Kamerateams aus aller Welt ein Bild von den möglichen Papstkandidaten machen. Alle Kardinäle hatten an diesem Tag das Glück, mit dem Evangelium vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater einen dankbaren Text zum Predigen vorzufinden.

Den Reigen des „pastoralen Schaulaufens“ eröffnete morgens um neun der bei Medien und Buchmachern als Favorit gehandelte Mailänder Kardinal Angelo Scola. In der Kirche «Santi Apostoli» betete er zunächst lange vor dem Madonnenbildnis im linken Seitenschiff, bevor er in die Sakristei ging. In seiner Predigt setzte er geschickt einige theologische und kirchenpolitische «Duftnoten»: Eine Erwähnung des Zweiten Vatikanischen Konzils gleich zu Beginn, später ein Zitat aus den Werken des zurückgetretenen Papstes, und als «cantus firmus» ein Bekenntnis zur Freiheit der Person als Grundlage des christlichen Menschenbildes.

Dass die Kirche den Menschen, wenn er seine Sünden bereut und zu Gott zurückkehrt, wieder mit offenen Armen empfangen sollte, verstand sich auch bei Scola von selbst. Die unter den vielen geschiedenen Katholiken in Mailand und Rom drängende Frage nach dem Umgang mit Menschen, die in einer zweiten Ehe leben, klammerte er freilich komplett aus.

Wenn es nach dem Pfarrer von Santa Maria della Vittoria ginge, wäre die Papstwahl wohl schon entschieden. Jedenfalls legte sich der italienische Geistliche am Sonntagmorgen mächtig ins Zeug für «seinen Kardinal», den US-Amerikaner Sean Patrick O'Malley. Der Erzbischof von Boston sei demütig, liebe die Kirche, kurzum: er bringt alles mit, was ein Nachfolger Petri braucht. Da gebe es nur eine Sache, die O'Malley schaden könne: dass er Kapuziner sei. Womöglich rufe das ungute Erinnerungen an Sixtus V. (1585-1590) hervor, den letzten franziskanischen Ordensmann auf dem Stuhl Petri, befürchtet der Pfarrer.

Ein Drittel der Zuhörer sind Journalisten und Fotografen, etliche Kameras sind auf die Kanzel gerichtet. Schließlich gilt O'Malley ebenfalls als «papabile». Größere Menschenmengen besuchen die Kirche sonst nur wegen Berninis Darstellung der «Verzückung der heiligen Theresa». Und mit der beginnt auch O'Malley seine Predigt, gut amerikanisch, mit einer Anekdote: Ob er Berninis Kunstwerk mit nach Boston nehmen könne, habe er einmal gefragt. So etwas habe bislang nur Napoleon versucht, sei die Antwort gewesen. Das ist allerdings auch schon der Höhepunkt der Predigt. Was dann in Italienisch mit portugiesischem Akzent folgt, geht über eine Nacherzählung des Evangeliums kaum hinaus. Originelle theologische Einsichten gibt es bei O'Malley an diesem Tag nicht - sieht man von dem Satz ab, das die Kirche auch den Ausgetretenen entgegengehen müsse wie der Barmherzige Vater dem verlorenen Sohn.

Weit vom römischen Stadtzentrum entfernt prägt der Münchener Kardinal Reinhard Marx unterdessen eine griffige Formel für die Papstwahl: «Das ganze Volk Gottes betet, die Kardinäle wählen und Gott entscheidet». Es gehe um eine richtungsweisende Entscheidung in schwierigen Zeiten, sagt Marx in seiner Predigt. Hier, in seiner Titelkirche San Corbiniano im römischen Vorort Infernetto, ist die italienische Gemeinde weitgehend unter sich. Viele junge Familien sind gekommen. Journalisten haben sich an diesem abgelegenen Ort kaum eingefunden. Niemand hat Marx als Kandidaten auf der Rechnung. Dafür geht es umso familiärer zu: Am Schluss des Gottesdienstes segnet Marx das Ehepaar Liselotte und Vittorio Salvati. Die Deutsche und der Italiener feiern am Mittwoch, dem ersten vollen Wahltag des Konklaves ihre goldene Hochzeit. Geheiratet hat das Paar am 13. März 1963 in der St. Margareten-Kirche in München. Rund drei Monate später wurde der Italiener Giovanni Battista Montini zum Papst gewählt.

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