Das Geheimnis von Mutter Teresa

7. März 2013 in Chronik


Die erste Heiligsprechung ist Jesus selbst zuzuschreiben, als er am Kreuz neben sich einem Verbrecher (!) versprach, ihn noch am selben Tag im Paradies wiederzutreffen. Von Paul Badde


Vatikan (kath.net) Von Pater Pio wurde kürzlich behauptet, dass er sich Jahrzehnte (!) lang Tag für Tag und jeden Morgen beide Hände, Füße und seine Brust mit Säure verätzt haben soll, um damit vor den Menschen, die seine Zelle und seinen Beichtstuhl zu Tausenden bestürmten, nur ja in den Ruf der Heiligkeit zu gelangen. Inzwischen verstaubt das Buch Sergio Luzzattis, das die „Entdeckung“ vor sechs Jahren verbreitete, wieder gemächlich vor sich hin, während das Grab Pater Pios in San Giovanni Rotondo in Süditalien mehr Pilger anzieht als je zuvor.

Bei Heiligen der katholischen Kirche hat es aber eine gewisse Tradition, dass in gebührendem Abstand zu ihrem Tod Stimmen laut werden, die beweisen wollen, dass es mit der Heiligkeit der Verehrten nicht allzu weit her sein kann, wenn wir alles bedenken, das sich in deren Leben auch noch zugetragen hat.

Doch bei Heiligen kommt es auf solche Argumente im Grunde überhaupt nicht an. Denn die erste Heiligsprechung ist ja Jesus selbst zuzuschreiben, als er am Kreuz neben sich einem Verbrecher (!) versprach, ihn noch am selben Tag im Paradies wiederzutreffen.

Knapper lässt sich Heiligkeit aber nicht definieren: als Existenz in der Gegenwart Gottes.

„Tutti i santi hanno i loro difetti“, weiß der italienische Volksmund deshalb schon lange: „Alle Heilige haben auch Fehler“. In einem Heiligsprechungsprozess der katholischen Kirche wird deshalb auf überaus skrupulöse Weise nur der „heroische Tugendgrad“ der betreffenden Person festgestellt. „Heilig“ darf sie dann aber erst genannt werden, wenn dieser Befund durch ein anerkanntes Wunder quasi vom Himmel her bestätigt wurde.

Genau dies ist bei allen Heiligen des letzten Jahrhunderts von Pater Pio bis zur seligen Mutter Teresa exakt so geschehen.

Mutter Teresa aber hat in ihren nachgelassenen Briefen wie keine zweite selbst über ihre dunklen Seiten und Zeiten Auskunft gegeben.

Das waren für die kleine Albanerin, die schon zu Lebzeiten als „das gute Gewissen des 20. Jahrhunderts“ galt, jedoch nicht die hygienischen Standards in ihren Sterbehäusern oder die korrekte Verbuchung all ihrer Spenden, sondern pure Verzweiflung, Gottesferne, Gottesfinsternis, radikaler Unglaube, mangelnde Liebe oder das Nachlassen jeder Hoffnung.

So schnell wie sie hatte die katholische Kirche dennoch noch keinen als selig anerkannt. Es war ein Herzenswunsch des siechen Papstes, dessen Besuch im „Haus der Sterbenden“ in Kalkutta ihr im Jahr 1986 „den schönsten Tag“ ihres Lebens bescherte – das ansonsten voll war von Stunden einer erschreckenden „Nacht ihrer Seele“, in denen sie nicht wusste, ob es Gott gibt, ob es einen Himmel gibt und wo all ihre Gebete „wie Schwerter“ zurück in ihre Seele fuhren.

Als sie starb, hatte sie 5.400 theologische Briefe hinterlassen und unzählige Briefe an die Schwestern. Alle drei Tage war sie an einem anderen Ort. Sie hatte Herzleiden und Migräne. Sie hatte eine schwere Arthritis, so dass sie kaum schreiben konnte. Sie war sich bewusst, dass sie wirklich keine besondere Begabung hatte.

„Ihr Geheimnis war ihre Leere, diese innere Leere und Offenheit auf Gott hin“, sagt Pater Leo Maasburg, der ihr lange gedient hat. Drei Unterkleider, zwei Saris, ein Paar Sandalen, eine Stofftasche, die Bibel und der Rosenkranz waren ihr einziger Besitz und der all ihrer Mitschwestern, die sie um sich versammelte.

Dennoch war ihre Seele „wie ein Eisblock“, lesen wir heute in einem ihrer Briefe. Sie sei „von Gott nicht gewollt“, heißt es in ihrer Korrespondenz, „zurückgestoßen - leer - kein Glaube - keine Liebe. Nur Dunkelheit in meiner Seele – und diese schreckliche Leere, dieses Gefühl der Abwesenheit Gottes“.

Als sie starb, hatte sie 517 Missionsstationen für Arme, Kranke und Sterbende in 100 Ländern geöffnet, mit mangelnder Hygiene, wenig Lebensmitteln, wenig Schmerzmitteln – und einer Unruhe in ihr, die nie nachließ.

„Es war diese verzehrende Sehnsucht, Gott zu begegnen“, sagt Maasburg, „die sie keine Zeit verschwenden ließ. Darum war ihr erster Weg überall und immer in die Slums. Sie rannte und lief zu den Ärmsten der Armen: praktisch immer auf der Suche nach ihrem Geliebten.“

Interview mit Pater Leo Maasburg über Mutter Teresa


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