Benedikts Amtsverzicht: Es gibt keinen Toten und doch trauern wir

14. Februar 2013 in Kommentar


Der Abschied von Papst Benedikt XVI. hat begonnen - Ein Pontifikat der Fülle wurde getragen von einem Menschen des Übergangs. Von Petra Lorleberg


Vatikan (kath.net/pl) Der Abschied hat begonnen. Die letzte öffentliche Messe hat Papst Benedikt XVI. bereits gefeiert. Tränen wurden geweint. Wir trauern schon jetzt. Nach alter Sitte geht ein neuer Papst, wenn er seine Wahl angenommen hat, in die sogenannte „Kammer der Tränen“. Doch am Ende eines Pontifikates geht das Gottesvolk in die „Kammer der Tränen“.

Als Benedikt XVI. damals im Jahr 2005 auf der Loggia des Petersdoms zum ersten Mal als Papst vor uns trat, konnte ich es kaum glauben. Einer von uns, einer, der nicht nur unsere Sprache, sondern auch unser Denken kennt, trug Kleidung und Stola des Papstes. Darunter lugten noch die Ärmel eines schwarzen Pullovers hervor, eine kleine Erinnerung an die vorige Persönlichkeit, die gleichzeitig in nur scheinbarem Widerspruch abgelegt und gesteigert wurde.

Man fragte sich damals, ob Ratzinger nur ein „Übergangspapst“ sei. Ich weiß noch, wie auch ich selbst angesichts der fragilen Figur und der sanften, unkämpferischen Art des neuen Papstes dachte: wenn er doch wenigstens zwei, drei Jahre bekäme, um Zeit zu haben, uns die wichtigsten Punkte seiner Botschaft zu erläutern. Und ich dachte weiter: oder wenn es sogar fünf Jahre werden würden! Fünf Jahre – das erschien mir damals als eine kaum zu erhoffende Fülle.

Daraus sind fast acht Jahre geworden. Benedikt XVI. hatte vom Herrn der Geschichte und der Kirche tatsächlich alle Zeit zur Verfügung gestellt bekommen, uns seine Botschaft zu sagen. Und der Pontifex hat sie uns gesagt! Unermüdlich hat der Nachfolger Petri auf den Kern des Glaubens hingewiesen:

Wir sind nicht Christen, weil es in der Kirche so gemütlich ist – nebenbei: es IST nicht gemütlich in unserer Kirche -, sondern wir sind Christen, weil wir berufen sind, unsere Augen, unseren Verstand, unser Herz, unser Leben auf Christus auszurichten. Nichts weniger. Und ein MEHR als dies gibt es nicht. Wir sind Christen, weil wir uns in den Strudel der göttliche Liebe geworfen haben. Wir sind Christen, weil wir uns selbst verlassen haben und weil wir die einzige Hoffnung für unser Leben ausgerechnet im Kreuzestod eines jüdischen Handwerkers suchen, in welchem uns die reine ungeteilte Gegenwart Gottes aufgeflammt ist.

Papst Benedikt hat uns seine Botschaft in aller Fülle und Deutlichkeit dargelegt. Nun wird er verstummen. Die Saat ist ausgesät. Es gilt abzuwarten, was im Dunkel unserer Erde und unserer Herzen daraus erwachsen wird.

Es lässt sich schon jetzt beim Ausklingen dieses Pontifikates mit Sicherheit sagen: Benedikt XVI. wird in die Papstgeschichte nicht als Übergangspapst eingehen, sondern als Papst mit markantem Einfluss und Profil. Ein Theologenpapst wie nur wenige.

Obwohl natürlich im deutschsprachigen Raum die Zahl der Menschen, die er tatsächlich in die Nachfolge des gekreuzigten Erlösers berufen konnte, nicht unbedingt überwältigen mag – weltkirchlich gesehen sieht dies ja anders aus. Doch auch im deutschsprachigen Raum hat er der universitären Theologie sowie der lokalen Kirchenhierarchie und dem Volk der Gläubigen einen Schub und einen gesunden Stein des Anstoßes verpasst, mit dem sie sich noch lange, teilweise widerstrebend, abrackern werden.

Benedikt XVI. ist kein Übergangspapst. Aber Joseph Ratzinger ist ein Übergangsmensch, wie wir seit seiner Rücktrittsankündigung am 11.2.2013 wissen. So wie damals auf der Loggia des Petersdoms noch die schwarzen Ärmel unter der neuen Papstgewandung hervorlugten, als wir Papst Benedikt zum ersten Mal sahen, so schimmern sie „gleichsam“ (um ein Lieblingswort von Benedikt zu verwenden) auch jetzt schon wieder durch, wo wir ihn die letzten Male sehen. Die Zeit des Papstes Benedikt XVI. neigt sich nun dem Ende zu. Ein großer Theologenpapst nimmt Abschied. Wenn in Kürze der Übergang vollzogen sein wird, wird es den Papst Benedikt XVI. nicht mehr geben. Dieser Papst wird eine Figur der Geschichte sein, wenn auch mit gewaltigen und noch überhaupt nicht abschätzbaren Stoßwellen in die Zukunft unserer Kirche hinein. Der Papst wird unwiderruflich „tot“ sein. Sogar sein Fischerring und sein Amtssiegel werden unbrauchbar gemacht werden. Zurück bleibt ein Mensch namens Benedikt. Wir dürfen Benedikt noch lieben. Aber er wird nicht mehr DER Stellvertreter Christi sein.

Doch auch die Stellvertretung gibt er nicht auf, auch sie geht nur in anderes über. Joseph Ratzinger, der irdische Träger jenes Papstes Benedikt XVI., wird nicht mehr in der einzigartigen petrinischen Weise die Stelle Christi an uns, dem Volk Gottes, vertreten. Sondern er wird in äußerst exponierter Weise UNS vor Christus vertreten.

Joseph Ratzinger, wenn Sie nicht mehr der „Heilige Vater“ für uns sind, so bitten wir Sie ausdrücklich darum, dass Sie als unser Großvater im Glauben die Anliegen, Wunden und Kämpfe unserer Kirche, unserer Welt und unserer Zeit vor Christus, den Herrn, tragen.

Doch auch wir, die Gläubigen, müssen einen Übergang bewältigen. Und wer Papst Benedikt XVI. wirklich treu sein will, dem stellt sich nun eine neue Aufgabe: Aus genau dieser Treue heraus das Herz schon jetzt für den kommenden Papst zu öffnen. Und vielleicht tun auch wir dies stellvertretend für viele?

Die Last des Papstamtes. Ein Lied über Papst Benedikt in der ´Kammer der Tränen´ (Room of Tears)


Im Jahr 2005: HABEMUS PAPAM - Benedikt XVI.



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